Vor 600 Jahren brannte die Nürnberger Burggrafenburg fast vollständig ab. Was, wo und wozu dieser Bereich überhaupt war, erklärt euch Museumsreferentin Katharina Heinemann in diesem Beitrag genauer.
Niedergebrannt und fast verschwunden, aber nicht ganz vergessen
Wer heute die Kaiserburg Nürnberg betrachtet, ahnt nicht, wie es auf dem Burgberg vor 600 Jahren ausgesehen hat. Anders als die geschlossen wirkende Silhouette der Nürnberger Burganlage mit ihren vier Türmen zunächst vermuten lässt, war ihre hoch über der Altstadt gelegene Abfolge von Mauern, Höfen und Gebäuden keine allein dem Kaiser und Reich unterstellte Einheit, sondern bestand aus drei, hinsichtlich Recht und Besitz getrennten Bereichen.
Der Westen mit Saalbau, Doppelkapelle, Heiden- und Sinwellturm ist die eigentliche Kaiser- oder Reichsburg. Der Osten mit dem hohen Turm Luginsland und der erst 1495 als Speichergebäude errichteten Kaiserstallung gehörte zum Gebiet der Stadt Nürnberg. Zwischen diesen beiden Bereichen, direkt östlich vor der Kaiserburg, lag die kleine Burggrafenburg mit dem gewaltigen Fünfeckturm, der den Zugang zur Kaiserpfalz sicherte. Die Burggrafenburg brannte eines Nachts im Oktober 1420 vor exakt 600 Jahren ab, nur noch wenige Reste – besser Gebäude – zeugen von der einst vielteiligen Anlage.
Die Burggrafenburg
Die mit Mauern bewehrte Burggrafenburg war der Kaiserburg unmittelbar vorgelagert, um sie gegen Angreifer zu beschützen, falls diese von Osten, das heißt von der weniger steilen Seite des Burgberges vorzudringen versuchen sollten. Zunächst residierten hier die Herren von Raabs. 1191/92 wurde die Burggrafenburg vom staufischen Kaiser Heinrich VI. dann den Zollern als erbliches Reichslehen übergeben. Hauptaufgaben des Burggrafen waren zunächst die Vertretung des kaiserlichen Stadtherrn während dessen Abwesenheit und die Bewachung und Verteidigung der Reichsburg. Durch die stete Unterstützung des Kaisers und eine gezielte Territorialpolitik gelang der aus Schwaben stammenden Dynastie ein rascher politischer Aufstieg in Franken und im Reich, der nicht nur ältere und damit ranghöhere Familien verärgerte, sondern auch die Konkurrenzsituation zur gleichzeitig aufstrebenden Reichsstadt verschärfte. Ganz besonders der Erwerb des Kurfürstentums Mark Brandenburg und der Aufstieg in den einflussreichen Kreis der sieben Wähler des römisch-deutschen Königs (1415/17) rief den Zorn speziell der Wittelsbacher hervor.
Zu dieser Zeit bevorzugten die Zollern als Aufenthaltsort bereits ihr westlich von Nürnberg gelegenes Herrschaftszentrum Cadolzburg und hatten ihrerseits in Nürnberg einen Burgamtmann als Vertreter eingesetzt. Als im Zusammenhang mit dem Bayerischen Krieg (1420-1422) und zur kaum verhehlten Freude der Nürnberger im Oktober 1420 der wittelsbachische Pfleger von Lauf, Christoph Laiminger, die Burggrafenburg niederbrannte, zog sich Burggraf Friedrich VI., der als Kurfürst Friedrich I. viel Geld für den Spagat zwischen den fränkischen und den brandenburgischen Fürstentümern benötigte, ganz aus Nürnberg zurück, indem er das Ruinengelände der Burggrafenburg 1427 für rund 120.000 Gulden an die Reichsstadt Nürnberg verkaufte. Ein Schritt, der sich strategisch gesehen für die fränkischen Hohenzollern später noch als nachteilig erweisen sollte.
Von der Burggrafenburg noch heute vorhanden sind der Fünfeckturm aus der Zeit um 1150 an der Nordostseite sowie die nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaute Walburgiskapelle auf dem südlichen Teil des Geländes der Burggrafenburg. Ein steinerner Wohnturm, dessen Fundamente bei den derzeitigen Baumaßnahmen auf der Burg nochmal zutage traten, wurde um 1430 von der Stadt durch das heute noch bestehende Burgamtmannsgebäude ersetzt. Seit 1420 verloren ist das östliche Haupttor mit angrenzendem hohem Wohngebäude der Burggrafen, welches man sich heute etwa auf Höhe der Mitte des Hohlwegs vorzustellen hat, den der Besucher von der Kaiserstallung (Jugendherberge) kommend durchschreitet. Die Funktion des Haupttores zur stadtabgewandten Seite übernahm damit das Vestnertor, von dem aus man auch zur Freiung gelangt und dessen Bewachung ursprünglich auch in den Verantwortungsbereich des Burggrafen gehörte.
In den späteren unterschiedlichen Zuständigkeiten von Stadt und Staat spiegelt sich die historische Aufteilung des Burgbergs. Zur Erinnerungspolitik der Hohenzollern im 19. Jahrhundert, die sich weiterhin auch als „Burggrafen von Nürnberg“ bezeichneten, gehörte die in den Friedensverhandlungen von 1866 König Wilhelm I. von Preußen vom unterlegenden Bayern zugestandene Einräumung eines Wohnrechts der preußischen Könige auf ihrer „Stammburg“, womit räumlich die Kaiserburg gemeint war, die als ehemaliges Reichsgut seit 1806 zum Staatsgut des vom Haus Wittelsbach regierten Königreichs Bayern gehörte. Als Zeichen der neuen Verbundenheit zwischen Hohenzollern und Bayern wehte fortan über der Kaiserburg neben der bayerischen auch die preußische Fahne.