Februar 1717: In Paris, das nach der schier endlosen Regierung Ludwigs XIV. unter der Herrschaft des genussfreudigen Regenten Philippe d’Orléans interessante Zeiten erlebt, stirbt die gleichfalls lebenslustige Agnes Françoise Le Louchier – ihrem Namen und Titel nach die Gemahlin des kurbayerischen Offiziers Franz Graf von Arco, tatsächlich aber die langjährige Geliebte und einflussreiche Hauptmätresse des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel.
Kennengelernt hatte der erotisch notorisch umtriebige Wittelsbacher die gebürtige Wallonin während seines mehrjährigen Aufenthalts in den Südlichen Niederlanden. Dort amtete Max Emanuel fernab des wenig geliebten Bayerns im Namen des spanischen Königs seit Ende 1691 als Statthalter, also als Gouverneur. Auf ihre einflussreiche Position „vermittelt“ wurde Agnes, die von Hause aus eins von vierzehn Kindern eines verarmten Landadligen war, durch diskrete Mithilfe französischer Diplomaten. Mittels ihrer drallen, verführerischen Persönlichkeit wollte sich Ludwig XIV. einen unmittelbareren Einfluss auf den Bayern als wichtigen Reichsfürsten und künftigen Verbündeten sichern (dessen Schwester zudem mit dem französischen Thronfolger verheiratet war).
Jenseits solcher politischen Spekulationen, die – betrachtet man Max Emanuels politische Laufbahn – durchaus erfolgreich gewesen sein könnten, sollte das sorgsam angebahnte Verhältnis zwischen Agnes und dem Kurfürsten jahrelang halten und diverse Höhen und Tiefen überdauern: die Geburt eines Sohnes im Jahr 1695 (der den sprechenden Titel eines „Chevalier de Bavière“ in die Wiege gelegt bekam), Agnes‘ Versorgungsheirat mit dem Grafen Arco, der mit etwas Nachdruck von offizieller Seite seine Liebe zu der schönen Geliebten entdeckte, aber auch jahrelange freiwillige und unfreiwillige Trennungen, die der ganzen Affäre die Anmutung einer karrierebedingten Fernbeziehung im 21. Jahrhundert verliehen.
Gründe für diese Separierungen waren aber nicht nur politischer, sondern auch sehr handfester häuslicher Art, hatten ein Gesicht und eine (den Quellen zufolge) sehr gut hörbare Stimme: die nämlich von Max Emanuels zweiter Gemahlin, der polnischen Prinzessin Therese Kunigunde, die er 1695 in einer der zeittypischen Fern-Trauungen per procurationem geheiratet hatte. Gegen die Drohung der leidenschaftlichen Therese, eine öffentlich wirksame Szene zu machen, sollte sie nicht von der demütigenden Präsenz der Mätresse befreit werden, halfen auch nicht Max Emanuels scheinbar rationale Argumente: Wenn er überall seine Mätressen verbannen müsse, die er vor der Ehe gehabt habe, so müsste er, „um nicht überall eine zu finden, nach Indien gehen…“
Das kam verständlicherweise nicht so gut an und so musste stattdessen Gräfin Arco gehen: 1700 siedelte sie über nach Paris, wo sie die Beziehungen zwischen ihrem fernen Geliebten und dem Versailler Hof pflegte – und nebenher Kontakte zur französischen Kunstszene aufbaute, von denen die bayerischen Kunstsammlungen noch heute zehren: So vermittelte sie den genialen Pastellmaler Joseph Vivien an Max Emanuel, dessen zauberhafte, diskret geschönten Porträts der kurbayerischen Familie die Wände der Residenz und Nymphenburgs zieren. Zudem kaufte sie im kurfürstlichen Auftrag die Magazine der Pariser Kunsthändler leer, die raffinierte Luxusmöbel, aus Asien importiertes Porzellan und vergoldete Bronzen lieferten, die nach mehrjährigen Umwegen schließlich in Schleißheim, Nymphenburg und der Residenz ihren Platz fanden – und heute noch dort zu sehen sind!