Residenz München

Heiße Bilder – enkaustische Malereien in der Residenz

Residenz München_Nibelungensäle_Saal des Verrats_DI010548

Man merkt es schon an den derzeit seltenen Blogbeiträgen – wir haben in diesen Wochen viel zu tun: Hinter der seriösen Fassade des klassizistischen Königsbaus der Residenz herrscht weitgehend unsichtbarer, aber nichtsdestotrotz turbulenter Betrieb. Während auf der einen Seite Bestandteile künftiger Vitrinen in neue Sammlungsräume hineingetragen werden, kommen auf der anderen die lange Jahre deponierten Exponate an, um sorgsam jeweils in ihrem neuen gläsernen Zuhause aufgestellt zu werden. Und auch die mittlerweile ein knappes Jahrzehnt eingehausten Möbel, die die einstigen Wohnräume von König Ludwig I. und seiner Gemahlin Therese schmück(t)en, werden nach und nach ausgepackt und wieder vor die bemalten Wände des herrschaftlichen Appartements im ersten Stock mit Blick auf den darunter liegenden Max-Joseph-Platz geschoben und gestellt.

 

Residenz Königsbau

Fast schon wieder bereit, Besucher zu empfangen – Blick durch die herrschaftlichen Wohngemächer des Münchner Königsbaus

Diese mit Szenen aus griechischer und deutscher Literatur von Homer bis Goethe geschmückten Mauern haben dem Architekten des Köngsbaus – Leo von Klenze – seinerzeit nicht wenig Kopfzerbrechen bereitet. Schließlich hatte der Bauherr, Ludwig I., ebenso ambitionierter wie eigensinniger Bauherr mit gut ausgebildeten royalen Allüren, die Direktive ausgegeben, die Wände seiner neuen Wohngemächer nicht mit den üblichen edlen Stoffen zu bedecken, sondern dem Vorbild italienischer Renaissance-Paläste folgend möglichst komplett auszumalen.

 

 

Schreibkabinett Königin Residenz Königsbau

Wandmalereien im Schreibkabinett der Königin mit Szenen aus Schillers Balladen

So originell (und insofern für einen ambitionierten Architekten eigentlich reizvoll) diese gestalterische Grundsatzentscheidung auch sein mochte, sie stellte Klenze als den verantwortlichen Bauleiter doch vor ein ziemliches Problem: Schließlich war München nur gefühlt die nördlichste Stadt Italiens, klimatisch gesehen war es einfach nur eine nördliche Stadt – sprich: Wandmalereien hatten wenig Aussicht, den feuchtkalten bayerischen Wintern lange standzuhalten.

 

Residenz Königsbau Nibelungen

Mit Bildszenen zu patriotisch aufgeladenen Stoffen wie dem mittelalterlichen Nibelungenlied hoffte Ludwig, die Betrachter emotional zu packen….

Trotzdem musste eine Lösung her, denn Ludwig plante, den monumentalen Bildschmuck zu einem zentralen Element seiner ambitionierten Kunstpolitik zu machen. Die zielte nicht zuletzt darauf ab, mit großformatigen, ebenso erhebenden wie belehrenden Bildzyklen in Palästen, Kirchen, Museumsbauten sowie an öffentlichen Plätzen seine Bayern zu Patrioten und loyalen Untertanen des Hauses Wittelsbach zu erziehen. Mächtige gemalte Herrschergestalten, deren autoritätsheischenden Gestalten von der Wand abbröckelten, waren da natürlich kontraproduktiv…

Zwei Techniken der Wandmalerei standen Klenze und den beauftragten Malern theoretisch zur Verfügung – das Fresko und die Enkaustik. Bei ersteren wird mit mineralischen Farbpigmenten auf feuchten Putz gemalt.

Nibelungensäle Residenz München

Detail aus einem Fresko der Nibelungensäle: Gut erkennt man im Streiflicht die in den feuchten Putz eingeritzte Vorzeichnung

Beim Trocknen gehen die Farben mit dem Wandüberzug eine unlösbare chemische Verbindung ein. Ein technisch gut ausgeführtes Fresko ist letztlich nur zusammen mit dem Wandputz wieder zu entfernen. Um eins anzufertigen muss man jedoch schnell und seiner künstlerischen Mittel sicher sein, um in dem kurzen Zeitfenster, das zur Verfügung steht, bevor der Putz aushärtet, die gewünschten Ergebnisse zu erreichen. Zudem steht nur eine beschränkte Farbpalette zur Verfügung – tiefe, lasierende Töne, wie die Ölmalerei sie kennt, sind im Fresko nicht zu verwirklichen. Für die verwöhnten Augen des 19. Jahrhunderts waren das massive Nachteile, so dass die sogenannte Enkaustik, die aus der Antike überlieferte Malerei mit eingebrannten, wachshaltigen Farben, an Interesse gewann: Aufgefundene Überreste dieser Malerei entzückten seit ihrer Entdeckung in den Ruinen Roms und Pompejis die Altertumswissenschaftler des 18. und 19. Jahrhunderts. Besonders erstaunte der charakteristische matte Glanz der jahrtausendealten Wandbilder, zusammen mit der unverblichenen Farbigkeit der gemalten Arabesken und mythologischen Szenen.

Residenz München Königsbau

Im Salon der Königin versuchte Klenze sich an einer Erneuerung pompeijanischer Dekorationsmalereien

Das Versprechen langer Dauer zusammen mit dem historischen Bezug zur Antike empfahlen das Verfahren gleichermaßen für die künstlerische Ausgestaltung des Königsbaus, dem Klenze im Inneren gern die Anmutung eines altgriechischen Palastes oder der Wohnstätte eines römischen Imperators geben wollte: Nachdem er seine Küntlerkonkurrenten bei Ludwig I. mit einer Vielzahl von Argumenten und der einen oder anderen geschickt platzierten Intrige schachmatt gesetzt hatte, entwarf Klenze nahezu im Alleingang das übergreifende dekorative System der gemalten Wandgestaltung. Dabei orientierte er sich in freier Abwandlung am antiken Groteskenstil, wie er in Pompeji oder Herculaneum prominent vertreten war. 1824 reisten dann zunächst Klenze, etwas später (1830/31) die mit der eigentlichen Ausmalung der Königwohnung beauftragten Maler Hiltensperger, Streidel und Anschütz nach Neapel, um die Farbsysteme der pompejanischen Malerei und Proben moderner Enkaustik zu studieren. Erste Versuche in der neuen Technik verliefen noch wenig erfolgversprechend. Schließlich präsentierte Klenze eine angeblich selbst entwickelte Methode. In Wirklichkeit war sie wohl dem Chemiker und Maler Franz Xaver Fernbach (1793-1851) abgeschaut, der ursprünglich an der Ausmalung des Königsbaus beteiligt werden sollte, dann aber von dem ehrgeizigen Architekten aus dem Projekt herausgedrängt wurde.

Saal Kaiser Karl Residenz München

Blick in den Saal „Kaiser Karls des Großen“ in der Residenz (1944 zerstört)

Klenze und der Maler Julius Schnorr von Carolsfeld haben in ihren Schriften im Detail leicht variierende Anwendungen der neuen (Fernbach’schen) Enkaustik beschrieben – Schnorr im Zusammenhang mit einer eher ungeliebten Aufgabe: Ludwig hatte ihm die Ausmalung der drei Kaisersäle im Festsaalbau der Residenz aufgedrängt, deren riesige Wandgemälde in der neuen – alten – Technik durchgeführt werden sollten. Auf die gut durchgetrocknete Wand wurde zunächst der eigentliche, bereits farbig eingetönte Bildgrund auf- und eingeschmolzen. Darauf konnten die Motive mit den angemischten Pigmenten, die in ihren Eigenschaften Ölfarben ähnelten, gemalt werden. Anschließend überzog man das Bild mit einem mehrschichtigen, wachshaltigen Firnis, der seinerseits eingeschmolzen und dann wiederholt poliert wurde.

Die Ausschmückung der neuen Residenzflügel bedeuteten mithin einen hohen Aufwand – und auch eine kunsttechnische Innovation des 19. Jahrhunderts. Und so stellt sich die Frage, was bleibt von diesen für eine Ewigkeit berechneten Malereien? Schnorrs enkaustische Wandbilder im Festsaalbau sind im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs untergegangen und heute nur noch auf Basis von wenigen Schwarz-Weiß-Fotografien zu beurteilen.

Salon de Service Königsbau München

Detail aus dem Salon de Service in den Räumen der Königin („Lied vom braven Mann“).

Erhalten haben sich jedoch, wenn auch schwer beschädigt und in der Folge umfassend restauriert, größere Teile der Wandmalereien in den Wohngemächern des Königsbaus, namentlich in den Räumen der Königin: Tatsächlich zeigen sie den charakteristischen Glanz und den pastosen Pinselstrich antiker Wachsmalerei. Wie nah oder fern Wunsch und Wirklichkeit bei den seinerzeitigen Versuchen, antike Maltechniken in der königlich-bayerischen Residenz wiederzubeleben beieinanderlagen, erwies allerdings die 1964 durchgeführte chemische Analyse dieser Wandgemälde:

 

Salon de Service Königin Königsbau

Blick in den Salon de Service der Königin mit Szenen aus Bürgers Balladen

Sie offenbarten, dass im Königsbau doch noch keine echte Enkaustik, sondern eine im optischen Effekt ähnliche Mischtechnik aus Harz- und Temperamalerei zum Einsatz kam….