Wie Neuschwanstein, so gehört auch das Neue Schloss Herrenchiemsee zu den großen Bauprojekten von König Ludwig II. Am 21. Mai vor 140 Jahren wurde der Grundstein für dieses Juwel einzigartiger Baukunst gelegt. Seit 1878 ließ Ludwig II. auf der Herreninsel ein Abbild des Schlosses Versailles als „Tempel des Ruhmes“ für den „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. von Frankreich errichten.
Zwischen Ruheoase und französischem Flair
Die größte Insel des Chiemsees bot ab 1130 genügend Ruhe, Platz und Abgeschiedenheit für das Benediktinerkloster, das wenig später zum Stift der Augustiner-Chorherren gehörte – daher auch der geläufige Name Herreninsel. Passenderweise beherbergte die benachbarte Insel ein Frauenkloster und so war auch dafür schnell der passende Name gefunden – Fraueninsel. Durch archäologische Ausgrabungen kamen auf dem heutigen Klosterareal Reste eines Gevierts eines Holzbaus zu Tage, die um 640 datiert werden. Diesem liegt wahrscheinlich die Bildung des späteren Klosterordens zugrunde und damit zeugen die Überreste von der ältesten Keimzelle eines Klosters auf bayerischem Boden. Doch wie kam es dazu, dass die Insel in die bauwütigen und kreativen Hände von König Ludwig II. fiel?
Mit der Säkularisation in Bayern in den Jahren 1802/3 ging die Insel in den nächsten Jahrzehnten durch mehrere Hände. 1871 kaufte eine in Württemberg ansässige Holzverwertungsgesellschaft die Insel Herrenchiemsee und strebte eine Abholzung des kompletten Baumbestandes an. Das stieß bei der Bevölkerung auf Ablehnung und fanden in der regionalen Presse heftigen Widerspruch. “Schließen Sie den Kauf sofort ab, das Gelände scheint entsprechend zu sein. Ludwig.” Mit diesem Telegramm vom 4. September 1873 an den Hofrat Lorenz von Düffling war sowohl die Inseln in guten Händen als auch der ideale Platz für den Bau seiner eigenen Version von Versailles gefunden.
Vom Zitat zum eigenen Stil
Lange vor der Erwerbung der Herreninsel im September 1873 hatte König Ludwig II. die Errichtung einer Schlossanlage nach dem Vorbild von Versailles mit der Absicht der Verherrlichung des absolutistischen Königtums geplant. Der Verwirklichung gingen insgesamt 13 Planungsphasen voraus und als Standort war damals das Graswangtal bei Linderhof vorgesehen.
Die frühen Projektpläne sahen nur die Versailler Kernräume vor, die für das Staatszeremoniell des Sonnenkönigs konstitutiv waren: das Paradeschlafzimmer mit Blick auf den Hof und die Spiegelgalerie mit dahinter flankierenden Kriegs- und Spiegelsaal. 1878 wurde mit dem Bau nach Plänen von Georg Dollmann begonnen, die keine einfache Kopie von Versailles vorsahen, sondern nur typische Teile zitieren sollten: Hauptfassade, Gesandtentreppe und die Staatsgemächer Ludwigs XIV. Die Gesandentreppe wurde in Versailles schon 1752 abgerissen und anhand von Stichen rekonstruiert und in beiden Schlossflügeln symmetrisch angebracht.
Insgesamt erhielt das Schloss einen eigen Stil im Auf- und Ausbau. Grund dafür waren mitunter die verschiedenen Architekten währende der Bauphasen. Während der Grundsteinlegung zum Neuen Schloss Herrenchiemsee war Georg Dollmann der planende Architekt, am 16. Oktober 1884 trat Julius Hofmann an dessen Stelle.
Was jedem Kenner der leeren Räume in Versailles besonders auffällt, ist die vollständige Ausstattung des Neuen Schlosses Herrenchiemsee mit Möbeln. In Versailles sind diese weitgehend in der Französischen Revolution abhanden gekommen. Die gesamte Ausstattung von Herrenchiemsee – wie Vorhänge, Möbel, Porzellane, vergoldete Bronzen, Uhren oder Textilien – ist eine Neuschöpfung seiner Architekten und Münchner Firmen.
Die Bauarbeiten am Neuen Schloss Herrenchiemsee kamen aufgrund der Finanzierungsschwierigkeiten ab 1886 nahezu vollständig zum Erliegen, zu jener Zeit war erst der dreiflügelige Hauptbau vollendet. Der frühe Tod Ludwigs II. im Sommer 1886 verhinderte, dass er den mit enormem Aufwand errichteten Palast dauerhaft nutzen konnte. Erst nach der Fertigstellung seiner privaten Wohnräume hielt er sich dort für wenige Tage auf.
Die Insel als Hotspot nach dem Märchenkönig
Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der Monarchie ging die Herreninsel und Besitz an den Freistaat Bayern über – heute vertreten durch die Bayerische Schlösserverwaltung. Drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg war die Herreninsel Schauplatz für eine entscheidende Station auf dem Weg zur Entstehung der Bundesrepublik Deutschland. In den ehemaligen Klostergebäuden tagte vom 10. bis 24. August 1948 der Herrenchiemseer Verfassungskonvent zur Beratung der künftigen deutschen Bundesverfassung und des Grundgesetzes.
Was gibts heute für Euch zu sehen?
Das König Ludwig II.-Museum widmet sich den Lebensstationen Ludwigs II. von der Geburt bis zum frühen tragischen Tod anhand von gemalten Porträts, Büsten, historischen Fotografien und originalen Prunkgewändern. Als Mäzen des Komponisten Richard Wagner ging der König in die Musikgeschichte ein. Zu diesem Thema sind Porträts, schriftliche Dokumente sowie Theater- und Bühnenbildmodelle ausgestellt. Die Königsschlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee sind ebenso dokumentiert wie die anderen Bauprojekte Ludwigs II. Originale Prunkmöbel aus dem zerstörten königlichen Appartement der Münchner Residenz oder aus dem ersten Schlafzimmer von Schloss Linderhof sind Höhepunkte des Museums.
Die Insel eignet sich hervorragend für einen ausgiebigen Spaziergang und das ehemalige Herren-Chorherrenstift beherbergt heute ein Museum, das sich der Bayerischen Geschichte widmet. Zudem könnt Ihr Euch die ehemaligen Wohnräume Ludwigs II. mit ihrer vollständigen historischen Einrichtung anschauen, die er während der Bauphase des Neuen Schlosses bewohnte. Im Prälaturstock findet Ihr die Gemäldegalerie Julius Exter mit rund 100 Bildern aus allen Schaffensperioden des Künstlers.
Aktuell findet in einem unvollendeten Gebäudeflügel im Neuen Schloss Herrenchiemsee die Sommerausstellungen KÖNIGSKLASSE IV mit Hauptwerken der Pinakothek der Moderne in München und eigens für diese Räumlichkeiten entwickelten Arbeiten statt. Gegenwart trifft auf Geschichte, zeitgenössische Kunst auf Ludwigs Vision von uneingeschränkter Schönheit. Die Ausstellung läuft vom 19. Mai 2018 bis 3. Oktober 2019, täglich von 9-18 Uhr. Während der Wintermonate (4. Oktober 2018 bis Mitte Mai 2019) ist die Ausstellung geschlossen.
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