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Unterwegs mit … Sammlungsreferent Markus Rodenberg vom Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim

Sammlungsreferent Markus Rodenberg im Möbeldepot_Foto Fränkisches Freilandmuseum_Lisa Baluschek

Beim Anblick der Burg Cadolzburg ist es heute kaum vorstellbar, dass Holz das meistverwendete Baumaterial war. Ob Wehrgänge, Gerüste, Decken, Türen oder Wurfgeschütze – alles wurde aus Holz gefertigt. Doch wie wurde das Material bearbeitet? Für die Sonderausstellung »Mehr als Stein. Holz im mittelalterlichen Burgbau« haben wir verschiedene Werkzeuge für die Holzbearbeitung vom Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim als Leihgabe bekommen. Im Interview mit dem dort zuständigen Teamleiter für Wissenschaft und Sammlung Markus Rodenberg wagen wir einen Blick in ein anderes Museum und haben nachgefragt, wie sein Arbeitsalltag ausschaut, welche besonderen Objekte Euch in Cadolzburg erwarten und was seine Lieblingsstücke in der Sammlung sind.

Wofür sind Sie im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim zuständig?

Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fränkischen Freilandmuseum und dort vor allem für die Objektsammlung zuständig. Ansonsten auch für die wissenschaftliche Recherche für Ausstellungskonzeptionen.

Das Fränkische Freilandmuseum in Bad Windsheim ist wie eine Zeitreise durch 700 Jahre fränkische Alltagsgeschichte. Foto: Fränkisches Freilandmuseum.

Das Fränkische Freilandmuseum in Bad Windsheim ist wie eine Zeitreise durch 700 Jahre fränkische Alltagsgeschichte. Foto: Fränkisches Freilandmuseum.

Sie haben Volkskunde, Geschichte und Geographie in Würzburg studiert. Warum haben Sie sich nach Ihrem Schulabschluss für diese drei Fachgebiete entschieden?

Dass ich in die geisteswissenschaftliche Richtung gehe, stand schon relativ früh fest. Ich hatte auch schon Geschichte als Leistungskurs in der Schule. Zwischenzeitlich hatte ich zwar überlegt, ob ich Psychologie studiere, bin aber davon wieder abgekommen. Würzburg war mir als Stadt schon vertraut und dann habe ich im Studienangebot geschaut, was angeboten wird und bin auf das Fach Europäische Ethnologie/Volkskunde gestoßen. Im Studium geht es um historische Alltagskultur und das hat mich schon immer sehr interessiert. Zu damaligen Magister-Zeiten konnte ich das als Hauptfach wählen und brauchte noch zwei Nebenfächer. Geschichte war ein naheliegendes Nebenfach, vor allem, wenn man sich für historische Prozesse interessiert. Mit dem zweiten Nebenfach konnte ich mir den früheren Wunsch erfüllen, Geografie zu studieren, weil ich seit meiner Kindheit einen Hang zu Landkarten und Geografie habe. Nüchtern betrachtet ist es für einen Kulturwissenschaftler sehr wertvoll, sich mit den Dimensionen Zeit und Raum zu befassen.

Wie kommen die drei Studienrichtungen in Ihrem jetzigen Alltag unter? Wie fließt Ihr angeeignetes Wissen aus dem Studium in Ihren Alltag ein?

Die volkskundlichen Themen, die ich im Studium bearbeitet habe, haben mir die Perspektive eröffnet, einfache und selbstverständliche Dinge als Kulturphänomen zu verstehen und zu analysieren. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die unscheinbarsten und vermeintlich banalsten Dinge oft einen sehr langen und komplexen Weg gehen mussten, um überhaupt zu etwas Selbstverständlichem zu werden. Dieses Verständnis habe ich mir im Studium angeeignet und in Praktika vertieft und das hilft mir natürlich nach wie vor jeden Tag. Die beiden Nebenfächer sind eine wunderbare Ergänzung. Geschichte ergänzt die politische-zeitliche Dimension, dadurch ergibt die deutsche und europäische Geschichte im Hintergrund einen passenden Rahmen. Geografie war schon immer wertvoll, da ich mich mit Kulturlandschaften, Siedlungsgeographie oder Siedlungsstrukturen beschäftigt habe. Das sind Themen, die bei uns im Fränkischen Freilandmuseum allein durch das Museumskonzept wichtig sind. Ich habe mich auch mit Haus- und Bauforschung beschäftigt, insbesondere mit dem Siedlungsbau des 20. Jahrhunderts. Dadurch ergeben sich viele Berührungspunkte zum Geografiestudium.

Einblick ins Obergeschoss des Möbeldepots. Foto: Fränkisches Freilandmuseum/Lisa Baluschek.

Einblick ins Obergeschoss des Möbeldepots. Foto: Fränkisches Freilandmuseum/Lisa Baluschek.

Sie sind für die Sammlung des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim zuständig. Was sind die Herausforderungen, die 150.000 gesammelte Objekte mit sich bringen?

150. 000 Objekte sind inventarisiert. Wir haben noch Bestände, die noch gar nicht inventarisiert sind. Insgesamt beläuft sich die Sammlung auf circa 250.000 Stücke. Und da ist wirklich alles dabei. Vom schon genannten Löffel bis hin zum Mähdrescher. Die Herausforderungen während der Arbeit mit der Sammlung ist die konservatorische Einlagerung, die angemessene Inventarisierung und Erfassung. Die Gegenstände sind in Lager und Depots aller Qualitätsstufen eingelagert. Von sehr gut, wie unser Möbeldepot, bis hin zu Dachböden und Scheunen. Die größeren Landmaschinen oder Geräte, die in unserer Museumslandwirtschaft in Gebrauch sind, müssen regelmäßig gepflegt und gewartet werden.

Viele dieser Objekte wurden in großem Umfang in den ersten 10 bis 20 Jahren der Museumsarbeit aufgenommen, um überhaupt einen Bestand aufzubauen. Damals wurden die Stücke sehr schnell erfasst und wir wissen nicht über alle Objekte so viel, wie wir gerne wissen würden, vor allem im Bereich Provenienz und im sozialen Kontext. Die Herausforderung besteht darin, die Bestände zu sichten, zu prüfen, zu qualifizieren. Das heißt die Sachen zu reinigen, angemessen einzulagern, gründlich zu inventarisieren und digital zu erfassen. Hier und da wird das ein oder andere Objekt, das vielleicht Schaden genommen hat, schon beschädigt ins Museum gekommen ist und zusätzlich keinen Aussagewert hat, auch wieder rausgenommen, um die Bestände zu verschlanken. Das ist mit einem hohen zeitlichen und personellen Aufwand verbunden, der einer Struktur und einheitlichen Prinzipien bedarf. Ansonsten gilt: Stück für Stück und Schritt für Schritt. Jedes erfasste Objekt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das klingt mühselig, aber es lohnt sich, da die Sammlung immense Potentiale birgt. Die Dichte ist bemerkenswert und immer wieder tauchen seltene, einzigartige Objekte auf oder solche, die schon durch ihre reine Beschaffenheit sehr aussagekräftig sind.

Haben Sie ein Lieblingsstück/Lieblingsabteilung in der Sammlung?

Das ist eine schwierige Frage. Ich kann mich schnell für nahezu jedes Thema begeistern, daher ändert sich das ständig. Eine Lieblingsabteilung sind die landwirtschaftlichen Geräte, weil ich mich damit letztes Jahr innerhalb einer Ausstellungsvorbereitung sehr intensiv befasst habe. Das sind Sachen, die wir im Einsatz haben, die man live sehen kann. Dazu kommt der Austausch mit den Kollegen vom Betriebsbauhof und mit den Landwirten.

Ein Lieblingsstück ist ein Grammophon, das voll funktionstüchtig ist und mit einem Stapel Schelllackplatten zu uns gekommen ist. Das Grammophon hat ein erstaunliches Klangvolumen und hört sich immer noch sehr gut an. Dieses Gerät auszuprobieren war für mich, der privat eine Leidenschaft für Musik aller Art pflegt, ein ganz besonderer Moment. Technik, die komplett ohne Strom funktioniert, aber trotzdem Musik wiedergibt, hat etwas ganz Entschleunigendes.

Ein weiteres Lieblingsstück ist das erste Objekt, das ich selbst für die Sammlung eingeholt habe: Ein wunderbar bemalter Schrank von 1830, der nicht nur sehr qualitätvoll ist, sondern der auch noch in sehr gutem original belassenem Zustand ist. Den schaue ich mir gern hin und wieder an.

Sind Sie auch schon mit einer historischen landwirtschaftlichen Maschine gefahren?

Ja! Wir haben einen Schmotzer-„Kombi Rekord“-Geräteträger aus den 1960er Jahren, der auch bei uns in der Landwirtschaft im Einsatz ist und den ich bei Umzügen fahren darf. Dafür habe ich einen Schlepper-Fahrkurs bei Herrn Hufnagel vom Betriebsbauhof genommen. Obwohl ich vom Dorf komme, bin ich nicht in der Landwirtschaft aufgewachsen. Ich hatte damit wenig Berührung und dachte, ein bisschen Praxiserfahrung kann nicht schaden. Auch beim Handwerk und den Werkzeugen möchte ich gern wissen wie alles funktioniert. Als Geisteswissenschaftler habe ich nicht den Erfahrungswert, wie jemand, der aus der Praxis kommt.

Welches Stück hätten Sie gern in der Sammlung?

Wir haben einen alten Claas Super Mähdrescher, der ist nicht selbstfahrend und wurde von einem Schlepper gezogen. Dieses Modell hat den Mähdrescher nach dem Zweiten Weltkrieg populär gemacht hat. Den haben wir zwar schon in unsere Sammlung, aber in einem sehr schlechten Zustand. Wenn ich den irgendwann durch etwas ein betriebsfähiges Modell ersetzen könnte, wäre das schön.

Blick ins Depotregal: Der Bestand an historischen Hobeln wird aktuell qualifiziert und restauriert, hier einige bearbeitete Exemplare. Foto: Fränkisches Freilandmuseum/Lisa Baluschek.

Blick ins Depotregal: Der Bestand an historischen Hobeln wird aktuell qualifiziert und restauriert, hier einige bearbeitete Exemplare. Foto: Fränkisches Freilandmuseum/Lisa Baluschek.

Für die Ausstellung »Mehr als Stein. Holz im mittelalterlichen Burgbau« in der Burg Cadolzburg hat das Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim uns verschiedene Zimmererwerkzeuge als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Könnten Sie uns etwas über die Werkzeuge erzählen? Gibt es davon noch viele?

Für die Ausstellung hat das Fränkischen Freilandmuseum eine ganze Reihe von Werkzeuge nach Cadolzburg ausgeliehen, unter anderem ein Bohrer, Hobel oder Sägen. Wir haben sehr umfangreiche Handwerksbestände und besitzen allein 250 Hobel jeder Größenordnung: vom kleinen Profilhobel, Nuthobel, Falzhobel über eine große Rauhbank bis hin zur viel größeren Flügbank, die man in der Büttnerei verwendet hat. Diesen Hobelbestand, der in den letzten 30 Jahren zusammengetragen wurde, qualifizieren wir momentan und erfassen ihn nach und nach. Bei manchen wissen wir, dass sie aus einer Büttnerei, Schreinerei oder einer Zimmerei kommen. So ähnlich verhält es sich mit den anderen Werkzeugen. Wir haben ein großes Lager an Sägen, Bohrern und Handwerkszeug aller Art, sodass wir da aus den Vollen schöpfen können.

Die historischen Werkzeuge sind meist von so hoher Qualität, dass man die Werkzeuge heute noch benutzen kann. Das ist ein Charakteristikum des historischen, ländlichen Alltags. Damals hat man Werkzeuge und Haushaltsgerätschaften auf Langlebigkeit angefertigt und so kann man Sie könnte man sie potentiell auch heute noch nutzen. Werkzeuge waren damals eine teure Anschaffung und konnten sogar „personalisiert“ sein, indem sie an die spezifischen Anforderungen des Handwerkers angepasst wurden. Manche Handwerker fertigten ihr Arbeitsgerät auch selbst.

Leihgaben des Fränkischen Freilandmuseums für die Sonderausstellung in Cadolzburg. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung/Fränkisches Freilandmuseum

Leihgaben des Fränkischen Freilandmuseums für die Sonderausstellung in Cadolzburg. Foto: Bayerische Schlösserverwaltung/Fränkisches Freilandmuseum.

In welchem Museum würden Sie gern für eine Woche arbeiten?

Die Frage habe ich mir noch nie gestellt, da ich dazu noch nie einen Anlass hatte. Ich bin jetzt seit 8 ½ Jahren im Freilandmuseum und seit 3 ½ Jahren für die Sammlung tätig. Das ist für mich die ideale Museumsform, da ein Freilandmuseum dieses Drinnen und Draußen bietet. Von Ausstellungskonzeption und Forschung, also eher geistigen Tätigkeiten, bis hin zum körperlichen Einsatz mit sich-dreckig-machen, bietet das Fränkische Freilandmuseum die komplette Bandbreite im Arbeitsalltag. Der Kontakt zu Handwerkern, Landwirten und anderen Fachleuten ermöglicht einen bodenständigen und täglichen Austausch; und das in einem wunderschönen Museum, wo ich mich auch in meiner Freizeit gern aufhalte. Ich fühle mich einfach wohl in dieser Vielfältigkeit. Wenn ich noch einmal in einem anderen Museum arbeiten wollte, müsste es auf jeden Fall ein anderes Freilichtmuseum sein – oder ein vergleichbares Museum.

Ich würde vielleicht ganz gern in andere Freilichtmuseen reinschauen, die besondere Themenschwerpunkte haben, wie das Freilichtmuseum in Kommern, das stark die Alltagsgeschichte nach 1945 thematisiert. Oder andere Freilichtmuseen in Europa, wie das North of England Open Air Museum in Beamish oder Den Gamle By in Dänemark. Dort spielt die jüngere Vergangenheit eine größere Rolle, die Konzepte sind anders und es wird mehr mit living history gearbeitet, also mit Schaustellern in historischer Kleidung. Auch wenn ich diesen Ansatz nicht direkt übernehmen würde, wäre es spannend diesen Museumsalltag für ein bis zwei Wochen mitzuerleben.

Was machen Sie heute noch?

Ich werde heute noch ein paar Objekte inventarisieren, die gerade aus der Werkstatt kommen. Ansonsten planen und konzipieren wir gerade eine Publikation zu Musterwalzen, von denen wir einen Bestand von über 4000 Beispielen mit Mustern aller Art besitzen, vorwiegend aus den 1950er und 60er Jahren. Dazu soll es nächstes Jahr eine Publikation geben mit Bestandskatalog und Informationsteil.

Vielen lieben Dank für das schöne Gespräch!

 


 

Das Fränkische Freilandmuseum ist in der Nebensaison wie folgt für Euch geöffnet:

25. Oktober bis 13. Dezember (3. Advent), ab 9. November Montags geschlossen
Werktags 10.30 bis 16.00 Uhr
So/Feiertag 10.00 bis 16.30 Uhr

Winteröffnungstage 2020/2021: 27. Dezember 2020, 10.00 bis 16.30 Uhr & 6. Januar 2021, 10.00 bis 16.30 Uhr

Mehr Informationen zum Museum findet Ihr hier: www.freilandmuseum.de.