Wie genau bringen wir unsere Themen an Kind, Mann und Frau?
Diese Fragen stellen sich Museumskuratorinnen und -kuratoren auf der ganzen Welt. Auch für die neue Ausstellung im Markgräflichen Opernhaus. Welterbe & Museum haben wir im Kuratorenteam viele spannende Themen rund um Barocktheater in Bayreuth und Europa recherchiert, die wir gerne mit unseren Gästen teilen wollen. Ihr ahnt es – am liebsten alle. Schließlich haben wir uns über einen längeren Zeitraum voller Begeisterung durch Archive und Bibliotheken gewühlt, zahllose Realien in halb Europa untersucht – da taten sich Welten auf, mit denen man Bibliotheken füllen könnte.
Und damit sind wir bei einer der größten Herausforderungen für Kuratorinnen und Kuratoren: Wir wollen die Erkenntnisse nicht auf 600 Seiten voller Fußnoten und Zitate niederschreiben, sondern ausgesuchte Themen wissenschaftlich fundiert, aber kurz, informativ und spannend vermitteln – und das an mannigfaltige Zielgruppen. Schließlich umfasst der museale Bildungsauftrag Vorschulkinder und Rentnerinnen, Laien und Fachleute, den an historischen Theatern interessierten Bayreuther und die japanische Touristin, die keine Vorkenntnisse fränkischer Geschichte mitbringt – egal, ob mobil, im Rollstuhl oder sehbehindert. Unsere Zielgruppe heißt also – der Alptraum des Marketingexperten und der Ansporn für die Kuratorin – „Alle“.
Entsprechend müssen Inhalte kuratiert– und die zu Inhalt, Zielgruppen und Vermittlungsziel passenden Vermittlungsmedien gefunden werden, vom Wandtext über die Medieninszenierung bis zur Mitmachstation. Dabei hilft es mir persönlich, mich als Museumsbesucherin in Ausstellungen zu beobachten, von deren Themen ich gar keine Ahnung habe. Da wird schnell deutlich: Auch die Museumskuratorin ist ein „normaler“ Gast – die Aufnahmekapazität ist endlich und nicht jede Ausstellung hält mich bei der Stange. Mal freue ich mich über Vertiefungsebenen, mal lasse ich die aus. Schwierig wird es des Öfteren bei Medienstationen: Nicht zu Unrecht werden diese gelegentlich als „Grab des Kurators“ bezeichnet, in denen all das untergebracht wurde, was die Fachleute gerne mit der Öffentlichkeit teilen wollten, aber keinen Platz in der ersten Reihe gefunden hat. Und wohl nur wenige Leserinnen und Leser finden wird. Hand auf’s Herz – wer wischt nicht gelegentlich bloß zwei, drei Mal über den Bildschirm, anstatt die Inhalte im Detail zu betrachten? Und wer hat sich noch nicht gefragt, was einem diese Station jetzt sagen wollte?
Für mein Team und mich war also ein Ansporn: Keine „Gräber“ schaffen, sondern in der Konzeptphase immer und immer wieder hinterfragen: Brauchen wir das wirklich? Welches Medium ist das Richtige? Geht das nicht kürzer? Dazu kamen „äußere“, begrenzende Einflüsse wie die Ausstellungsfläche, das Budget oder Herausforderungen der technischen Umsetzung.
Nach dieser langen Vorrede – und somit nicht als Ausstellungstext geeignet – möchte ich euch heute vorstellen, wie aus dem weiten Thema „Bühnenlicht“ eine kompakte Mitmachstation wurde.
Ist heute die Bühnenbeleuchtung ein komplexer Bereich, der Fachleute erfordert, war das im 18. Jahrhundert nicht anders. Aber eine stromlose Beleuchtung funktionierte und wirkte ganz anders und verfügte somit über spannende, auch sinnlich erfahrbare Facetten. Daher fand das Thema Eingang in den Ausstellungsbereich zur barocken Bühnentechnik.
Der Wandtext, der die Sektion einleitet, umreißt knapp allerlei Facetten des barocken Bühenlichts: Wie waren die Lichtquellen verteilt, welche waren die Brennstoffe, welche Lichtstimmungen wurden erzielt, welche Nebenwirkungen gab es?
Licht ins Dunkel bringen: Ein barockes Theater beleuchten
Zahllose Kerzen, Öl- und Talglichter beleuchteten die Bühne und den Zuschauerraum während der gesamten Vorstellung. Rampenlichter an der Bühnenkante, Lichterbäume in den Kulissengassen und Beleuchtungen der Soffitten erhellten das Bühnengeschehen. Durch das Absenken der Rampenbeleuchtung und Drehen der Lichterbäume waren unterschiedliche Lichtstimmungen möglich. Die pflanzlichen und tierischen Brennstoffe erzeugten nur eine schummrige Beleuchtung. Qualm, Gestank, giftige Dämpfe und Brandgefahr waren die Nebenwirkungen. Die teuren, gut riechenden Bienenwachskerzen kamen nur sparsam zum Einsatz.
Mithilfe von Exponaten werden einige Unterthemen vertieft. Die Funktionsweise des Lichterbaums wollten wir jedoch im Wortsinn begreifbar, die Lichtwirkung sinnlich erfahrbar machen. Ein Text, eine Medienstation, ein „stummes“ Exponat erschienen uns hier nicht passend. Die Idee: Der Ausstellungsgast soll mit einem „Hands on“ – einer analogen Mitmachstation – selbst testen können, wie dieses Lichtelement funktionierte, welche Effekte sich damit erzielen ließen – und welche Gefahren mit der Bewegung offenen Lichts in einer Umgebung aus Holz und Textilien verbunden waren: Bei zu leidenschaftlicher Nutzung sollte die Kulissengasse „Feuer“ fangen – wie so oft in der Barockzeit, als zahlreiche Theater(gäste) Bränden zum Opfer fielen. Mithilfe eines Beleuchtungs-Experiments sollten also Grundzüge der Bühnenbeleuchtung binnen wenigen Sekunden erklärt und das Thema Theaterbrand angerissen werden.
Unsere Lichtplaner der Firma Sein & Schein waren genauso begeistert von der barocken Lichttechnik wie wir und machten sich ans Tüfteln für diese Experimentierstation. Im Austausch mit dem Kuratorenteam entstanden Ideen und Entwürfe. Fragen zu klären gab es viele, darunter: Wie exakt war die Lichtwirkung? Wie kann diese mit Kunstlicht imitiert werden? Wie realistisch oder abstrahiert sollten die Effekte werden? Wie soll die Szenerie aussehen? Wo ist der Betrachterstandpunkt und wie die Perspektive bzw. Rolle der Person, die die Station nutzt? Ist Rauchgeruch mit dem Brandschutz vereinbar? Können Wärme und Geräusche simuliert werden und wenn ja, wie? Wie bekommen wir das alles in eine kleine Nische? Wie übersetzen wir die Handhabung für den Museumsgebrauch? Kann der simulierte Brand mit einem Ledereimer barocker Machart gelöscht werden? Ist die Handhabung selbsterklärend, einfach? Ist die Mechanik stabil und langlebig? Was können wir uns leisten? Und wie ordnen wir die Station didaktisch sinnvoll innerhalb der Ausstellungsgestaltung an?
Sicher könnt ihr es euch vorstellen: Auch bei dieser Station waren Reduktion und Verschlankung angesagt. Zudem galt es viel zu erdenken und auszuprobieren – denn wie so oft im Museumsbereich, kann man derartige Stationen nicht „von der Stange“ kaufen. Das Lichtplanungsbüro von Schein&Sein tüftelte daher nicht nur aus, wie die gewünschte Lichtwirkung erzielt werden kann oder welche Technik zu verbauen war. Selbst das Imitat des barocken Lichtbechers und Leuchtmittels wurde mit viel Liebe zum Detail entwickelt.
Neben Lichtplanern und Kuratorinn waren der Spezialist für barocke Bühnentechnik Klaus-Dieter Reus, die Ausstellungsarchitektin und das Graphikteam gefragt, realisiert wurde die Station von der Lichtplanungsfirma, der Ausstellungsbaufirma, der Druckerei und Technikern.
In derselben Ausstellungsnische finden sich, dem Lichtexperiment gegenüber, passende Exponate, so dass die Nische eine runde Themeninsel darstellt: Ein lederner barocker Feuerlöscheimer aus dem Markgräflichen Opernhaus und eine Reproduktion eines Ausschnitts der „Neu revidirte[n] Feuer-Lösch-Ordnung für die Obergebürgische Residenz-Stadt Bayreuth“ von 1782 (das Original befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München, Signatur 4 Bavar. 3420 v).
Seit dem 22. April könnt ihr das Experiment testen und erleben, ob ihr zum barocken Beleuchter oder zur barocken Beleuchterin taugt.