Dem Hofbau-Ingenieur Joseph Röhrer gelang 1870, was in unseren Tagen bei Bauprojekten nur noch selten gelingt: er blieb im Kostenrahmen – zunächst. So schätzte er, dass für die Errichtung des Königshauses auf dem Schachen mitsamt Küchengebäude und Stallungen 22.000 Gulden zu veranschlagen sind. Dass die Baukosten bis zur finalen Fertigstellung des königlichen ‚Retreats‘ im Jahr 1872 dennoch drastisch ansteigen sollten, ist allein auf die stets gefürchteten „Nutzerwünsche“ des Bauherrn Ludwig II. zurückzuführen: Dieser stellte sich seinen Türkischen Saal im Obergeschoß wesentlich größer und orientalischer vor und gab deshalb umfangreiche bauliche Änderungen in Auftrag. So floss in den Jahren 1871 und 1872 mit gut 110.000 Gulden nochmal das Fünffache der ursprünglich veranschlagten Bausumme in die „Erweiterung des Aufbaues oder oberen Stockwerkes“ und „die innere Ausschmückung und vollständige Einrichtung der vergrößerten Lokalitäten“. Um diese Zahlen etwas greifbarer zu machen: Münchens erster Oberbürgermeister verdiente in den 1870er Jahren jährlich etwa 5.500 Gulden, ein Maurer bekam täglich 2 Gulden (pro Jahr also weit unter 1000 Gulden) und die von der anstrengenden Arbeit auf der Ausnahmebaustelle auf 1866m Höhenmetern durstigen und ausgehungerten Handwerker konnten allesamt bei der Hebefeier laut Rechnungsbuch schon für 25,58 Gulden mit ausreichend „Bier, Käs und Würsten“ versorgt werden.
So hoch die Baukosten des Türkischen Saals auch waren, so überzeugend ist die Wirkung, die von diesem Raumkunstwerk bis heute ausgeht. Dass die „imaginäre Zimmerreise“ in den fernen Orient und das Himalaya-Gebirge auch für den heutigen Besucher noch so gut funktioniert, ist sicherlich auch den vielen herausragenden Münchner Kunsthandwerkern zu verdanken, die Ludwig II. mit der Herstellung der suggestiven Raumrequisiten beauftragte. Einige der Namen, die sich in den Rechnungsbüchern finden, mögen – zumindest den (Wahl-)Münchnern unter den Lesern – heute noch ein Begriff sein, andere wiederum sind selbst der kunsthistorischen Forschung bislang nicht so recht geläufig.
Weitgehend unbekannt ist etwa der Bildhauer Georg Schmid, der die hohe Summe von insgesamt 18.078,12 Gulden für seine Arbeiten auf dem Schachen erhielt. Dieser hatte bereits zuvor die nötige Kompetenz zur Erzeugung exotischer und fremdländischer Raumwelten für den König bewiesen: Für den Wintergarten Ludwigs II. auf der Münchner Residenz im Jahr 1869 erledigte er Bildhauer- und Schreinerarbeiten für einen arabischen Kiosk und fertigte das Stalaktiten-Gewölbe für die dortige Grotte. Die von Schmid für den Türkischen Saal geleisteten „Bildhauerarbeiten“ sind in den Rechnungsbüchern zwar nicht weiter präzisiert, dennoch ist davon auszugehen, dass ein Großteil der geschnitzten Ausstattungselemente wie etwa die balustradenförmige Trennwand, die Wandvorbauten, die Kassettierungen, die Ornamente an Wänden und Decken sowie Divane, Vasen und Räucherständer in der Schmid’schen Werkstatt in der Karlstraße 18d in München entstand. Nach 1872 wirkte Schmid nicht mehr an den Bauprojekten von König Ludwig II. mit. Erhalten hat sich ein Plansatz feiner Tuschezeichnungen von Georg Schneider aus dem Jahr 1872, der die Ausstattung des Königshauses minutiös wiedergibt.
Bei den über 220 Quadratmetern goldener Oberflächen im Türkischen Saal (inkl. Ausstattung) ist nachvollziehbar, dass die Gesamtkosten für Vergoldungen mit 29.875,18 Gulden den Spitzenplatz der Bauausgaben einnehmen. Fünf hochkarätige Münchner Vergolder arbeiteten zeitgleich daran. Diese sind: Anton Birklein (Landwehrstr. 18), Andreas Pütterich (Löwengrube 22 mit Laden in der Windenmachergasse 4), Josef Radspieler (früher Eisenmannstr. 2, dann Hundskugel 7), Theobald Schorn (Karlsplatz 29) sowie Ignaz Schachinger (Schellingstr. 32). Josef Radspieler wurde „Königlich Bayerischer Hof Vergolder“ kurz nachdem er im nordwestlichen Eckpavillon der Residenz München die Goldfassungen der Möbel im Apartment Ludwigs II. angefertigt hatte. Ignaz Schachinger, der ursprünglich aus Wien stammte und 1845 das Münchner Bürgerrecht erhielt, arbeitete bereits für König Ludwig I., u.a. in der Befreiungshalle in Kelheim. Sein Sohn Gabriel malte 1887 das bekannte Portrait von Ludwig II. als Großmeister des St. Georgs-Ritterordens, während dessen Bruder Fritz 1877 ein Geschäft für Künstlerbedarf gründete, das 1896 den Hoflieferanten-Status verliehen bekam. Die Geschäfte der beiden Hoflieferanten Radspieler und Schachinger bestehen heute noch im Münchner Hackenviertel.
Der königliche Hof-Tapezierer Max Steinmetz zeichnete nicht nur 1870 für die „vollständige Meublirung und Einrichtung“ der Wohnräume auf dem Schachen verantwortlich, sondern auch für die Polsterung der Diwane im Türkischen Saal, die sich Ludwig II. seiner majestätischen Statur angepasst wünschte: „Divans müssen breiter werden.“ Max Steinmetz war seit der Einrichtung der Königswohnung in der Residenz München in beinahe jedes der Bauprojekte von Ludwig II. involviert und polsterte sämtliche Sitzmöbel. Dennoch meldete er sein renommiertes Geschäft an Münchens erster Adresse in der Maximilianstr. 1 mangels Nachfolge im Dezember 1884 im Alter von 65 Jahren ab.
Für die Vorhänge hatte Ludwig II. ganz präzise Vorstellungen: „Diese sollen entweder aus hellrothem oder blauen Seidenstoff bestehen, mit Gold durchwirkt sein, oder mit Goldtressen besetzt werden […]“ und präzisiert – um jeglichem (Miss-)Verständnis vorzubeugen –, dass „immer zuerst ein vollständig blauer, dann ein hellrother, also immer das übersprungene Fenster blau, und die dazwischenliegenden rote erhalten sollen“. (Brief von Richard Hornig, 06.06.1873) Die im Juni bestellten Vorhänge wurden ungeduldig erwartet: „Auch hoffen Se. Majestät bis September die Vorhänge für Schachen, welche Gerdeißen zu fertigen hat, fertig zu sehen.“ (Brief von Kammerlakei Walter, 12.08.1873) Als Schwiegersohn von Johann Georg Schreibmayr leitete Johann Michael Gerdeisen dessen Geschäft für hochwertige (Kirchen-)Stoffe und Stickereien ab 1851. Die Fa. J. G. Schreibmayr erscheint mehrfach in den Rechnungsbüchern und lieferte 1872 „100 5/12 bayerische Ellen [ca. 83,6m] reichen ächten Stoff, Gold & Silber, rothgrund, doppelte Kette, türkisches Muster […]“ für den großen Vorhang zwischen Vor- und Hauptraum zu 3.213,20 Gulden, sowie 1873 „34 Meter Goldbrokat ponso mit Silber, sowie 40,5m Goldbrokat azurine mit Silber und 99m Goldbordüren“ für besagte Fenstervorhänge zu 3.240 Gulden. Das Unternehmen existiert auch heute noch in München Sendling – orientalische Vorhänge dürften in dem heutzutage ausschließlich auf christlichen Kirchenbedarf spezialisierten Fachgeschäft jedoch seltener nachgefragt werden.
Der Maler und Kostümbildner Franz (von) Seitz (1817-1883) ist auf Grund seiner Funktion als artistischer Direktor des Hof- und Residenztheaters auch heute noch ein Begriff. Auch für König Ludwig II. übernahm er bei dessen Bauprojekten oftmals die Rolle des „Creative Directors“ und lieferte zahlreiche Requisiten-Entwürfe für Ludwigs Traumwelten – zumindest bis er 1876 dem König eine Möbelzeichnung präsentierte, „die so wenig nach Wunsch ausgefallen [war], dass [… er] nie mehr einen Auftrag in diese Richtung erhalten soll[te]“. Für das Schachenhaus entwarf er eine türkische „Räucherpfanne“ und arrangierte die Federfächer in den vier blau gefassten und vergoldeten Vasen im Zentrum des Raums, für die 44 „ächte lange Straußenfedern“ für insgesamt 528 Gulden angeschafft wurden.
Wenig ist bekannt über den Hofglaser Heinrich Burmester (Knöbelstraße 4), der interessanterweise „zweimalig“ – Zufriedenstellung des Königs beim Erstversuch gescheitert (?) – für insgesamt 4.512,22 Gulden die bunten Fensterscheiben fertigte, die im Türkischen Saal ein einzigartiges, beinah psychedelisches Lichtspiel auf die Vergoldungen und Textilien werfen. Auch der Hofbrunnenmeister Mathias Negele, der eine ingenieurstechnische Meisterleistung hinlegte, um dem königlichen Wunsch „Springbrunnen auf dem Schachen soll sehr hoch gehen“ zu entsprechen, hätte mehr Nachruhm verdient, als ihm bislang zuteil wurde. Mit Hilfe eines Wasserpumpenwerks mit hydraulischem Widder versorgte er den aus Zink gefertigten Brunnen im Zentrum des Türkischen Saals mit entsprechendem Wasserdruck.
Apropos „Wasser“: Auch auf hochalpinen Höhen wollte König Ludwig II. freilich nicht auf die Möglichkeit verzichten, Schifferl zu fahren: „Möchten Herr Hofrath einen ganz einfachen, kleinen Kahn für den dortigen See zimmern lassen“ (Brief von Richard Hornig, 18.05.1872). Gleich zwei Kähne lieferte Jakob Bach, Schiffmeister in Starnberg, den ersten 1872 und einen zweiten komfortableren 1877, diesmal mit „gepolsterter Sitzbank von grünem Leder“. Man kann sich leicht vorstellen, dass der König darauf herrlich saß, während er lautlos über das Wasser des etwas unterhalb des Königshauses gelegenen Schachensees glitt – insbesondere dann, wenn bei einem seiner zwischen ab 1876 alljährlich auf dem Schachen stattfindenden Geburtstagsbesuche der süße Duft aus Räucherpfannen und Wasserpfeifen ihm den Geist vernebelt und seine Fantasie entfesselt hatte.