Ludwig II. plante seit 1883 eine weitere Burg, während seine Neue Burg (nachmals Neuschwanstein) noch in Bau war: Falkenstein, einige Kilometer westlich von Neuschwanstein, anstelle der Ruine von Deutschlands höchstgelegener mittelalterlicher Burg.
Die vollendete Vision einer Burg
Das Projekt einer neuen Burg Falkenstein war bei der extrem ausgesetzten Lage des Bauplatzes in 1.268m Höhe, bei der enormen Fernwirkung, die der Bau gehabt hätte, und vor allem bei dem hochmögenden, phantasiereichen und vielschichtigen Programm der Räume die vollendete Vision einer Burg.
Aus der entscheidenden Planungsphase 1884/5 haben sich für die Haupträume prächtige, farbige und sehr präzise perspektivisch angelegte Entwürfe erhalten, die der Architekt Max Schultze und der Maler August Spieß gemeinsam geschaffen haben. Diese ermöglichen es dem Betrachter besonders gut, sich gehend oder sanft schwebend in die phantastische Bildwelt dieses einzigartigen Projektes hineinzuversetzen. In dem kompakten, rundansichtigen und malerisch komponierten Bau sollten im Erdgeschoss Küche und Dienerschaftsräume eingebaut werden. Der 1. Stock sollte die Wohnräume des Königs aufnehmen, Vorzimmer, Speisezimmer, Arbeitszimmer und Schlafzimmer. Den ganzen 2. Stock sollte der Große Saal umfassen, den Ludwig II. nach dem Vorbild eines Saales der spätgotischen Albrechtsburg in Meißen gestaltet haben wollte. Höhepunkt der Anlage ist das Schlafzimmer, als einziger Raum nicht in gotischen Formen entworfen, ein byzantinischer Kirchenraum als Denkmal des Königtums, darin dem Thronsaal von Neuschwanstein verwandt.
Erste Pläne
Der Fürstlich Thurn und Taxissche Oberbaurat Max Schultze entwickelte nach den Vorgaben des Bauherrn die gesamten Innenräume im „gothischen Stil“ mit Rippengewölben; so auch zunächst das Schlafzimmer, das laut Entwurf von 1884 ein nur mäßig großer rechteckiger Raum mit einem polygonalen Bettalkoven werden sollte. Das Bildprogramm des Raumes sollte Liebespaare aus den mittelalterlichen Sagen zeigen, die Richard Wagner für seine Musikdramen herangezogen hatte: Venus und Tannhäuser, Siegfried und Brünnhilde, Tristan und Isolde (die auch im Schlafzimmer von Neuschwanstein dargestellt sind), Elsa und Lohengrin, Parzival und Condwiramur, Gahmuret und Herzeloide (die Eltern Parzivals). Wie bei allen Entwürfen sparte der Architekt die Figurenfelder aus, die der versierte Maler August Spieß anschließend ausführte.
Ein Blick ins Schlafzimmer
Ludwig II. befahl recht bald mit genauen Angaben ein ganz anderes Schlafzimmer. Die Entwürfe Schultzes aus dem Spätjahr 1884 zeigen einen quadratischen Raum bereits in byzantinischen Formen mit Blendarkaden, einer zentralen blauen Kuppel mit goldenen Sternen und einer Apsis mit Baldachinbett. Dies ist eine Kombination von Schlafzimmer und dem Thronsaal Neuschwansteins. Ansicht und Querschnitt von 1885 zeigen das Konzept nochmals erweitert.
Vier Arkaden tragen die nun 10m hohe blaue Mittelkuppel. Die Säulen unter den Gurtbögen sind nach Anordnung Ludwigs II. aus der Markuskirche in Venedig zitiert. Auch sein Großvater Ludwig I. hatte in seiner Allerheiligenhofkirche architektonische Zitate aus San Marco verlangt. Die Wände sind vollständig mit Goldmosaik inkrustiert. Vorne rechts steht ein Thronsessel, über dem zwei der sagenumwobenen Liebespaare im Wandbild erscheinen. Unter der Kuppel sind Tugendallegorien dargestellt. Vor der mittleren Bettapsis, die mit Vorhängen vom Raum abgetrennt ist, schwebt ein weißer Falke, der aus Alabaster gefertigt ein Nachtlicht aufnehmen und leuchten sollte.
Der Querschnitt zeigt die drei Apsen. In der linken Apside ein Flügelaltar mit Kniebank, in der rechten ein Waschtisch in Formen eines Tabernakels, im Zentrum das Bett in Formen eines byzantinischen Baldachinaltars mit stilistischen Anklängen der Florentiner Frührenaissance, der Bettkasten als Mensa mit Figurenreliefs gestaltet, flankiert von zwei hohen Standleuchtern. In der Apsiskalotte ist die thronende Mutter Gottes mit dem Jesuskind dargestellt, nach einer Ikone in der Hagia Sophia. Die flankierenden Engel sind, ebenfalls nach Befehl Ludwigs II., Zitate aus der Allerheiligenhofkirche seines Großvaters. Auch Beschreibungen des Kaiserschlafraums im Palast von Byzanz aus einem Buch von 1869 flossen hier ein. Diese Raumvision ist die letztmögliche Steigerung eines Weiheraumes des Königtums, dem Thronsaal von Neuschwanstein verwandt, ihn aber weit übertreffend. Der Waschtisch als Taufstein, vor allem das Bett als Altar, sind eigentlich blasphemisch. Man bedenke: ein Bett hat mit diesem hieratischen Zusammenhang historisch nichts zu tun. Was Ludwig II. hier kühn und in höchster Qualität vollziehen wollte, ist die Verschmelzung von byzantinischem Kaiser, Ludwig IX. dem Heiligen und Ludwig XIV. Nur in dessen absolutistischem Zeremoniell hatte ein Bett königliche Bedeutung. Eine faszinierende Conclusio aller Ideale des späten Ludwig II. Es wäre der Gipfelpunkt seiner Beschwörungen geworden. Er kam nicht mehr dazu. Burg Falkenstein blieb eine Idee. Es wurde nichts von ihr gebaut. Der letzte Entwurf, das nochmals (auf 14 Meter) erhöhte Schlaf“zimmer“, ist unvollendet: der Architekt hat ihn nach dem Tod Ludwigs II. so belassen.
Auf dem Berg hoch über Pfronten steht noch immer die höchstgelegene Burgruine Deutschlands in grandioser Steillage.
Eine kleine Sonderausstellung im Ludwig II. – Museum auf Herrenchiemsee zeigt von 11. Mai bis Ende August 2019 sechzehn Entwürfe zu diesem Projekt, davon 13 der perspektivischen Raumvisionen in Aquarell, deren feine und reizvolle Einzelheiten man nur mit Lupe richtig erkennt. Daher stehen in der Ausstellung Lupen zur Verfügung.
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