Endlich ist er da – der Wonnemonat Mai…
…und überall regen sich nach mehr oder minder erholsamen Winterschlaf Fauna und Flora: Detailliert berichtet etwa der München-Teil der SZ über Befindlichkeit und Wohlergehen der beiden Junglöwen im Hellabrunner Tierpark, und wenn der Zeitungsleser den Kopf hebt, sieht er zwitschernde Zugvögel aus dem Süden zurückkehren, hört Bienlein emsig summen – und auch sonst macht die Natur auf vitale Weise ziemlichen Krach. Gern nehmen wir soviel animalische Betriebsamkeit zum Anlass, uns zu fragen, was wir eigentlich über Tiere in der Residenz und die Rolle, die sie im Leben ihrer Bewohner spielten, wissen?
Wer sich heute in unserem Museum auf die Suche nach zahmen und wilden Bestien macht, trifft sie meist schon fertig „zubereitet“ an – nämlich in Form der zahlreichen Stillleben, auf der erlegte Jagdbeute dekorativ ausgebreitet manchem Appetit macht und auf die dominante Rolle hinweist, die die Jagd im höfischen Alltag einnahm. Aber die Maler stellten Löwe, Bär, Kamel, Fisch oder Schwan ebenso gern lebendig auf ihren Leinwänden dar – als symbolische Vertreter von Erdteilen, Elementen oder Gemütszuständen: So zieht an der Decke des sogenannten „Zimmers der Welt“ (Raum 108) eine ganze Menagerie als Sinnbild von Land und Meer am Auge des Betrachters vorbei.
In der Kunstwelt der Residenz also ist das Getier fest etabliert. Was aber wissen wir über Haustiere im modernen Sinne? Schließlich tauchen auf den erhaltenen Gemälden weder Goldfischglas noch Hamsterkäfig auf, und auch der Besitz von Schildkröte und Meerschweinchen ist nicht im Bild überliefert. Immerhin zeigt ein Aquarell des frühen 19. Jahrhunderts ein zahmes Eichhörnchen, das in einem Laufrad in den Räumen der bayerischen Königin Karoline gelangweilt seine Runden dreht.
Deutlichere Spuren haben hingegen vor allem zwei Spezies hinterlassen – nämlich das Pferd und der Hund, Tiere, die am ehesten die Untertanentugenden Treue und Gehorsam verkörpern konnten. Ein stolzer Reiter in Jagdkostüm oder Galauniform, der (ohne zu fallen) seinen Hengst bändigt, war vom 17. bis 19. Jahrhundert immer ein lohnendes Sujet für den Malerpinsel. Und der Stolz des Adels auf den Besitz schöner Zuchtpferde lässt sich wohl ziemlich mit der heutigen Begeisterung von Autoliebhabern für die wohlfrisierte Karosserie vergleichen – auch gegenwärtig lässt mancher sich ja am liebsten neben der spiegelnden Motorhaube ablichten.
Für Ankauf und Pflege ihrer Pferde gaben die Wittelsbacher und ihre fürstlichen Kollegen nicht nur gern und viel Geld aus, sie errichteten ihnen auch stolze Paläste, vor allem die 1819-22 von Klenze ausgeführte Hofreitschule östlich der Residenz.
Und so mancher vierhufige Liebling wurde auch ohne Reiter im Bild verewigt: Im Nymphenburger Marstallmuseum sind zahlreiche dieser fein ausgeführten Pferdeporträts zu bestaunen.
Zu besonderer Prominenz hat es die Lieblingsstute König Ludwigs II. mit dem sprechenden Namen „Cosa rara“ gebracht – als wirklich „seltene Sache“ wurde sie nach ihrem Tod für die Ewigkeit präpariert und stellt die Restauratoren vor so manches Problem.
Neben dem stolzen Ross, das zu zügeln mehr Sache des Herren ist, erscheint vor allem eine ganze Bandbreite von Hunden auf zeitgenössischen Darstellungen, zum einen natürlich als Jagdbegleiter, aber auch als – wohl nicht immer ganz glücklicher – Freund der höfischen Damenwelt, als klassisches Kuschel- und Schoßtier.
Besonderer Beliebtheit erfreuten sich im 17. und 18. Jahrhundert die gutartigen Papillons („Schmetterlinge“), Zwergspaniel mit charakteristisch abstehenden, wuscheligen Ohren. In ganzen Rudeln und Familienverbänden bevölkerten sie die Appartements, versehen mit mehr oder minder sentimentalen französischen Kosenamen, liebevoll aber falsch ernährt – und von der Dienerschaft vermutlich intensiv gehasst. Ein solches bewegungsarmes Leben auf dem parfümierten Schoß einer Hofdame konnte nicht ewig wären – und so hielten auch hier Porträtserien die Erinnerung an die verstorbenen Lieblinge fest, die laut den Inventaren der Residenz in den inneren, privateren Rückzugsräumen der Kurfürstinnen hingen.
Eines dieser Memorialgemälde hat sich erhalten: es zeigt den kleinen „Ingrato“, der den Betrachter zwar auch noch nach über 250 Jahren mit Unschuldsblick fixiert, seinen Namen aber wohl mit Kratzen und Beißen redlich verdient haben wird. Untergebracht waren diese täglichen Begleiter ganz unterschiedlich – so erwähnen die Inventare beiläufig Hundekäfige im Vorzimmer des Kurfürsten Max III. Joseph in den Kurfürstenzimmern der Residenz. Eine wahrhaft künstlerisch vollendete Behausung hingegen hatte Max Josephs Mutter, die jagdbegeisterte Kurfürstin und Kaiserin Maria Amalia ihren Lieblingen eingeräumt:
In der für sie von François Cuvilliés 1734-39 errichteten Amalienburg im Nymphenburger Schlosspark kann man noch heute zuerst den kostbar ausgemalten Vorraum bewundern, in dem sich ihre Hunde – vermutlich unbeeindruckt von den fragilen Malereien – während der Jagdpausen aufhielten.
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