In unserem Schwarzweiß-Archiv finden sich wahre Schätze: rund 1000 Ordner voller einzigartiger Fotografien, die teils bis ins späte 19. Jahrhundert zurückreichen. Nach Jahrzehnten im selben Raum musste das Archiv nun umziehen. Was auf den ersten Blick nach einem rein logistischen Vorgang klingt, wurde für unsere Fotoabteilung zu einer echten Entdeckungsreise: mit Klimasorgen, Papierfischchen-Quarantäne und überraschenden Funden.
Das Schwarzweiß-Archiv – Ein fotografisches Gedächtnis
Das Schwarzweiß-Archiv hat seine Ursprünge in den ersten Fotoaktionen zur Gründungszeit der Bayerischen Schlösserverwaltung, als zahlreiche Ausstellungsstücke der Schlösser fotografisch inventarisiert wurden. Später gesellte sich ein großer Bestand an Raumaufnahmen hinzu: In intensiven Fotoaktionen während des Krieges wurden historische Raumfolgen aus Angst vor Zerstörung systematisch durchfotografiert. Gerade von der Residenz München finden sich in unserem Schwarzweiß-Archiv deshalb Ordner über Ordner mit spannenden Aufnahmen von Vorkriegszuständen der später zerstörten und rekonstruierten Räume. Auch die Fotografien des Ludwig-II.-Archivs sind hier untergebracht. Von offiziellen Porträtfotografien bis hin zu Baustellenfotos der Königsschlösser lässt sich so einiges im Schwarzweiß-Archiv entdecken.
Mit der Einführung der Farbfotografie wurde zusätzlich ein eigenes Ekta-Archiv für analoge Farbaufnahmen aufgebaut („Ekta“ steht hierbei für Ektachrome – das sind großformatige Dias). Unsere Sammlung umfasst derzeit über 50.000 Schwarzweiß-Aufnahmen sowie ca. 20.000 analoge Farbaufnahmen und einen umfangreichen digitalen Datenbestand. Jetzt, da nur noch digital fotografiert wird, könnte man meinen, dass keine neuen Bilder mehr zu den beiden Archiven hinzukommen. Allerdings kann es dennoch sein, dass durch Schenkungen oder Nachlässe „neue“ alte Fotografien ihren Weg in unsere Archive finden.
Ein Sammelsurium an unterschiedlichen Ordnern und Beschriftungen zeugt davon wie das Schwarzweiß-Archiv über die Jahrzehnte gewachsen ist. Foto: BSV, Weber.
Ein neuer Raum für alte Schätze
Der bisherige Standort des Schwarzweiß-Archivs lag nahe am Treppenhaus – ein eher ungünstiger Ort, was das Raumklima betrifft. Feuchte Luft aus dem Garten sammelte sich im Treppenhaus und konnte so auch in den Archivraum gelangen. Das instabile Klima konnte durch den Luftentfeuchter nur mäßig ausgeglichen werden und war damit auf Dauer gefährlich für die empfindlichen Fotoabzüge.
Ein neuer Raum, tiefer im Gebäude gelegen, versprach bessere Bedingungen. Heute sorgt dort ein neuer Luftentfeuchter für gleichmäßige Luftfeuchtigkeit und ein Klimamesser aus der Präventiven Konservierung überwacht zusätzlich dauerhaft die Werte.
Ordnung schaffen – und schützen
Mit dem Umzug sollte das Schwarzweiß-Archiv nicht nur räumlich, sondern auch konservatorisch optimiert werden. Das über die Jahrzehnte gewachsene Sammelsurium verschiedenster Ordner, Formate und Beschriftungen wich einem neuen, einheitlichen und archivbeständigen Ordnersystem, auf das selbst Ordnungsikone Marie Kondo stolz wäre.
Die neuen Ordner mussten hohen Anforderungen gerecht werden: archivbeständig, säurefrei und schädlingssicher sollten sie sein. In enger Zusammenarbeit mit unserem Restaurierungszentrum wurde das passende Material ausgewählt. Die bisherige stehende Lagerung im Ringbuch – konservatorisch eher unüblich – wurde nach sorgfältiger Überlegung beibehalten. Sie ermöglicht es, große Mengen an Bildern schnell zu sichten und gezielt zu durchsuchen – ein entscheidender Vorteil im Arbeitsalltag unseres Fotoarchivs.
Papierfischchen? – Nein, danke.
Bevor die neuen Ordner ihren Platz in den Regalen beziehen durften, mussten sie zunächst zwei Wochen lang in Quarantäne, um sicherzugehen, dass sich beim Transport keine Schädlinge eingeschlichen haben – Papierfischchen zum Beispiel. Diese mit dem Silberfischchen verwandten Insekten unterscheiden sich von ihren harmlosen, badezimmerbevölkernden Cousins und Cousinen vor allem durch ihre Leibspeise: Papier.
Damit unser neues Archiv kein Gourmet-Buffet für hungrige Insekten wird, stapelten unsere Kolleginnen alle Ordner zu großen Türmen und platzierten Schädlingsfallen darum. Wäre ein Papierfischchen aus den Ordnern spaziert, hätten wir es sofort gemerkt – zum Glück hat sich keines blicken lassen. Auch jetzt sind zum permanenten Schädlings-Monitoring Klebefallen aufgestellt – so kann man schnell handeln, sollte sich doch ein unerwünschtes Krabbeltier einschleichen.
Spannende Entdeckungen
Während des Umzugs wurde jeder Ordner aus dem alten Archiv Blatt für Blatt inspiziert. Auf vielen alten Blättern fehlte noch die heutige Inventarnummer. Diese wurde nun nachgetragen – oft in detektivischer Kleinarbeit. Denn nicht bei allen Aufnahmen ist sofort zu erkennen, welcher Raum oder welches Objekt abgebildet ist.
„Eine Inventarnummer und die dazu hinterlegten Angaben in unserer Datenbank birgt die ganze Information eines Kunstobjekts. Durch die Ergänzung der Nummern auf den Abzügen wurden die Fotos auf einen aktuellen Stand gebracht. Das war mir schon lange ein großes Anliegen.“
– Sabine Seibert, Mitarbeiterin Fotoarchiv.
Ein weiterer Vorteil dieser minutiösen Handarbeit: Jedes einzelne Bild wurde gesichtet und dabei kam so manche Überraschung zum Vorschein:
Bei einem Konzert 1959 wurden in Schloss Herrenchiemsee noch echte Kerzen zur Beleuchtung der großen Spiegelgalerie angezündet. Seit Anfang der 1980er-Jahre ist das aus denkmalpflegerischen und brandschutztechnischen Gründen nicht mehr möglich. Foto: Bildberichterstattung, Erika Groth-Schmachtenberger, München.
Die damaligen Mitarbeiter der Bayerischen Schlösserverwaltung ziehen bei einem Wagentransport im Jahr 1977 zwei berühmte Kutschen innerhalb des heutigen Marstallmuseums um. Gerade für den ausladenden Krönungswagen Kaiser Karls VII., der mehrere Tonnen wiegt, war dies eine regelrechte Rangiermeisterleistung! Trotz Gabelstapler und sonstigen Hilfsmitteln kam man nicht ohne Manpower aus. Foto: BSV, Fink.
Eine weitere actiongeladene Umzugsaktion sieht man hier als 1976 ein gigantisches Jagdgemälde von Schloss Lustheim in das Alte Schloss Schleißheim transportiert wurde. Foto: BSV, Götz.
Ganz idyllisch geht es dagegen auf dieser Aufnahme aus der Mitte der 1950er-Jahre zu: Der Herr im Vordergrund malt die über Eichstätt thronende Willibaldsburg. Foto: Bildberichterstattung, Erika Groth-Schmachtenberger, München.
Kleber im Kühlschrank
Kleine Schäden wurden gleich behoben: Einige Blätter waren an der Lochung eingerissen. Die üblichen weißen Lochverstärker aus dem Bürobedarf sind leider nicht archivbeständig. Deshalb wurde im Restaurierungszentrum ein archivbeständiger Spezialkleber für die Fotoabteilung angerührt. Dieser wurde im Kühlschrank aufbewahrt, beschriftet mit „Achtung, Kleber!“ um hungrige Kolleginnen und Kollegen vor Verwechslungen zu schützen. Mit diesem Kleber wurden dann sorgfältig Vorder- und Rückseite eines jeden eingerissenen Blattes mit gelochten Papierstreifen verstärkt.
„Das Kleben der Papierstreifen als Lochverstärkung war eine überaus entschleunigende Tätigkeit und für mich neben dem laufenden Tagesgeschäft eine willkommene Abwechslung.“
– Karin Weber, Leitung des Fotoarchivs
Das Archiv als Nachschlagewerk
Früher wie heute ist das Schwarzweiß-Archiv in erster Linie ein Arbeitswerkzeug. Damals war es das zentrale Nachschlagewerk für den gesamten Fotobestand der Schlösserverwaltung, heute dient es vor allem der Recherche nach historischen, noch nicht digitalisierten Aufnahmen.
Auf den einzelnen Blättern finden sich Verweise, die zu den zugehörigen Glasplatten bzw. Negativen oder zu weiteren Abzügen führen. Negative und Doubletten (weitere Abzüge) werden in einem getrennten Raum aufbewahrt, um bei potenziellen Schäden nicht den Gesamtbestand zu gefährden.
Die Doubletten stammen noch aus der Zeit, als unsere Fotoabteilung, die damals noch „Photothek“ hieß, wie eine Bibliothek für Fotos genutzt wurde. Zu Studienzwecken oder für Reproduktionen konnte man sich damals Abzüge nach Hause bestellen oder Ektachrome per Post ausleihen und anschließend wieder zurückschicken.
Fortlaufende Digitalisierung
Heute bieten wir diesen Service digital an: Über die Webseite unseres Fotoarchivs lassen sich Bilderanfragen stellen und man bekommt diese dann per Mail zugesandt – es muss sich also niemand mehr Sorgen machen, dass er oder sie die Ausleihfrist für ein Foto überschreitet. 😉
Ein Teil des Schwarzweiß-Archivs ist bereits digitalisiert und in unserer Inventarisierungssoftware erfasst. Unsere Kolleginnen arbeiten daran, Stück für Stück weiter zu digitalisieren, sodass die alten Schwarzweiß-Fotografien ebenso wie die aktuellen Fotos unserer Schlösser mit einem Klick durchsucht werden können. Auf diese Weise lebt unser Schwarzweiß-Archiv weiter – analog und digital, als Spiegel der Vergangenheit und Werkzeug für die Zukunft.