Geheimnisse, Residenz München

Frühlingsgefühle, ein nasser Bär und zwei Hunde aus Bronze: Die Gärten der Residenz Teil 2

Schon vor zwei Monaten haben wir an dieser Stelle über einen versteckten kleinen Garten der Residenz berichtet – den im späten 16. Jh. errichteten Grottenhof (https://schloesserblog.bayern.de/?p=1157), in dem momentan dank einer großzügigen Spende der Kappelmaier-Stiftung dringend notwendige Restaurierungsarbeiten wieder anlaufen. Der plötzliche Sommereinbruch erleichtert aber nicht nur die mühselige Arbeit der Wandrestauratoren, sondern weckt auch bei uns neue Frühlingsgefühle, und die wollen selbst am Büro-PC ausgelebt werden – wenn auch nur mit der Vorstellung eines weiteren, heute verschwundenen Gartenparadieses, das aber dennoch zahlreiche Spuren hinterlassen hat:


Auf diesem Kupferstich sind drei Residenzgärten zu erkennen: Links der heutige Hofgarten, ziemlich in der Mitte der Grottenhof und rechts davon der heute verschwundene südliche Residenzgarten


Wer heute auf dem Weg zur Museumskasse den Königsbauhof der Residenz durchquert, findet sich umgeben von den Mauern der Ahnengalerie und den noch höheren von Klenzes Königsbau. Nur wenige Besucher wissen, dass sich auf diesem architektonisch nicht sonderlich glücklich umstellten Gelände bis ins 19. Jahrhundert hinein einer der angenehmsten Plätze des ganzen Riesenareals befand – der große südliche Residenzgarten: Auf dem Kupferstich des Michael Wening von 1701 ist dieser Garten in der ursprünglichen Gestalt zu erahnen, die er in im Wesentlichen in der Regierungszeit Maximilians I. erhielt: ein längliches Gelände, eingepasst zwischen die älteren Trakte der Residenz und die Klostergrundstücke, die sich früher auf dem Gebiet des heutigen Max-Joseph-Platzes erstreckten. Im Osten folgte der Garten den Mauern des schräg gestellten Baukörpers des Antiquariums und „knickte“ daher in südlicher Richtung ab – an der Stelle, die heute durch den Querriegel der Grünen Galerie versperrt ist und das ehemalige Gartengelände in zwei Hälften teilt.


Im 17. Jahrhundert lagen an diesem Garten die Gemächer der Kurfürstinnen – zierlich beschnittene Pflanzen und Wasserspiele boten einen angemessenen Ausblick für die höfische Damenwelt. Hier öffnete sich ein täglicher Zufluchtsort zwischen der lärmigen Stadt und der repräsentativen Steinwüste des benachbarten Kaiserhofs. Neben Spazierwegen und frischer Luft bot der Garten dem Besucher noch zwei besondere Attraktionen: In der ungefähren Mitte des Geländes erhob sich ein kleiner Rundtempel. Dieser bot nicht nur Schatten und Sitzgelegenheiten, sondern kaschierte geschickterweise auch den Knick im axialen Grundriss der Anlage. Am östlichen Ende des Gartens befand sich als zweiter Blickfang vor einer halbrunden Blendfassade ein Wasserbecken, in dessen Zentrum sich die Gestalt der „Tellus Bavarica“ des Hubert Gerhard erhob (https://schloesserblog.bayern.de/?p=1241). Die weibliche Verkörperung Bayerns stand auf einem kleinen Grottenberg, umgeben von Tieren, die den jagdbegeisterten Höflingen den Wildreichtum des Landes andeuten sollten. Eine Zeichnung des frühen 17. Jahrhunderts überliefert einen Eindruck dieser frühbarocken Brunnenanlage.


Die Zeichnung Matthias Kagers entstand 1611 im Auftrag des Kunstagenten Philipp Hainhofer (Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek)


Sie zeigt auch direkt unter der Tellus einen bronzenen Bären, der in der Zeichnung – man muss es sagen – schlichtweg putzig aussieht und Wasser speit – vermutlich eins der ganz großen touristischen Fotomotive für tierbegeisterte Touristen und eine schwere Konkurrenz für unsere vier Bronzelöwen an den Residenzportalen, hätte dieser Geselle die Zeiten überdauert. Leider hatte dieser Hellabrunn-Zoo im Kleinen aber nur für kurze Zeit Bestand: Schon vor 1616 wanderte die Tellus in den neu angelegten Hofgarten nördlich der Residenz, die bronzene Menagerie wurde zerstreut: Immerhin haben sich die beiden Jagdhunde erhalten – heute wittern sie, immer noch deutlich erkennbar auf verwirrter Suche nach dem verschwundenen Bären, in den Räumen des Bayerischen Nationalmuseums.


Auch nach dem Umzug seiner ersten Bewohner blieb das Brunnenbecken nicht leer: Bald schon thronte hier die Gestalt Neptuns, Gott der Meere: Der sparsame Kurfürst Maximilian I. hatte die Figur günstig aus dem Nachlass des bedeutenden barocken Bildhauers Georg Petel erworben. Ursprünglich schossen aus den Spitzen von Neptuns Dreizack Wasserstrahlen – ein hübscher Einfall, auch wenn heute manchem mythologisch Unbefangenem vielleicht das Bild moderner Rasensprenger vor Augen tritt.


Petels Neptun in Raum 93 des Residenzmuseums


Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert verlor die altertümliche kleine Anlage immer mehr an Bedeutung und wurde in seiner Funktion durch den wesentlich größeren nördlichen Hofgarten ersetzt. Die Baulust der bayerischen Herrscher ließ das Areal immer mehr schrumpfen – die Errichtung des Königsbaus ab 1826 bedeutete dann das endgültige „Aus“. Ein Gemälde von Domenico Quaglio aus demselben Jahr zeigt den einsamen Neptun als letzten Rest einstiger Pracht seine Wasserstrahlen bereits gegen hohe nackte Mauern ansprühen.


 

Heute steht der Gott wohl restauriert und deutlich erleichtert im Inneren des Museums. In einigen Jahren wird er im neuen Sammlungsbereich der Bronzeskulpturen würdig und vielleicht etwas nostalgisch an ein in der Geschichte versunkenes einstiges Gartenparadies erinnern.