Seit wenigen Tagen ist es wieder zu besichtigen, das Arbeitszimmer der Königin Caroline in Schloss Nymphenburg. Nach sorgfältiger Restaurierung und der höchst aufwendigen Rekonstruktion seiner textilen Ausstattung ist es ein neues Highlight im Rundgang durch das Schloss geworden. Mit der Wiederherstellung der authentischen Raumatmosphäre gelang geradezu ein Meisterstück der Denkmalpflege.
Bayern wird Königreich – Napoleonischer Empirestil hält Einzug in Nymphenburg
Die badische Prinzessin Caroline (1776-1841) hatte 1797 den verwitweten Wittelsbacher Max Joseph (1756-1825) geheiratet, war mit ihm zwei Jahre später als Kurfürstin in München eingezogen und wurde 1806 die erste bayerische Königin. Die Erhebung Bayerns zum Königreich durch Napoleon war auch der Anlass für die Neugestaltung der königlichen Appartements in Schloss Nymphenburg.
Die Ausstattung der Räume mit Mobiliar, Dekorationsstücken und Textilien prägte der vom Hof Napoleons ausstrahlende französische Empirestil. Carolines Arbeitszimmer als ihr persönlicher Aufenthalts- und Empfangsraum war – wie jetzt wieder unmittelbar anschaulich – von besonderem Charme und nobler Gestaltung. Während die Innendekoration und Einrichtung des Raums authentisch erhalten blieb, war die zugehörige textile Ausstattung verloren.
1959/60 hatte der Raum als Ersatz eine recht schlichte grüne Wandbespannung samt Vorhängen erhalten, die so gar nichts mit dem ursprünglichen Erscheinungsbild dieses Raums zu tun hatte. Die Wiederherstellung der den Raum einst prägenden, exquisiten textilen Ausgestaltung war deshalb das erklärte Ziel.
Kriminalistische Spurensuche
Der Weg dahin gestaltete sich spannend wie ein Krimi, denn das Wissen um das ursprüngliche Aussehen war zunächst lückenhaft. Historische Einrichtungsinventare nennen zwar den blauen Damast mit orange/gelben Bordüren als Bespannung der Wände, doch wie hatte man sich das Muster des Damasts oder den Blauton genau vorzustellen? Weder historische Raumansichten noch Fotos des Zimmers waren bekannt. Recherchen förderten schließlich in einem Bildarchiv doch zwei Schwarzweißfotos aus dem frühen 20. Jahrhundert zutage, die – wenn auch ohne Farbe – den ursprünglichen Zustand zeigten.
Mittels dieser Schlüsseldokumente ließen sich im Fundus der Tapeziererwerkstatt der Schlösserverwaltung Fragmente der Originalausstattung aufspüren – verblichene Reste der abgenommenen Bordüren, einige Stengelfransen der Vorhangdraperien. Beim Scrollen durch die unendliche Fülle historischer Stoffmuster gelang schließlich ein weiterer Treffer. In einem externen Textilarchiv fanden sich – ein seltener Glücksfall – völlig unberührte Originalmuster des Damasts und der Bordüren in der originalen Farbigkeit.
Mosaikstein zu Mosaikstein hatte sich zusammengefügt und so gelang es in seltener Weise, die gesamte textile Ausstattung des Raums zu rekonstruieren und in der Folge nahezu fadengetreu wiederherzustellen. Von der Idee bis zur Ausführung wirkten Museumskuratorin, Baureferent und das Restaurierungszentrum der Bayerischen Schlösserverwaltung mit Bauamt und externen Spezialisten kreativ zusammen. Die Nachwebung der Stoffe von Bespannung und Bordüren erfolgte 2020 in einer Weberei in Oberitalien. Eigens dafür wurden moderne Webstühle auf die historische Fadendichte umgerüstet.
Sonnenblumen in Blau für die bayerische Königin
Der blaue Seidendamast mit dem ungewöhnlichen Sonnenblumenmuster und die zugehörigen orange/gelben Bordüren waren ursprünglich um 1808 in Lyon in der renommierten Seidenmanufaktur Camille Pernon gewebt worden. Die damals führende Manufaktur belieferte traditionell die Höfe Europas und wurde nun von Napoleon gefördert, der – einst Revolutionär, nun Kaiser der Franzosen – selbst seine Schlösser mit Seidenstoffen prächtig ausstatten ließ. Und so ist auch der Damast mit Sonnenblumen zuerst für Napoleon entworfen worden, allerdings in einem Braunton, der ihm nicht gefiel, wie überliefert ist. Die bayerische Königin Caroline entschied sich hingegen – wie könnte es anders sein – für ein leuchtendes Blau. Dazu gab und gibt es nun wieder die extravaganten Fensterdekorationen aus Seidentaft mit jeweils einem weißen und einem blauen Vorhangschal mit brauner Draperie und reichem Zierrat. Allein die originalgetreu rekonstruierten, um einen gedrechselten Holzkern mit Seide umsponnenen Stengelfransen der Draperie sind jede für sich ein kleines Kunstwerk.
Möblierung nach der Ägyptenmode
Nicht nur die Stoffe, auch die Möbel und Dekorationsstücke sind dem Napoleonischen Empirestil verpflichtet. So prunkt der Pariser Rundtisch in der Raummitte mit Pharaonenköpfen aus vergoldeter Bronze.
Ägyptische Könige als Tischstützen?
Das mag verwundern. Doch solche ägyptischen Motive waren in Folge der Ägypten-Expedition Napoleons im höfischen Kunsthandwerk geradezu en vogue. Gut möglich, dass dieses singuläre Möbel ein Geschenk des Kaisers an das bayerische Königspaar zur neuen Königswürde war. Jedenfalls scheint dieser Tisch die weitere Ausstattung des Zimmers inspiriert zu haben: Ägyptisierende Königinnen zieren die Sitzmöbel ebenso wie den Zeichentisch Carolines, Sphingen tragen Leuchter oder fungieren als Kaminböcke und selbst der aus Paris bezogene Bronzelüster zeigt solche Motive.
Besonderheiten der Innendekoration
Zuletzt sei noch auf zwei schöne Details der Dekoration verwiesen, die nach der Restaurierung des Raums wieder zum Tragen gekommen sind: Die rote, Stein imitierende Fassung der Sockelleiste, die wieder freigelegt wurde, und die versilberten, mit vergoldeten Ornamenten besetzten Spiegelrahmen, deren fleckiges, zum Teil verschwärztes Erscheinungsbild eine besondere Herausforderung für die Restauratorinnen und Restauratoren war. Dass die rekonstruierten Stoffe und die historisch gealterte Erscheinung der Oberflächen nun so stimmig zueinander passen, zeigt besonders schön das Gelingen dieser komplexen Maßnahme.
Das Arbeitszimmer der Königin ist nun wieder ein würdiges Zeugnis der frühen bayerischen Königszeit und auch des persönlichen Geschmacks der bayerischen Königin. Trotz erklärter Abneigung gegenüber Napoleon („dieser erbärmliche Bonaparte“) entzog sie sich nicht der französischen Mode.