Hinter den Kulissen

Baby, it’s cold outside – Wie Skulpturen im Schlosspark Nymphenburg überwintern

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Wer von Anfang November bis Mitte April außerhalb von Schloss Nymphenburg durch die weitläufige Parkanlage spaziert, kann an vielen Stellen kleine Holzhäuschen entdecken. Hierbei handelt es sich weder um historische Schilderhäuser noch um Beobachtungshütten für Ornitholog*innen. Doch was hat es mit diesen mysteriösen Holzkästen auf sich?


 

Der Motorroller wandert in die Garage, die Gartenmöbel in den Keller und der Oleander in den kühlen Hausflur – es wird Winter. Auch vor den Türen unserer Schlösser, Burgen und Residenzen stehen einige Schätze, die es in der kalten Jahreszeit zu schützen gilt. Da wir die Kunstwerke in unseren Parkanlagen nicht allesamt abtransportieren können, versehen wir insbesondere die Skulpturen mit sogenannten Winterschutzeinhausungen.

Gotta know your enemy / Kenne deinen Feind

Pan im Schlosspark Nymphenburg.

Pan im Schlosspark Nymphenburg.

Einhausen, das bedeutet ein Objekt mit einem Schutz zu umhüllen. Im ständigen Angesicht der Witterung nagt der Zahn der Zeit selbst am härtesten Gestein. Führt man sich wortwörtlich vor Augen, dass der vom Künstler gestaltete Teil der Skulptur, nämlich die sichtbare Oberfläche, nur einen geringen und empfindlichen Teil der Gesamtmasse ausmacht, wird die große konservatorische Notwendigkeit eines Schutzes schnell deutlich.

Obgleich jedes Material nach individuellen Schutzmaßnahmen verlangt und ganz eigen auf verschiedenste Wetterverhältnisse reagiert, hat die Restaurierungswissenschaft den größten Feind der Kunst im Außenraum in mitteleuropäischen Breitengraden identifiziert: Nässe, insbesondere im Zusammenspiel mit Kälte, richtet häufig verheerende Schäden an. Durch einen schnellen Frost-Tau-Wechsel können unter Umständen sogar ganze Teile der Oberfläche einer Skulptur abplatzen – es kommt zur sogenannten Frostsprengung.

Von bewährten Klassikern und der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau

Damit originale Parkskulpturen nicht in Depots oder Museen, sondern an den für sie angedachten Orten wirken können, braucht es also insbesondere im Winter einen Witterungsschutz. Im Schlosspark Nymphenburg stehen rund 80 Einhausungen, betroffen sind unter anderem 12 Vasen, 22 Gartenfiguren aus dem Gartenparterre und der Kaskade sowie die beiden Sandsteinlöwen vor der Badenburg. Die präventiven Konservatorinnen des Restaurierungszentrums behalten die Objekte zu dieser Zeit etwa mit Klimamessungen im Auge, forschen hausintern an unterschiedlichen Einhausungssystemen und ermöglichen so die Ursachenbekämpfung verschiedener Erosionsformen.

Winterschutzeinhausungen vor der Badenburg, ihre Detailzeichnung und einer der dort geschützen Sandsteinlöwen im Sommer.

Winterschutzeinhausungen vor der Badenburg, ihre Detailzeichnung und einer der dort geschützten Sandsteinlöwen.

Die Einhausung aus Holz stellt für viele Skulpturenmaterialien den bewährten Klassiker dar. Versehen mit Lüftungsöffnungen kann Feuchtigkeit abtrocknen und gleichzeitig extreme Klimaeinwirkung abgemildert werden. Tatsächlich ist die Holzeinhausung bereits seit dem Barock in Gebrauch. Hier nutzte man sie ganzjährig als Abdeckung, sobald die adeligen Herrschaften für längere Zeit außer Haus waren. Alternative Systeme, etwa Metallrahmen mit Planen, Winterhussen aus speziellen Gewebestoffen oder passgenaue Hartschaumschalen sind heutzutage zwar praktischer in der Pflege, Handhabe und Lagerung, neigen jedoch unter Umständen zur Bildung von Kondensfeuchte.

Letzteres ist auch der Hauptgrund, weshalb beim Abdecken nicht zu transparentem (Acryl-)Glas gegriffen wird. Ganzjährig Schutz und Sichtbarkeit zu bieten, klingt verlockend, leider sammelt sich an den Innenseiten binnen kürzester Zeit Kondenswasser an und der vermeintlich dezente Aufsatz wird zum Gewächshaus. Das Ergebnis aus Nässe, Schimmel und überwinternden Insekten wirkt sich alles andere als erhaltend auf die Skulpturen aus.

Löwenskulptur, Detailzeichnung der zugehörigen Winterschutzeinhausung und Winteraufnahme am Standort: Treppenaufgang zur Parkseite von Schloss Nymphenburg

Löwenskulptur, Detailzeichnung der zugehörigen Winterschutzeinhausung und Winteraufnahme am Standort: Treppenaufgang zur Parkseite von Schloss Nymphenburg.

Am Ende entscheidet ein individuelles Abwägen zwischen Material, Größe und Zustand des Kunstwerks sowie den verwaltungstechnischen, personellen und finanziellen Möglichkeiten vor Ort über die Auswahl der passenden Winterschutzeinhausung. Auch das Errichten des scheinbar simpelsten Bretterverschlags, ist für die zuständige Außenverwaltung noch mit großem Aufwand verbunden.

Von der Theorie zur Praxis

Während standardisierte Einhausungen, etwa für die heimische Mülltonnenbatterie, problemlos in jedem Baumarkt zu finden sind, bedürfen die Kunstwerke in den Außenanlagen maßgeschneiderten Schutz. Individuelle Einhausungen für die Skulpturen im Schlosspark Nymphenburg wurden lange hausintern geplant, gefertigt sowie auf- und abgebaut. Mittlerweile arbeitet die Schloss- und Gartenverwaltung Nymphenburg insbesondere während des jeweils zweiwöchigen Ein- und Aushausungsprozesses eng mit dem Staatliche Bauamt München 1 und einer externen Zimmerei zusammen. Mit Gabelstapler und Anhänger wird das vor Ort eingelagerte Material zur Einhausung im Herbst zu den jeweiligen Objekten transportiert, dort aufgebaut und im Frühjahr auf dieselbe Weise wieder abgebaut und eingelagert.

Dass nicht die Skulpturen selbst in Depots gebracht werden, hat viele Gründe. Jeder Kunsttransport ist mit dem Risiko der Beschädigung verbunden, auch würde mehr Lagerungsfläche benötigt werden. Hinzukommend wäre der Transportaufwand größer und die entstehenden Kosten deutlich höher.

Schloss und Park Nymphenburg mit Winterschutzeinhausungen.

Schloss und Park Nymphenburg mit Winterschutzeinhausungen.

Ein Plädoyer für die Winterschutzeinhausung

Es ist eine präventiv-koservatorisch fortschrittliche und notwendige Maßnahme, wenn Verwaltungen die finanziellen und logistischen Mühen auf sich nehmen um ihre Gartenkunstwerke im Winter zu verpacken. Generell gilt die Devise: je mehr desto besser und so rüstet auch die Bayerische Schlösserverwaltung von Winter zu Winter weiter auf.

In einer schnelllebigen Zeit, die sich mehr und mehr dem Einfluss der Natur zu entziehen sucht, bleibt das Gartenkunstwerk inklusive seiner Parkarchitekturen und -skulpturen ein Ort des steten Wandels, nahe am Puls der Jahreszeiten. So gesehen können wir uns im Frühjahr nicht allein auf das Aufblühen der Flora, sondern auch auf die visuelle Wiederkehr der Parkskulpturen freuen.

 


Herzlichen Dank an Silas Ploner, Wilhelm Schott, Manuel Leuthe und Sven-Patric Klameth für die Unterstützung bei der abteilungs- und verwaltungsübergreifenden Recherche.

 

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