Fast scheint es wie eine Art Wiedergeburt, auf jeden Fall ähneln unserer Gefühle denen von erfolgreichen Schatzsuchern, die lang Verborgenes aufspüren und begeistert ans Tageslicht zerren. Zwar handelt es sich nicht um silberne Kelche oder um die neuerdings wieder hoch geschätzten Goldbarren, sondern um Flachware. Nichtsdestotrotz sind wir glücklich über unseren Fund: Zurzeit noch etwas unscheinbar präsentiert sich unter einer dicken Schicht aus Staub und vergilbtem Firnis ein Gewimmel kleiner, flott skizzierter Figürchen, die es in sich haben.
Bei der strapazierten Leinwand handelt es sich um die Entwurfsskizze des bayerischen Hofmalers Balthasar Augustin Albrecht (1687-1765) für das zentrale Deckengemälde der Grünen Galerie. Damit stellt es den nahezu einzigen greifbaren Überrest dieses Kunstwerks dar, denn das ausgeführte Fresko selbst ist verloren: Als im Frühjahr 1944 die Residenz von Fliegerbomben getroffen wurde, stürzte auch das reich stuckierte und ausgemalte Gewölbe der Grünen Galerie in sich zusammen. Da sich bei der Freskomalerei die Farbe dauerhaft mit dem Putz der Wand- und Deckenflächen verbindet, wurde Albrechts Darstellung unwiederbringlich zerstört. Dieser Verlust ist umso bedauerlicher, als das monumentale, prominent platzierte Wandgemälde (ca. 450 x 670 cm!) zusammen mit ursprünglich zwei flankierenden Bildszenen natürlich über 200 Jahre lang ganz wesentlich den Eindruck mitbestimmte, den die Besucher von Karl Albrechts Bildergalerie empfingen.
Zwar bemühen wir uns zurzeit, die Galerie ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild um die Mitte des 18. Jahrhunderts wieder anzunähern, dennoch bleiben viele Dinge weiterhin außerhalb der Planungen: Eine Wiederherstellung der Deckenmalerei gehört allerdings nicht dazu – aus guten Gründen: Nicht nur ist der Verlust des Gemäldes eine historische Realität, die zur Geschichte der Residenz und ihres Wiederaufbaus nach dem Krieg gehört. Auch die wenigen vorhandenen Bilddokumente des ursprünglichen Zustands – einige historische Farbaufnahmen und schriftliche Beschreibungen – geben zu wenige Anhaltspunkte um solch ein gewaltiges Projekt durchzuführen.
Umso schöner schien uns der Gedanke, im Rahmen der Neueröffnung die der Ausführung des Freskos vorangehende Skizze zu präsentieren. Mittels dieses Modells hatte ja der Maler einst seine Bildidee konkretisiert und sie dem kurfürstlichen Auftraggeber zur Genehmigung präsentiert.
Allerdings ist es vom Wunsch zur Durchführung nicht nur im privaten, sondern auch im musealen Alltag ein meist steiniger, auf jeden Fall längerer Weg. Dass Albrechts Ölskizze existierte und im sich im Besitz der Schlösserverwaltung befand, war bekannt – nur wo war sie?
Im lästigen Unterschied zum wandfesten Fresko haben Gemälde auf Holz oder Leinwand im handlichen Format die Tendenz, ein reges Wanderleben zu entwickeln, wenn sie nicht einen durch Tradition und geschichtliche Überlieferung fest verbürgten Präsentationsort besitzen. Auch unsere kleine Skizze, die nicht zum ursprünglichen Bestand des Residenzmuseums gehört und auch noch nicht dort ausgestellt gewesen war, gehörte zu diesen Nomaden. In so einem Fall heißt es also Inventare wälzen und Bestände sichten. Meist stößt man bei der Suche nach einem Objekt auf mindesten drei andere, die es auch wert wären, genauer erforscht, endlich ausgestellt oder dringend restauriert zu werden… Erst nach einigen Tagen, allerlei Recherchen, gefühlten tausend Telefonaten und mehreren Depotbesuchen können wir das Gemälde dank der tätigen Unterstützung der Depotwarte im Nymphenburger Schloss aufspüren. Diskret verpackt wartet es in einem Stapel anderer Gemälde geduldig auf seine Entdeckung.
Doch nun geht es ja eigentlich erst los: Nach über 300 Jahren ist das Bild natürlich nicht mehr im allerbesten Zustand: Der gelbe Schleier aus altem Firnis, der über der Darstellung liegt, gibt dem Ganzen zwar eine angemessen altehrwürdige Patina – den Eindruck der Malerei verfälscht er dennoch. Im Laufe seiner Geschichte ist das Format des Gemäldes zudem – vielleicht mehrfach – verändert worden. Und der neuzeitliche Rahmen, der es umschließt, geht nicht nur in Trümmer, sondern ist auch ohne das selten hässlich.
All das muss jetzt in geduldiger Handarbeit in Werkstätten der Restauratoren gebessert werden, bevor im Oktober die ganze Bildszene in neuem Glanz erstrahlen kann – übrigens: Was für eine Szene ist das überhaupt? Momentan erkennt man vor allem ein Gewimmel spärlich bekleideter Figuren, die sich auf Wolken tummeln…
Inwieweit an den Decken der Residenz wie im Englischen Garten dem Freikörperkult gehuldigt wird, oder sich noch tiefergehende Sinnschichten hinter dem gedunkelten Firnis verbergen, klären wir gemeinsam im nächsten Beitrag.
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