Geheimnisse, Residenz München

12.12.1912 – Diese Weihnachstzeit ist Prinzregentenzeit!

2012 war ein sattes Jubiläumsjahr in der Residenz – aber es ist noch nicht zu Ende:Nach all den barocken Feierlichkeiten des Sommers wenden wir uns passend zur Adventszeit mehr ins Gemütliche und Heimelige, in die gute alte, die Prinzregentenzeit. Denn mit einer absoluten Schnapszahl jährt sich am 12.12.2012 ein eher ernst-besinnliches Datum zum 100. Mal – der Todestag des Prinzregenten Luitpold.


Luitpold von Bayern (1821-1912), Büste von Rüman (1901) im Residenzmuseum


„Prinzregentenzeit“ – bei diesem Begriff leuchten in etwa so viele innere Schlaglichter auf wie bei einer Erwähnung von Märchenkini Ludwig II.
„Prinzregent“ – das ist:

  • Alte Postkarte mit gütiger Großvaterhand auf blondem Kinderscheitel
  • Künstlerische Avantgarde in „Wahnmoching“ – heute besser bekannt als Schwabing
  • Zumindest für die vor 1980 Geborenen die unvergessliche Eingangssequenz von zahllosen Folgen des Königlich Bayerischen Amtsgerichts: „Damals hat noch Seine Königliche Hoheit der Herr Prinzregent regiert, ..das Bier war noch dunkel, … die Dirndl sittsam“ usw.
  • und natürlich eine nach wie vor sehr leckere Tortenkreation, auch wenn Sie nach Meinung des Verfassers mit Sachertorte nicht ganz mithalten kann.

Tatsächlich ist der Prinzregent aber nicht nur und von Anfang an der freundliche ältere Herr mit dem Rauschebart gewesen, den man aus den Ludwig-Thoma-Büchern zu kennen meint. Vielmehr ist Luitpold, der 1821 als dritter Sohn Ludwigs I. zur Welt kam, eine überaus spannende Figur. Ins Rampenlicht der Öffentlichkeit trat er allerding erst spät, 1888, als er im Zuge der Entmündigung und des Todes seines Neffen Ludwigs II. als „des Königreiches Bayern Verweser“ eingesetzt wurde und dieses Amt ein Vierteljahrhundert ausübte – juristisch als Vertreter des neuen Königs Otto I., des geisteskranken Bruders Ludwigs II., der erst 1916 starb.


Otto als junger Mann, Aufnahme des Münchner Hofphotographen Joseph Albert


Als dritter Sohn waren Luitpolds Chancen, einmal den bayerischen Thron zu besteigen, ursprünglich denkbar gering gewesen. Trotzdem hatte König Ludwig auch eine solche Möglichkeit für diesen seinen Lieblingssohn ins Auge gefasst: In der typisch sperrig-royalen Diktion des Monarchen, der hier einmal mehr die Satzteile eher genialisch aneinanderfügte, verordnete Ludwig daher: „Zum Soldaten soll sich mein Sohn Luitpold bilden, aber auch dass er Herrscher sein kann … Gottes Fügung kennt niemand; auch mein Vater wurde, ein Nachgeborener, König!“
Luitpold bildete sich also brav zum Soldaten, machte beim bayerischen Militär Karriere und durfte dafür so patriotisch-prekäre Aufgaben übernehmen, wie 1870 den berühmten „Kaiserbrief“ zu übermitteln, in dem Ludwig II. dem preußischen König Wilhelm die Kaiserkrone antrug und so die Gründung des Deutschen Reichs von fürstlicher Seite aus legitimierte.

Wenn ihm das schon bayerischerseits nicht nur Dankbarkeit eintrug, war die erste Zeit der Regentschaft besonders schwierig: Art und Weise der Amtsenthebung Ludwigs II. und der praktisch nur Stunden später eintretende Tod des entmündigten Monarchen im Starnberger See ließen die Verdächtigungen, der alte Onkel Luitpold, der nun als Regent die Macht innehatte, habe die Ermordung des Märchenkönigs befohlen, heftig hochkochen. Luitpold war daher klug beraten, dass er, obwohl stets klar war, dass der direkte Thronerbe Otto niemals würde herrschen, noch Kinder haben können, zeitlebens auf den Königstitel verzichtete – diesen zu führen blieb seinem eigenen Sohn Ludwig (III.) überlassen.


Ludwig III. war der letzte Wittelsbacher auf dem bayerischen Thron


Vielmehr hat der Prinzregent klug und geschickt die Rolle des Versöhners sowie eines pflichtbewussten Verwalters und Repräsentanten des Landes übernommen. Damit hat er den Grund für seine bis heute anhaltende Popularität gelegt – sein als unprätentiös und freundlich geschilderter Charakter mögen ihm dabei zustatten gekommen sein.

Über zwei Jahrzehnte hinweg wurde bei Staatsakten und gesellschaftlichen Anlässen, durch Reden, Gedichte und immer wieder durch das moderne Medium der Photographie und der Bildpostkarte der Prinzregent als jovialer, gütiger Landesvater vorgestellt und propagiert: Luitpold mit totem Eber auf der Jagd, Luitpold mit brennender Kerze bei der Fronleichnamsprozession, Luitpold mit bürgerlichen Freunden beim Bier auf der Terrasse der Badenburg…



Die Rechnung ging auf: die Beliebtheit des Regenten war enorm und fast ungeteilt. Es gelang ihm, seine Person mit positiven und nachhaltigen Errungenschaften seiner Epoche zu verbinden. Der Erfolg dieser Strategie ist schließlich bis heute unmittelbar fühlbar – Münchens gute alte Zeit ist – klar, natürlich, – die Zeit von Monaco Franze und Spatzl, von Baby Schimmerlos, Kir Royal und „Zur Sache Schätzchen“. Aber genauso und für manchen vielleicht noch mehr die Prinzregentenzeit. Insofern feiern wir zum Jahresausklang nochmal ein sehr schönes, weil ebenso interessantes wie nostalgieträchtiges Jubiläum.