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Ludwig II. kauft den Linderhof am 19. Mai 1869

Linderhof

Die Schwaige »Linderhof« war einst Zehentbesitz des Klosters Ettal. Nach der Säkularisation 1803 kam sie in Privatbesitz. Maximilian II., der Vater Ludwigs II., war seit 1842 im Graswangtal zur Jagd und bewohnte seitdem bei diesen Aufenthalten ein Nebengebäude des Linderhofes. So war es neben dem durch Kindheitserlebnisse vertrauten Schwangau vor allem das Graswangtal, das Ludwig II. schon als Kronprinz wiederholt bei Jagdausflügen von Hohenschwangau aus kennengelernt hatte.

Ludwig und Otto als Jungen

Ludwig und Otto in Tracht beim Wandern, 1857, Reproduktion einer historischen Fotografie. Herrenchiemsee, Ludwig-II-Museum.

Er hielt sich zunehmend  öfter hier auf und bewohnte dann stets das von seinem Vater ausgebaute „König Max– Haus“ oder  „Königshäuschen“. Am 18. 9. 1865 schrieb Ludwig II. in sein Tagebuch: »O wie innig werth u. lieb ist er mir geworden, der Linderhof « Die starke Neigung zu Linderhof  und seiner Umgebung hatte freilich auch einen ideellen Hintergrund, wie bei Ludwig II. fast immer. Im selben Tal hatte einer seiner Vorfahren, Kaiser Ludwig der Baier (1282–1347) im Jahre 1330 ein Kloster gegründet: Ettal. Ludwig II. verehrte seinen kaiserlichen Vorfahren und Namensvetter Ludwig den Baiern (der einzige Wittelsbacher, der im Mittelalter Kaiser geworden war), und bezog auch von ihm, neben dem Wittelsbacher Karl VII. (Kaiser von 1742–1745), seinen eigenen Kaiseranspruch in Konkurrenz zu Hohenzollern seit 1870, deren Geschlecht keinen historischen Kaiser aufzuweisen hatte. So ist es nur logisch, dass Ludwig II. sein Projekt eines „Tempels des Ruhmes“ für Ludwig XIV. von Frankreich im Umfeld Ettals, in Linderhof, realisieren wollte, in diesem dichten persönlichen Beziehungsfeld aus dem nahen „Gralstempel“ seines kaiserlichen Vorfahren, dem verehrten, beschworenen Ludwig XIV. und dem allen dreien gemeinsamen Namensheiligen. Er benannte es intern mit einem Anagramm des berühmten Ausspruches Ludwigs XIV. „L’état c‘est moi“: „Tmeicos-Ettal“. So erklären sich auch die beiden Projekte zu einem „Byzantinischen (Kaiser-) Palast“ von 1869 und 1885 im Graswangtal.

byzantinischer Palast Ludwig II

Aquarell, Projekt zu einem byzantinischen Palast, Gesamtanlage, Georg Dollmann, 1869/70. Herrenchiemsee, Ludwig II.-Museum.

Schloss und Park Linderhof ist eines der vielfältigsten, kunstvollsten und besten Ensembles des 19. Jahrhunderts. Die Planungen begannen im Frühjahr 1868, gebaut wurde erst nach dem Kauf. Seine Königliche Villa konnte König Ludwig II. von Bayern als einzigen seiner Bauten vollenden (1878). Sie ist französisch geprägt. Vorbild ist das kleine, meist in einem Park gelegene „Lustschloss“, wie es im 18. Jahrhundert in Frankreich entstand und auch in Deutschland öfter in den Parkanlagen der großen Schlösser errichtet wurde.

Entwurf Linderhof

Federzeichnung, Schloss Linderhof, perspektivische Ansicht von Nordwesten mit Blick auf Schlafzimmer- und Audienzzimmertrakt, Georg Dollmann, 1873, Ludwig II.-Archiv.

Hinter der barocken Fassade entfaltet sich Rokoko nach Motiven der Zeit Ludwigs XV. von Frankreich. Allerdings ist das Zweite Rokoko oder Neurokoko, das unter Ludwig II. entstand, in der Ornamentik sehr stark von süddeutschen Vorbildern geprägt: er übernahm vieles vom Rokoko seiner eigenen Vorfahren, wie er es schon als Kind in Nymphenburg und München erlebt hatte, hier vor allem aus der Amalienburg und aus den Reichen Zimmern Kaiser Karls VII. Ein so reiches und dichtes Ornament, vor allem mit so vielen vollplastischen Elementen, gibt es im französischen Rokoko nicht. Insofern kann von „Kopien“ hier keine Rede sein.

Ludwig II. schuf in Schloss Linderhof Räume von phantasmagorischer Fülle, die alle Vorbilder weit übertrifft. Auch die kunsthandwerkliche Qualität ist ohne Vergleich.

schloss linderhof parterre

Schloss Linderhof, Hauptfassade, Blick von Süden über das Bassin mit der Springbrunnengruppe ‚Flora und Putten‘ von M. Wagmüller und Fontäne.

Der Park von Schloss Linderhof, einer der qualitätvollsten seiner Epoche, vereinigt Elemente des französischen Barockgartens und des englischen Landschaftsgartens. Barock sind die in der Mittel- und Querachse des Schlosses angelegten Terrassen mit Wasserbassins, geometrischen Blumenbeeten, der langen Kaskade mit Figurenbrunnen und die beiden Blickpunkte Pavillon und Venustempel. Von englischen Vorbildern stammt die naturnahe, unregelmäßige Gestaltung des umgebenden Parks mit den exotischen Bauten.

linderhof maurischer kiosk

Maurischer Kiosk, Linderhof.

Die Parkbauten stammen teils aus der Orientmode, die auch Ludwig II. pflegte: Marokkanisches Haus und Maurischer Kiosk, teils aus der Begeisterung Ludwigs für die Musikdramen Richard Wagners, nämlich die drei im Park errichteten Bühnenbilder Hundinghütte, Einsiedelei des Gurnemanz  und Venusgrotte. Die umgebende Gebirgsnatur ist durch Sichtachsen und kilometerlange Wege, die weit in den Bergwald hinaufführen, in dieses geniale Gesamtkunstwerk einbezogen.

 


Titelbild: Ansicht des Königshäuschens mit Anbau u. Anna-Kapelle, Gemälde von Lange, J., 1872. Königshaus am Schachen.

 

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