Hinter den Kulissen

Es braucht ein ganzes Dorf… Die Präsentation der Ausstellungsstücke im Opernhausmuseum

Heute treffen wir uns mit der staatlich geprüften Restauratorin für Papier, Grafik und Bücher Susanne Mayr auf ein Gespräch über den technischen Aufwand, der hinter der Präsentation der Ausstellungsstücke in unserem neuen „Opernhausmuseum“ in Bayreuth steckt.

ES BRAUCHT EIN GANZES DORF…

JR: Nun ist es endlich soweit und das neue Museum „Markgräfliches Opernhaus: Welterbe & Museum“ hat seine Pforten für uns geöffnet. Sie als projektverantwortliche Restauratorin waren daran maßgeblich beteiligt. Wie koordiniert man die Neueinrichtung eines solchen Museums und wie viele Restauratorinnen und Restauratoren haben an dem Projekt noch mitgewirkt?

SM: Der Startschuss fällt in der Museumsabteilung durch die zuständige Referentin, die das Museumskonzept erstellt und Exponate auswählt. Weiter geht es dann mit einem Team aus Ausstellungsarchitekten und der Bauabteilung oder/und -amt. Im Fall einer Museumsneueinrichtung, bei der viele restauratorische Fachbereiche beteiligt sind, macht es Sinn aus diesen Fachbereichen einen Ansprechpartner festzulegen. Er oder sie bündelt die Anfragen und gibt sie dann wieder an die einzelnen Fachrestauratorinnen und -restauratoren weiter. Meistens ist das die Person, welche die meisten Objekte betreut, da diejenige sich auch am meisten mit dem Projekt beschäftigt. Zu unserem Projektteam gehören von Seiten der Restaurierung neben mir vor allem Dr. Stefanie Correll, Hannah Holland, Jonas Jückstock, Barbara Nahstoll, Cordula Redl, Oliver Schach, Sonja Seidel, Daniela Schlüter und Martin Schüssler. Transporte übernahmen Markus Santjohanser und Oliver Hinz. Von den Gewerken war von Papier, Textil, Metall und Porzellan bis zu Gemälden und Holzarbeiten fast alles vertreten. Und natürlich spielt auch der Bereich präventive Konservierung und Klima eine wichtige Rolle, er wird von Tina Naumović und Lisa Frenzel betreut.

JR: Wie sah der Ablauf im Detail aus: Geben Sie vor, wie beispielsweise eine Vitrine aussehen muss?

SM: Wie genau die Vitrinen aussehen oder ob das Objekt in eine große oder kleine Vitrine kommt, das geben wir nicht vor. Unsere Ausstellungsarchitektin entwickelte z.B. ein Konzept für den „goldenen“ Raum, das unter anderem diese spannende Form der Vitrinen-Öffnung beinhaltete. In dem Fall wurde – zum ersten Mal – ein Workshop durchgeführt. Die Architektin mit ihren Kollegen und wir arbeiteten mit einer Probevitrine, Stäben und Maßband, um uns die Ausstellungssituation besser vorstellen zu können. Das hat uns sehr geholfen, gerade bei diesen dreieckigen Öffnungen konnte man sich schwer vorstellen, wie groß das Sichtfeld sein wird und so konnte man das erproben.

Ein Blick in die Vitrinen während unterschiedlicher Entwicklungsstadien. © BSV/Susanne Mayr

JR: Und wissen Sie zuerst, wo die Objekte reinkommen und restaurieren dann oder ist es umgekehrt? Beispielsweise bei den Ritzenfunden kommt die Art und Weise, wie sie drapiert sind, in den Vitrinen einfach toll zur Geltung.

SM: Bei den Objekten selber – also in diesem Fall bei den Ritzenfunden – bespreche ich mit der zuständigen Referentin, wie das Ganze aussehen soll und danach restauriere ich. Wir stellen uns dann Fragen wie zum Beispiel: Wollen wir, dass das Fundstück am Ende ganz sauber ist oder wollen wir die Gebrauchsspuren sichtbar machen. Soll es drapiert sein oder doch ganz glatt, um den Text lesbar zu machen?

Drapiertes Bonbon-Papier. © BSV/Florian Schröter

Und auf diese Fragen gab es keine einheitlichen Antworten, wir haben für jedes Objekt den Focus neu festgelegt. Da gab es die Tüten für Tabak und Bonbons, die anfangs noch zerrissen und zerknüllt waren und hätte ich diese jetzt einfach geglättet, hätte man nicht mehr gesehen, dass es eigentlich Tüten waren. Also habe ich sie so restauriert, dass die ursprüngliche Form der Tüte mit ihren Knicken und Falten wieder zum Vorschein kam. Und auch bei dem Bonbonpapier war es so, dass es als Fundstück noch zerrissen und verknüllt war, hier wurden dann Fehlstellen, zum Teil mit durchscheinenden Materialien, wie beispielsweise mit feinem Japanpapier, kaschiert. Ziel war es ja, das Papier wieder zu einem Stück zusammenzufügen und die Verpackung dann in geknickter Form als Ausstellungsstück zeigen zu können. Gerade bei diesem Karamell-Bonbon, das man auch heute noch in so einer ähnlichen Form kennt, weckt das bei Besuchern gleich Assoziationen. Bei den großen Theaterzetteln dagegen haben wir uns entschieden, sie zu glätten, da es hier vor allem auf den Inhalt ankommt. Das macht einfach Spaß, wenn man lesen kann, wer dort aufgetreten ist oder, dass zu der Zeit schon Rauchen verboten war. Das führt den Betrachter der Vitrine gleich weiter und er fragt sich, wie dann die Zigarettenspitze eigentlich in die Bodenfugen fallen konnte. Manchmal wird auch festgelegt, dass eine Reproduktion ausgestellt wird, wie hier bei der Partitur, die als Original nur abgedunkelt hätte gezeigt werden können. Und jetzt können Besucherinnen und Besucher die Noten lesen und die Melodie summen.

JR: Ein weiteres Highlight des Museums waren für mich die Kostüme Wasser und Erde und die dazugehörigen Meßelreuter Kupferstiche. Bei den Kupferstichen habe ich mich gefragt, wie die so makellos sein können oder ob sie das überhaupt sind?

SM: Die Kupferstiche sind nicht makellos. Vor allem der Moloch in der unteren Reihe ist nicht als „schön“ zu bezeichnen. Die Blätter sind zwar restauriert. Es gab Fehlstellen, die geschlossen, und vorhandene Flecken, die reduziert wurden, sowie alte Verklebungen, die abgenommen wurden. Aber der alltägliche Gebrauch, für den das Buch angefertigt wurde, ist immer noch erkennbar. Die „Meßelreuter“ sind deswegen aber so ansehnlich, weil die Darstellung der Kostüme so liebevoll gestaltet ist. Ob das die Fledermaus, der Zentaur oder Chronos ist, man findet viele kleine Details und ist sofort fasziniert. Aber als Grafik sind sie nicht makellos schön. Es finden sich Fingerabdrücke, Farbflecken und viele andere Spuren. Wer weiß, was die Leute alles gegessen haben, während sie auf der Suche nach einem Kostüm durch das Buch geblättert haben. Ich habe sie so restauriert, dass man sie sehr schön ausstellen kann und mit dem Rahmen und dem Passepartout wirkt es sehr edel. Es sind eben keine schneeweißen Grafiken, die zum Verkauf angeboten werden. Da wurde schnell gearbeitet und auch mal über den Stich drüber koloriert. Beim Aufhängen der gerahmten Grafiken passierte dann etwas Wunderbares: man wird durch den schwarzen Rahmen, den gold-gelben Farbton der Wand und die kegelförmige Beleuchtung an ein Theater erinnert.

Die Meßelreuter-Kupferstiche im Scheinwerferlicht. © BSV/Florian Schröter

JR: Vielleicht kommen wir noch einmal kurz zurück auf die Theaterkostüme. Auch diese sind ein sehr schönes Beispiel für das Präsentieren von Ausstellungsstücken. Was sind technische Abläufe im Hintergrund? Wie bekomme ich beispielsweise eine so große Glasvitrine über die Figurinen oder schaffe es, dass die Bücher gut lesbar ausgestellt werden? Und vor allem: wie haben Sie den Porzellanteller zum Schweben gebracht?

SM: Bei den Figurinen wurde beschlossen, dass man Kostüme nachmachen lässt nach dem Vorbild der Meßelreuter Kupferstiche und diese sollten, wie auch im Kupferstich von einer Figur getragen werden. Da die Figurinen mit europäischen Maßen zu groß waren, haben wir uns dann auf die Suche begeben und in Japan welche mit passenden Maßen gefunden.

Rekonstruierte Kostüme der Elemente Erde und Wasser. © BSV/Susanne Mayr

Der Vitrinensturz musste zum Glück nicht über die Kostüme gehoben werden. Bei dieser Größe wurde die Vitrine so gebaut, dass eine Seite geöffnet werden kann. Der Boden lässt sich raus- und reinziehen und so konnten die Figurinen vor Ort in die Vitrine eingebaut werden.
Für die ideale Präsentation eines Buches sorgt in unserem Fall eine Buchwiege. Mit dem Vitrinen-Prototyp aus unserem Workshop konnte ich schon einmal prüfen wie hoch der Sockel ungefähr sein muss und wie weit das Buch geöffnet sein sollte. Dann platziere ich mein Original auf kleinen Unterbauten (aus Sandsäckchen) so, wie ich es brauche für den richtigen Öffnungswinkel. Anschließend wird Maß genommen. Ich folge dabei unserem Schema, wie Buchwiegen gebaut werden.

Die ersten Erprobungen zur Konstruktion der Buchwiege. © BSV/Susanne Mayr

Das heißt, ich verwende schwarzen Buchwiegenkarton und wenn alles gut gelaufen ist, dann sitzt es dann auch schon wie angegossen und passt für die Vitrine. Ansonsten kann es vor Ort auch noch einmal angepasst werden. Ob die Buchwiege dann aber unter einem Objekt verschwindet oder sichtbar ist, wird wieder von Fall zu Fall entschieden.
Und den Porzellanteller hat Herr Bielefeld für uns zum Schweben gebracht. Wir waren mit dem Porzellanset vor Ort in Bayreuth und als Halterung war zunächst ein Tellerständer vorgesehen. Beim Einsetzen hat man dann festgestellt, dass das Ausstellungsstück so nicht zur Geltung kommt. Herr Bielefeld, der sehr viel Erfahrung hat, wenn es um die Montage eines so kleinen und leichten Tellers geht, hat uns dann eine Konstruktion angefertigt, mit der der Teller oberhalb der Tasse schwebt und beides in der Vitrine gut gesehen werden kann.

Rechts zu sehen die filigrane Halterung, auf der linken Seite die finale Positionierung der Ausstellungsstücke. © BSV/Susanne Mayr

JR: Als abschließende Frage würde mich noch interessieren, ob Ihnen die Restaurierung eines bestimmten Objekts besonderen Spaß gemacht hat?

SM: Was mir unglaublich Spaß gemacht hat, waren die Ritzenfunde. Es kam ein großer Karton an und es war erstmal wie das Ausleeren eines Müllsacks. Da war viel Schmutz und man konnte bei vielen Sachen erstmal gar nicht sehen, was eigentlich abgebildet war. Und dann waren da ja auch noch die Knochen und mein erster Gedanke war „um Gottes Willen“, aber auf der anderen Seite gab es da auch diese Vorstellung „das könnte interessant werden“. Und da ergibt sich einfach dieser schöne Effekt. Zuerst sind die Hände und die Handschuhe noch schwarz, aber man beginnt die ersten Dinge vorsichtig auseinanderzufalten, zu reinigen und zu glätten und auf einmal sieht man die Fundstücke und denkt „Mensch ich weiß ja auch noch wie so ein Gletscherbonbon schmeckt“. Und immer, wenn man eines fertig hatte, dann kam wieder jemand in der Restaurierung vorbei und war ganz begeistert, wie schön die Funde doch sind und schon fängt man an zu lesen und entdeckt ganz viel Spannendes. Und das hat wirklich Spaß gemacht.

Blick in die Vitrine mit den Ritzenfunden. © BSV/Florian Schröter

JR: Da passt mein Arbeitstitel wirklich besser als erwartet.

SM: Was haben Sie denn geschrieben?

JR: Es braucht ein ganzes Dorf…

SM: Ja das stimmt. Also zumindest braucht es ein ganzes Fachdorf. Es ist natürlich so, jeder hat seinen Bereich, in dem er sich am besten auskennt und wo er das Beste geben möchte, aber dadurch, dass sich diese Bereiche überschneiden, ist es ein ständiger Austausch. Ich muss schauen, wie wir alle zusammenkommen. Ob das jetzt die Vitrine ist oder das Material oder das Licht, man darf nicht vergessen, was so ein Museum alles beinhaltet. Und wenn es Probleme gibt, kann man die zusammen besser lösen. Eben wie in einem Dorf.