In einer losen Folge von Artikeln soll vom Prozess der musealen Neuordnung der Burg Lauenstein berichtet werden. In diesem Beitrag steht zuerst einmal die vielfältige Nutzungsgeschichte der Burg und ihrer Sammlung im Mittelpunkt.
Der Burg Lauenstein stehen große Umbrüche bevor. In den kommenden Jahren wird das ehemalige Hotelgebäude der Vorburg grundlegend ertüchtigt werden. Dort sollen neben einem neuen Kassenraum mit Shop und kleiner Info-Präsentation zur Burg vor allem Ferienwohnungen zum Besuch der nördlichsten Burganlage Bayerns einladen.
Doch abseits dieser großen Umbrüche soll auch das Museum in der Burg in kleinen Schritten Stück für Stück erneuert werden, sodass die Besucherinnen und Besucher der Burg in einigen Jahren auch im Inneren der Kernburg ein neues Burgerlebnis vorfinden werden.
Von den Grafen von Orlamünde bis zum Freistaat Bayern
Die Burg Lauenstein war vom 13. bis weit in das 15. Jahrhundert hinein eine Burg der Grafen von Orlamünde. Spuren dieses Baukörpers haben sich im Bereich des sog. Orlamündeflügels erhalten. Nach deren Niedergang ging sie zunächst durch verschiedene Hände, bis im Jahre 1506 die Herren von Thüna in den Besitz von Burg und Herrschaft Lauenstein gelangten.
Der nach ihnen benannte Hauptflügel prägt das Aussehen der Burg mit seinen vier Ecktürmen bis heute. Der Bau wurde in den Jahren 1551–1554 errichtet und ist ein bemerkenswertes Beispiel der Schlossarchitektur der Renaissance in Mitteldeutschland. Im Jahre 1622 erwarb der Bayreuther Markgraf Christian die Burg und machte Lauenstein zu einem Verwaltungssitz. 1791 kam das Markgraftum an Preußen und schließlich 1804 im Rahmen des Hauptlandesvergleichs zwischen Preußen und Bayern an das bayerische Kurfürstentum.
1815 in Privatbesitz übergegangen, geriet die Anlage in der Folgezeit zunehmend in Vergessenheit und diente ab den 1860er Jahren als genossenschaftliche Wohnstätte, bis sie 1896 von Dr. Ehrhard Meßmer angekauft wurde, der die Burg im Sinne des Späthistorismus renovierte und nach dem Zeitgeschmack der Burgenromantik ausstattete. Die Burg entwickelte sich zu einem beliebten Ausflugsziel und gerade in der Weimarer Republik zu einem hoch bedeutenden Tagungsort für Gruppen unterschiedlichster Couleur. Nahezu alle Räume der Burg wurden bis in die Zeit des Nationalsozialismus hinein als Hotelzimmer genutzt. 1962 erwarb der Freistaat Bayern die Burg und restaurierte die Gesamtanlage in den Jahren 1966 bis 1976.
Die Sammlungen Ehrhard Meßmers
Die Ausstellungsstücke der Burg Lauenstein bestehen heute ausschließlich aus den Sammlungsgegenständen Ehrhard Meßmers. Historische Möbel vom Mittelalter bis zum Jugendstil, Gemälde, Ausstattungsgegenstände, Textilien etc. waren ursprünglich dazu gedacht, in den Räumen der Burg, die als exklusive Hotelzimmer genutzt wurden, ein „historisches“ Flair zu vermitteln. Die heute wie damals im Erdgeschoss der Burg gezeigten Sammlungen von bäuerlichen Gegenständen, Beleuchtungskörpern und Eisenschlössern hingegen waren Bestandteil eines heimatkundlichen Burgmuseums, das Meßmer für seine Gäste eingerichtet hatte.
Die erhaltenen freistaatlichen Akten über den weiteren Einrichtungsprozess der Burg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen, wie schwer sich die jeweiligen Akteure taten, den Bestand in ein stimmiges Konzept zu integrieren. So ist die Sammlungspräsentation bis heute ein Kompromiss aus den Eigenheiten der Hotelsammlung und den spezifischen Interessenslagen früherer Konservatorengenerationen. Die Zielstellung war vor allem, mit einer Hotelsammlung die Räume als Raumkunstwerkmuseum wieder aufleben zu lassen. Dass die ästhetische und kunsthistorische Qualität der Sammlung eine solche Möblierung nicht durchgehend zulässt, ist bis heute eine Fehlstelle, die seit der Wiedereröffnung 1976 nicht geschlossen werden konnte. Gerade an diesem Punkt werden die konzeptionellen Neuerungen anzusetzen haben.
Die geschilderte Situation wurde bereits in der Festansprache zur Wiedereröffnung recht deutlich beschrieben. So ist im Redemanuskript für Staatssekretär Meyer (Festansprache am 11.6.1976) zu lesen:
„Die Einrichtung der Burg Lauenstein ist nach Umfang und Qualität sehr heterogen. Erscheint diese Vielfalt zunächst als Nachteil, so ist sie doch wegen der Randlage, die die Burg Lauenstein seit nach dem Kriege einnimmt, doch von Vorteil: Auf diese Weise kann die Burg die Aufgabe eines kultur- bzw. volkskundlichen Museums im oberfränkischen Zonenrandgebiet übernehmen. (…) Bei der Neuordnung waren folgende Gesichtspunkte ausschlaggebend: 1. Der Bestand der Sammlungen Meßmers sollte beisammenbleiben. 2. Die Einrichtung sollte einen Eindruck von der Ausstattung einer Burg geben.“
Was bislang allerdings im Konzept kaum eine Rolle spielt – für das heutige Erscheinungsbild der Burg aber geradezu prägend wirkt –, ist die Geschichte der Burg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ausgehend von einem Reisebericht in der einflussreichen Zeitschrift „Die Gartenlaube“ wurde die Burg zu Beginn des 20. Jahrhunderts als beliebtes Ausflugsziel in der Sommerfrische entdeckt.
Max Weber und Bertrand Russel in Lauenstein
Mit den Kulturtagungen 1917 und 1918 rückte die Burg zum ersten Mal ins Zentrum der politischen und kulturellen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit. Der Jenaer Verleger Eugen Diederichs hatte im Epochenjahr 1917 mehr als sechzig Wissenschaftler, Industrielle, Politiker, Künstler und Publizisten zu einer geschlossenen Tagung auf die Burg eingeladen. Hier diskutierte eine bürgerlich-intellektuelle Elite, wie ein neues Deutschland nach dem großen Krieg aussehen könnte. Unter den Teilnehmern waren beispielsweise Max Weber, Werner Sombart, Ernst Toller und Theodor Heuss. In der Folge wurde Lauenstein ein wichtiger Konferenzort für kulturelle, politische, wissenschaftliche, lebensreformerische und studentische Akteure während der Weimarer Republik.
Auf der Burg trafen sich die Vertreter der thüringischen Volkshochschulbewegung ebenso wie später die „Soziale Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost“ (SAG) um Friedrich Siegmund-Schultze, einem Pionier der christlichen Friedensbewegung. 1922 hielten Anita Augspurg und Gustava Lida Heymann auf der Burg die Sommerakademie der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ ab, an der auch der Philosoph Bertrand Russell teilnahm. Lauenstein war Treffpunkt unterschiedlicher Jugend- und Studentengruppen von der Gründung des Jungdeutschen Bundes, dessen pathetisches Gelöbnis als „Lauensteinformel“ bekannt wurde, über die so genannte „Neue Schar“ des Lebensreformers Muck-Lamberty, der als esoterischer Heilsbringer singend, tanzend und predigend durch das Thüringer Land zog, bis zu den Tagungen der Jungschmiede, die ihr Handwerk angesichts des fortschreitenden Industrialisierung grundlegend erneuern wollten.
In dieser Zeit der Möglichkeiten, der spektakulären Gesellschafts- und Lebensentwürfe wurde die abgeschiedene Burg für ein Jahrzehnt eine offene Bühne für Avantgarden jeglicher Couleur – leider auch der dunklen. Zu Beginn der 1930er Jahre riefen Ernst Niekisch (1930) und Otto Straßer (1931) ihre Anhänger auf der Burg zu Reichstagungen zusammen. Straßer gründete in Lauenstein die „Schwarze Front“ als nationalsozialistischen Kampfbund.
Das Ende der Weimarer Republik bedeutete gleichzeitig das Aus für Lauenstein als Tagungsort. Die unter Zwangsverwaltung gestellte Burg diente nur noch sporadisch der Selbstinszenierung des Nazi-Regimes. 1944 stand hier Wilhelm Canaris, der ehemalige Leiter des militärischen Nachrichtendienstes der Nationalsozialisten, unter Hausarrest, bevor er in das Konzentrationslager Flossenbürg verbracht wurde, um dort noch Anfang April 1945 gehängt zu werden.
Auch diese Aspekte der Burggeschichte sollen im künftigen Rundgang angemessene Berücksichtigung finden, sodass sich jene große Klammer, die vom ersten Burgbau bis zum Ankauf der Burg durch den Freistaat Bayern im 20. Jahrhundert reicht, auch in der Dauerausstellung widerspiegelt.