Wer heute durch die in jahrelanger Arbeit wiederhergestellten Stein- oder Kaiserzimmer geht, die sich entlang der Residenzstraße im westlichen Obergeschoss unserer Schlossanlage erstrecken, wird immer wieder auf die Spuren der Kriegszerstörung hingewiesen, die diesen Bereich der Residenz im April 1944 besonders schwer getroffen hat.
Während Stuckmarmor und mobiles Inventar, auch ein Großteil der Gemälde heute wieder an ursprünglicher Stelle die einstige frühbarocke Pracht der Raumfolge erkennen lassen, fehlen in allen Räumen – mit einer Ausnahme – die zentralen Leinwandbilder im Zentrum des jeweiligen Deckenspiegels, die zwar wohl mit den zugehörigen Gemälden der Randzonen ausgebaut wurden, aber seitdem verschollen sind.
Nur vergleichsweise wenige Besucher wissen hingegen, dass diese verheerende Brandkatastrophe bereits die zweite war, die die Steinzimmer verwüstete: Die erste geschah bereits vor 340 Jahren, in der Nacht des 9. April 1674, – angeblich aus Langeweile: In dieser Nacht nämlich nickte Mademoiselle Jeanne de la Perouse, die Hofdame der Kurfürstin Henriette Adelaide, – offensichtlich wenig aufmerksam oder von höfischer Kurzweil erschöpft – über ihrem länglichen Nachtgebet ein, das sie leider im Schein einer Kerze zu verrichten pflegte.
Der Rest lässt sich denken: die Kerze löste einen Brand aus, zunächst des Bettzeugs, dann des ganzen „Frauenzimmers“, also des Quartiers der weiblichen Hofbediensteten. Von dort fanden die Flammen den Weg in den Dachstuhl, breiteten sich mit rasender Geschwindigkeit aus und griffen auf die Prunkzimmer hinter der Westfassade über.
Die Konfusion war allgemein: Der Torschlüssel ließ sich zunächst nicht finden, die Organisation von Löschketten versagte anfangs. Interessanterweise stimmen die Zeitzeugen überein, dass es in dieser Situation die sonst als furchtbar zimperlich beschriebene Kurfürstin war, die, nachdem ihre Kinder aus deren gefährdeten Gemächern gerettet und ins benachbarte Theatinerkloster verfrachtet worden waren, die Nerven behielt und die Löschaktion langsam in Gang brachte. Nebenbei fand sie noch Zeit, die heulende, leicht angekohlte Jeanne zu beruhigen, die begreiflicherweise ziemlich aufgelöst war – klar, kennt jeder: Zahlt sowas noch die Haftpflicht…?
Als sich im Morgengrauen aus den rauchenden Trümmern eine erste Bilanz ziehen ließ, wurde klar, dass die um 1615 ausgestatteten, prunkvollen Steinzimmer, die traditionell bei Staatsbesuch dem Kaiser als Gästeappartement dienten, weitgehend zerstört waren, ebenso wie die Vorzimmer des weiter südlich anschließenden Wohnbereichs Henriette Adelaides selbst, der erst wenige Jahre zuvor aufwändig ausgebaut worden war. Fast wie ein Kommentar zu den Ereignissen der Nacht schienen die verbrannten Deckenbilder gewesen zu sein: In den Steinzimmern hatten Pieter Candids allegorische Darstellungen der chaotischen Elemente, darunter das Feuer, Sinnbilder der Natur und des – scheinbar – überlegenen Menschen umgeben.
In den zerstörten Räumen Henriette Adelaides dagegen hatten antike Heldinnen, die sich wahlweise dem (Liebes)Feuer oder realeren Gefahren erfolgreich widersetzten, die Decke bevölkert…
Erst 15 Jahre nach der dramatischen Brandnacht, ab 1690, ließ Henriette Adelaides Sohn Max Emanuel (reg. 1679-1726) die „verprennten Zimmer“ wieder einrichten – in altem Glanz und mit dem ursprünglichen Bildprogramm, nun im rauschenden, hochbarocken Stil seiner italienischen Hofmaler. Vielleicht auch als ein Art Referenz gegenüber seiner energischen Mutter, die bereits 1676 mit nur vierzig Jahren gestorben war – angeblich an einer Krankheit, die sich in der erschöpfenden Brandnacht im April 1674 zugezogen hatte….