2013 ist Wagnerjahr – Bücher- und CD-Regale biegen sich unter der Last der Neuerscheinungen, in Leipzig und Dresden, aber auch in München, z. B. in der Staatsbibliothek, eröffnen Ausstellungen anlässlich des 200. Geburtstags des Komponisten.
Aber nicht nur der eigentliche Geburtstag am 22. Mai ist Gedenktag par excellence. Auch der 4.5 ist für Wagnerianer wie für Liebhaber der Residenz zwischen Bayreuth und Tokio, sowie für die Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts allgemein ein interessantes Datum: An diesem Tag fand im Jahr 1864 in den Räumen der Residenz die erste persönliche Begegnung zwischen Ludwig II. und Richard Wagner statt. Das Treffen begründete die berühmte „Königsfreundschaft“ der beiden Männer. Es war wohl keine eigentliche Freundschaft im heutigen Sinne zwischen zwei gleichberechtigten Partnern, aber auch keine rein nominelle Bekanntschaft – sozusagen eine prestigeträchtige Facebook-Freundschaft. Vielmehr markiert diese erste Begegnung den Beginn einer komplizierten emotional-mäzenatischen Beziehung zwischen König und Komponist, die über zwei Jahrzehnte hinweg bis zu Wagners Tod 1885 andauerte – gespickt mit pathetischen Höhen und mit spektakulären Tiefen, die aber nie zum völligen Bruch führten.
Schon in seiner Kronprinzenzeit hatte Ludwig Wagners Werk kennengelernt, das nicht nur musikalisch, sondern vor allem auch hinsichtlich der verarbeiteten Stoffe aus Mythologie und Heldensage größten Eindruck auf ihn machte. Bereits die ersten Opernbesuche, die dem Prinz erlaubt wurden, hatten ihn mit den Gestalten des „Lohengrin“ und des „Tannhäuser“ bekannt gemacht, Musikdramen, in denen es bekanntlich hoch hergeht mit singenden Schwänen, Lasterhöhlen im Thüringer Wald und allerlei komplizierten, schuldbeladenen Konflikten zwischen den Geschlechtern. Verständlich, dass Ludwig begeistert war! Voller Enthusiasmus beschloss er daher unmittelbar nach seiner Thronbesteigung, den Schöpfer solcher faszinierenden Musik- und Dramenwelten nach München zu berufen: Er beauftragte seine ziemlich konsternierten Räte, den als 1848er Revolutionär von der Regierung seiner sächsischen Heimat gebrandmarkten Dichter-Komponisten zu suchen und postwendend in die Residenz zu schaffen. Der Ablauf der Geschichte ist im Wesentlichen bekannt und fehlt in keiner Verfilmung des Lebens des bayerischen Märchenkönigs, auch wenn die Bewertung der Ereignisse in der Darstellung durch Wagner Apologeten und der seiner Gegner bemerkenswert schwankt. Den gerade mal wieder auf der Flucht vor seinen Gläubigern befindlichen Wagner erschien der königliche Ruf, als ihn der bayerische Bevollmächtigte nach wilder Verfolgungsjagd schließlich in Stuttgart „stellte“, als – Zitat – „wahrhaft gutes, hilfreiches Wunder“.
Auch die eigentliche Begegnung mit dem König wenige Stunden später, die sich vor allem aus dem sich daraus entwickelnden Briefwechsel rekonstruieren lässt, war anscheinend „großes Kino“, in dem ein Theaterfachmann und ein kundiger Theaterjünger mit aller rhetorischer Wucht aufeinander stießen. Doch muss man bedenken, dass es sich bei den Briefen, in denen sich „flüchtige Götterträume“ (Wagner) und Ludwigs geschriebene Ausrufungszeichen: „Einziger! – Heiliger!“ gegenseitig zu überbieten suchen, und deren Ton uns heute schnell unaufrichtig und deklamatorisch erscheint, um eine Kunstsprache handelt, in der die Schreiber versuchten, ein ideales Verhältnis zwischen Kunst und Macht auszuhandeln. Dass die „Königsfreundschaft“ größten Einfluss auf Wagners weiteres Werk genommen hat, steht außer Frage: Mit der finanziellen Sicherheit der königlichen Schatulle im Rücken konnten viele Projekte des Künstlers Wagner nun realisiert werden: So die Uraufführungen von „Tristan“ und „Meistersingern“ in München, letztlich auch die Uraufführung des „Rings“ in Bayreuth 1876. Was dazwischen an Skandalen, Intrigen, Zerwürfnissen, Versöhnungen und Enttäuschungen lag, kann man im Wagnerjahr 2013 in den unzähligen Jubiläumspublikationen im Detail nachlesen.
Welchen ungeheuren Einfluss wiederum Wagners Werk auf Ludwig II. als Bauherrn seiner berühmten Schlösser ausgeübt hat, ist für jeden Besucher vor Ort im Sängersaal von Neuschwanstein oder in der Venusgrotte von Linderhof sofort nachvollziehbar.
Und so freuen wir uns in der Residenz besonders, auch einen kleinen Beitrag zum Wagner-Jahr beisteuern zu können, nämlich mit der Präsentation von zwei graphischen Blättern von Joseph Hoffmann und einer Zeichnung von Eduard Ille, die Gestalten und Szenen aus Wagners Opern darstellen und im Auftrag Ludwigs II. angefertigt wurden. Die drei Zeichnungen sind Dauerleihgaben der Museumsstiftung zur Förderung der Staatlichen Bayerischen Museen/Sammlung Max Oppel und werden seit gestern im Charlottengang der Residenz (Raum 42) erstmals öffentlich gezeigt.