Für die Ausstellung „Weltkulturen und moderne Kunst“ im Haus der Kunst in München vom 16. Juni bis zum 30. September 1972 wurden vor 50 Jahren originale Ausstattungen aus König Ludwigs orientalischen Bauten durch die Bundeswehr eingeflogen.
Im Sommer 1972, vom 26. August bis 11. September, versammelte sich der Weltspitzensport in München zur XX. Olympiade zum friedlichen Kräftemessen in einer bis heute Aufsehen erregenden modernen Sportstätte. Wenige Monate zuvor wurde im Haus der Kunst als Begleitprogramm zum Sportevent eine Ausstellung unter dem Titel „Weltkulturen und moderne Kunst“ eröffnet, die damals in Museumsfachkreisen große Beachtung fand.
Die Ausstellung thematisierte den Einfluss der Weltkulturen auf die moderne europäische Kunst im 19. Jahrhundert mit dem ambitionierten Ziel, die bis dahin gültige „Vormachtstellung abendländisch-christlicher Kultur“ in Frage zu stellen einhergehend mit einer bewussten Neubewertung des „noch immer sogenannten Primitiven“. (Deutsche Zeitung vom 30. Juni 1972) Mit über 2.700 Objekten auf 5.000 Quadratmetern präsentierte das Haus der Kunst München, an dem extra dafür ein temporärer Glasanbau errichtetet wurde, Spitzenkunst der Klassischen Moderne (z.B. von Paul Klee und Oskar Kokoschka) neben zahlreichen hochkarätigen Artefakten aus den Kulturen aller Weltkontinente, von Ägypten über den Orient, Asien bis nach Indo-Amerika.
Mit ausgestellt waren auch einige Objekte aus den orientalischen Traum-Welten des bayerischen „Märchenkönigs“ Ludwig II. in Linderhof und dem Schachenhaus. Dessen 100 Jahre zuvor, 1872, fertiggestellter Türkischer Saal hatte den für die Weltkulturenausstellung zuständigen Kurator Prof. Dr. Siegfried Wichmann so begeistert, dass er einige Ausstattungstücke vom fernen Wettersteingebirge in die bayerische Landeshauptstadt holen wollte.
„Zwei Kandelaber, 1 Lampe, 2 Pfauenwedel mit Flügelvase, 1 Tischchen, 1 Hocker, 2 Kissen“ und noch „eventuell turkmenische Glasampeln, die im Vorraum hängen“ sollten die Münchner Weltkulturenschau „bereichern“. (Brief von Hrn. Wichmann an die BSV vom 10. September 1971) Auch für den einwandfreien konservatorischen – vielleicht nicht unbedingt unseren heutigen Ansprüchen genügenden – Transport wurde gesorgt: „Die Exponate würden durch einen Hubschrauber der Bundeswehr nach München geflogen werden. Eine Erschütterung oder Beschädigung während des Transports ist damit gänzlich ausgeschlossen.“ Und so flogen König Ludwigs Pfauenfedern unter Mithilfe der deutschen Luftwaffe nach München ins Haus der Kunst.
Mit großer Geste wurden dort die Besucher durch ein zinnoberrotes Eingangsportal in die Ausstellung geführt, kreiert vom bekannten Architekten Paolo Nestler, der vier Jahre zuvor, 1968, bereits für die Gestaltung der äußerst erfolgreiche Ausstellung „König Ludwig und die Kunst“ in der Residenz München verantwortlich war. Hinter dem futuristisch anmutenden Entree (siehe unser Titelbild!), das auch genauso gut als Set für einen Science-Fiction-Film gepasst hätte, quetschten sich Ludwigs Pfauenwedelvasen mit den Stücken aus dem Schachenhaus in eine unterkühlte Ausstellungspräsentation. Ihrer illusionistischen Wirkung als Teile eines Gesamtkunstwerks im Türkischen Saal auf der 1.800 Meter hohen Schachenalpe beraubt, erlosch ihre magische Leuchtkraft in der mit kaltem Spotlight akzentuierten Massenschau.
Im opulenten Ausstellungskatalog lässt sich die zeitentsprechend bewusst sachliche Betrachtung der Kunstgegenstände aus dem Schachenhaus nachvollziehen: „Der Stilpluralismus, der sich an einem Objekt zeigt (barocker Fuß, maurische Flügelvase, klassizistisches Design, türkische Wedel) dokumentiert die Intention Ludwig II. nach Weltersatz und Retrospektive durch Stilakkumulation.“ Konsequenter war die Intention und Faszination der Artefakte aus dem Schachenhaus für die aus aller Welt angereisten Besucher kaum zu eliminieren.
Neben den originalen Schaustücken aus dem Königshaus auf dem Schachen fand auch ein weiterer Bau König Ludwigs II. in der Münchner Weltkulturenausstellung Beachtung: der Maurische Kiosk aus dem Schlosspark in Linderhof.
Der Berliner Architekt Carl von Diebitsch hatte den Kiosk als Beitrag Preußens für die Pariser Weltausstellung 1867 entworfen, wo er Ludwigs Aufmerksamkeit erregt hatte. Erst 10 Jahre später gelang es dem bayerischen Monarchen, den beeindruckenden Bau zu erwerben, um ihn für seinen Park in Linderhof prachtvoll umzubauen. 1972 konnten die Besucher im Haus der Kunst allerdings nur ein Außenansichtsfoto des Kiosks und ein 1881 entstandenes Aquarell des farbig schillernden Innenraums von Heinrich Breling bewundern. Glücklicherweise entstand begleitend zur Münchner Ausstellung noch ein fast einstündiger Dokumentarfilm mit dem Thema Orient vom Filmemacher Bernhard Dörries, der uns einen zwar kurzen aber spannenden Blick auf den Maurischen Kiosk vor genau 50 Jahren gibt. (Maurischer Kiosk ab Minute 51:15 bis 54:00)
https://youtu.be/hpfd-w-5QIE?t=3079
Bis zum letzten Tag der Weltkulturenausstellung am 30. September 1972 zählte man fast 200.000 Besucher im Haus der Kunst München. Ein beeindruckender Erfolg. Im Oktober 1972 erfolgte umgehend der Rückflug der königlichen Ausstattungsstücke mit einem Hubschrauber der Bundeswehr zum Schachenhaus. Dorthin konnten sie unversehrt zurückgebracht werden und sind seither wieder in ihrem ursprünglichen Ambiente mit irisierendem Farblichtspiel zu bewundern – als Teile eines einzigartigen königlichen Raumkunstwerks auf alpinen Höhen, fern vom kalten Ausstellungslicht im Haus der Kunst und weit weg vom lärmenden München.