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Die Bühnenbildmodelle von Ludwig II. – Wagner, die Separatvorstellungen und drei Theaterkünstler

genius des ruhms jank

Im Deutschen Theatermuseum findet derzeit die Kabinettausstellung „In meiner Vorstellung. Die Welt der exklusiven Aufführungen von König Ludwig II.“ (19.4.2023 – 30.7.2023) statt. Darin werden Schaumodelle, Bühnen- und Kostümentwürfe, Fotografien einzelner Aufführungsmomente und Rollenbilder, die Ludwig II. prachtvoll herstellen ließ, gezeigt. Anknüpfend an die Ausstellung werfen wir im folgenden Beitrag einen Blick auf die Bühnenmodelle aus unserer Sammlung.

Wagner und König Ludwig II. – zwei Theatermenschen auf der Suche nach dem Gesamtkunstwerk

Am 04. Mai 1864 begegnete Ludwig II. (1845 – 1886) erstmals Richard Wagner (1813 – 1883) und verbeugte sich tief vor seinem Idol – einem vielseitigen Künstler, der unter anderem als Komponist, Schriftsteller und Theaterregisseur wirkte. Bereits im Alter von zwölf Jahren las er Wagners Schrift über „das Kunstwerk der Zukunft“, in dem dieser die neue Einheit der Künste als „Gesamtkunstwerk“ beschreibt. Mit 15 hatte Ludwig – als seine erste Oper – Wagners Lohengrin gesehen und damit sein Lebensthema gefunden. Der Schwanenritter wird sein Alter Ego.

„Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.“ Der Satz des fast gleichaltrigen Friedrich Nietzsche, steht programmatisch auch für Ludwigs (und Wagners) Lebensauffassung. In frühen Jahren ließ Ludwig sich durch den „väterlichen“ Freund Wagner nicht nur in künstlerischen Fragen, sondern sogar politisch beraten. Später emanzipierte und distanzierte er sich. Wagners Antisemitismus und Nationalismus blieben ihm immer fremd.

Für Wagner bedeutete die Beziehung zu dem bayerischen König die Rettung aus einer furchtbaren finanziellen Lage. Ludwig wird ihn bei der Verwirklichung seiner künstlerischen Ambitionen unterstützen und ihm – nach der gescheiterten Initiative für den Bau eines Theaters in München – die Errichtung des Festspielhauses auf dem Grünen Hügel in Bayreuth im Jahr 1875 ermöglichen.

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Richard Wagner spielt König Ludwig II. auf dem Flügel vor (Autotypie, um 1880) HdbG

Ludwig II. & die Separatvorstellungen

Ludwig wiederum konzentrierte sich seit seiner Unterzeichnung des Kaiserbriefs am 30. November 1870 und dem daraus folgenden Verlust an Souveränität als Bayerischer König noch intensiver auf die Theaterwelt und die Verwirklichung seiner Schlossprojekte. Er wollte in München natürlich nicht auf den Genuss von Opernaufführungen verzichten. Von 1872 bis 1885 ließ sich Ludwig II – weitgehend unter Ausschluss anderer Zuschauer – sowohl im Münchener Residenztheater als auch im größeren benachbarten Nationaltheater – 209 Stücke vorführen. Es waren Opern und Schauspiele von Wagner und einigen anderen – auch mittlerweile vergessenen – Autoren, die er zur Aufführung brachte.

Diese Inszenierungen bereitete er, wie auch seine Schlossprojekte, akribisch vor. Der bayerische König setzte sich dafür intensiv mit den Motiven der Stücke auseinander. Wagner wählte für seine Opern ungewöhnliche Szenerien, die beispielsweise in der Nibelungensage („Ring des Nibelungen“),

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Walküre, 1.Aufzug (Hundinghütte); Christian Jank, 1869/70

…einem fiktiven Mittelalter („Parsifal“, „Tannhäuser“),

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Tannhäuser, 2. Aufzug (Sängersaal); Angelo Quaglio II, 1867

…der keltischen Mythologie („Tristan und Isolde“)

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Tristan und Isolde; 3. Aufzug (Hof der Burg Kareol); Angelo Quaglio II, 1865

…und in einem Hafen angesichts eines Gespensterschiffes („Der Fliegende Holländer“) angesiedelt sind.

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Fliegender Holländer, 3. Aufzug (Seebucht mit felsigem Gestade); Heinrich Döll, 1865

Ludwig ergänzte sie um Opern und Schauspiele anderer Autoren. Diese waren thematisch in der Epoche des französischen Absolutismus verortet (siehe Titelbild).

„Das Alter eines großen Königs“, „Genius des Ruhms“ spielten aber auch an exotischen Schauplätzen wie Bagdad und Tunesien („Oberon“), im Kaschmirtal und Samarkand. („Lalla Rookh“) und am Fuße des Himalaya-Gebirges („Urvasi“).

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Bühnenbildentwurf „Urvasi“ Gouache auf Papier von Carlo Brioschi und Chr. Jauch

Einige der Bühnenbildmotive wird er auch in die Planungen seiner Schlossprojekte einfließen lassen.

Für die akribische Vorbereitung der Stücke nutzte Ludwig neben gezeichneten und gemalten Entwürfen auch die dreidimensionalen Modelle, um die nicht selten ungewöhnlichen und exotischen Schauplätze der Stücke seiner Vorstellung entsprechend auf die Bühne zu bringen.

Wer sind die drei Künstler, die für Ludwig II. Bühnenbildmodelle erstellten?

Die Bühnenbildmodelle verdeutlichen, wie weit Ludwig in seinen Planungen ging und wie differenziert er an der Umsetzung seiner Idealvorstellung arbeitete. Er war ein Kontrollfreak, der die für ihn arbeitenden Künstler zwar großzügig entlohnte, aber im Gegenzug verlangte, dass sie sich seinen Vorstellungen völlig unterwarfen und die Entwürfe in seinem Sinn oft mehrmals überarbeiten mussten.

Fotografie von Angelo Quaglio II, um 1865

Fotografie von Angelo Quaglio II, um 1865. Münchner Stadtmuseum

Es sind hochkarätige, dem Theater verbundene Künstler, Architekten und Bühnenbildner, die Ludwig II. für die Visualisierung seiner Theater- und Bauprojekte heranzieht. Die meisten der 35 in der Bayerischen Schlösserverwaltung verwahrten Bühnenbildmodelle wurden von Angelo Quaglio II (1829-1890) und Heinrich Döll (1824-1892) geschaffen. Dabei herrschte eine Arbeitsteilung. Während Quaglio vorwiegend die Bühnenbildmodelle mit Architekturmotiven herstellte, zeigen die von Döll verantworteten Modelle in erster Linie landschaftliche Szenerien. Vereinzelte Bühnenbildmodelle erstellte Christian Jank (1833-1888), der vielleicht talentierteste Schüler des Hoftheatermalers Simon Quaglio (1795-1878), des Vaters von Angelo.

Fotografie von Christian Jank, um 1880.

Fotografie von Christian Jank, um 1880. Münchner Stadtmuseum

Die Bühnenbildmodelle weisen – bei allen stilistischen Unterschieden – eine durchwegs beachtliche künstlerische und technische Qualität auf, die auf die hohen Ansprüche des Königs und auch auf den produktiven Wettbewerb zwischen den Künstlerpersönlichkeiten zurückgeführt werden kann.

 


 

Exkurs: Das Bühnenbildmodell – eine Welt im Kleinen

Der Mensch ist fasziniert von der Welt im Kleinen. Er genießt es, gottgleich auf dieses sonst so unübersichtliche System zu blicken. Wie ein Wanderer, der – auf einer Bergspitze stehend – Orientierung über den von ihm zurückgelegten Weg gewinnt.

Das Modell gibt dem Menschen die Möglichkeit, sich ein Bild zu machen. Es ist ein vereinfachtes, in der Regel verkleinertes Abbild der Wirklichkeit und hilft bei der Planung und Vermittlung, wenn Fantasie und Vorstellungskraft nicht ausreichen. In der Geschichte der Menschheit dienten diese verkleinerten dreidimensionalen Abbildungen unterschiedlichen Zwecken: als Kultobjekt, für die Planung von Projekten oder einfach nur zum Spiel. In der heutigen Welt wird zu diesem Zweck häufig auf die Möglichkeiten der virtuellen Illusion zurückgegriffen, die digitale Medien bereithalten.

Für den Bereich von Kunst und Kultur sind uns zahlreiche Beispiele für die Nutzung von Modellen als Unterstützung im Schaffensprozess von Kunstwerken bekannt. Der antike Schriftsteller Plutarch erwähnt bereits Architekturmodelle, die für einen Tempelwettbewerb präsentiert wurden. Der Maler Tintoretto führt im 16. Jahrhundert Lichtstudien nach Modellen aus während sein Berufsgenosse Gainsborough zweihundert Jahre später sogar Brokkoli, Kork und Kohle verwendet, um die Lichtwirkung auf bewaldete Landschaften zu studieren.

Im Hinblick auf das Theater hat sich das Bühnenbild-Modell als gebräuchliche Form der Planung etabliert. Es entstehen transportable Modelle, die – meist in Form des Guckkastens, einer Miniaturbühne – mittels perspektivisch gestaffelter Kulissen die Illusion eines Raumes, einer Landschaft erzeugen. Es erweitert als Medium den zweidimensionalen Entwurf in die dritte Dimension. Wie auf der richtigen Bühne lässt sich über gezielte Beleuchtung eine besondere Atmosphäre erzeugen. Auch hier löst heute die digitale Illusion nicht selten das handwerklich hergestellte Modell ab bzw. ergänzt es.

 


Titelbild: Genius des Ruhms, II. Aufzug, Salon de la reine; Christian Jank, ~ 1881