Hinter den Kulissen, Residenz München

Zurück am Platz: Arnulf der Böse und Otto von Scheyern geben sich (wieder) die Ehre

Auch wenn die Residenz und ihre Geschichte nicht gerade als Terra incognita der historischen und- Kunstgeschichtsforschung gelten muss, ist unser geliebter Kasten doch stets noch für eine Überraschung gut. So vor einigen Jahren, als sich zwei zusammengerollte und mehr oder minder im Depotwinkel vergessene Leinwandrollen als die letzten Überreste der einstigen malerischen Ausstattung der frühbarocken Sommerwohnung Maximilians I. entpuppten.

neu an alter Stelle: Zwei Lünettengemälde der Candid-Werkstatt mit Bildnissen mittelalterlicher Bayernherzöge

neu an alter Stelle: Zwei Lünettengemälde der Candid-Werkstatt mit Bildnissen mittelalterlicher Bayernherzöge

Die entsprechende Raumflucht erstreckte sich im 17. Jahrhundert zunächst entlang des Grottenhofs, die bis heute vorhandenen Reste wurden nach Umbauten ab dem 18. Jahrhundert als Silberkammer, nach dem Krieg für die Ausstellung liturgischer Gewänder genutzt. Der wandfeste Bilderschmuck hingegen galt mit einer Ausnahme spätestens seit dem Krieg als verschollen – bis die beiden halbrunden Herrscherbildnisse aus dem frühen 17. Jahrhundert wieder auftauchten.

vorher...

vorher…

 

...nachher

…nachher

Mehrere Jahre und viele hundert Arbeitsstunden in der … Restauratorenwerkstatt hat es gebraucht, um die wirklich stark beschädigten „Überlebenden“ wieder in einen präsentablen Zustand zurückzuversetzen. Aber schließlich ist es doch gelungen, und seit ein paar Wochen blicken in dem prachtvoll stuckierten Raum hinter der Ahnengalerie wieder die mittelalterlichen Herzöge Arnulf und Otto, Vorläufer des ersten waschechten Wittelsbachers auf dem bayerischen Thron, huldvoll aus dem Gewölbe auf die Besucher herab. Der eine weist mit frommen Augenaufschlag auf das Modell der ersten herzoglichen Grablege, das Kloster Scheyern, der andere sitzt bis an die Zähne bewaffnet auf seinem Gesims – die Frage, welcher wohl der von den kirchlichen Historikern als „böse“ bezeichnete Arnulf sein soll, fällt da auch ohne Beschriftung relativ leicht!

Wie sich die Neupräsentation nun schön gleichmäßig ausgeleuchtet und annähernd selbstverständlich dem vielleicht nur flüchtigen Blick des Betrachters zeigt, ist sie das Ergebnis harter Arbeit: Der jeweils ursprüngliche Erhaltungszustand der beiden Leinwände lässt sich noch jetzt am unterschiedlich weit vorangetriebenen Restaurierungsaufwand der beiden Bilder ablesen: Während von der Ölmalerei des „Arnulf“ mit ihren geschichteten Lasuren noch relativ viel erhalten war, so dass mit Sorgfalt und einem abschließenden Firnisüberzug wunderbare Details wie der prachtvoll spiegelnde Helm mit seinem Innenfutter und der ziselierte Degengriff wieder zum Vorschein kommen, ist bei „Otto“ in großen Teilen letztlich nur noch die stumpfe Untermalung geblieben.

Detail Helm 1

Detail Helm 2

Doch auch hier ist nun vieles wieder ablesbar: Die Hintergrundarchitektur etwa, die die Fassaden des Brunnenhofs aus dem 17. Jh. zu zeigen scheint, und vor allem das prächtige, perspektivisch verkürzte Architekturmodell, das sich mit topographischen Ansichten des Klosters Scheyern auf barocken Kupferstichen auf Übereinstimmungen überprüfen lässt. Faszinierend ist auch zu beobachten, wie Peter Candid und die Maler seiner Werkstatt, die die Gemälde wohl um 1605 schufen, die spätere Platzierung in einer Höhe von ca. sechs Metern vorausplanten und die Sitzfiguren der beiden Herzöge in starker Untersicht anlegten, deren perspektivische Überzeichnungen sich in der berechneten Distanz optisch korrigieren.

Herzog Otto mit dem Modell des Klosters Scheyern

Herzog Otto mit dem Modell des Klosters Scheyern

Aber auch die zwei Herren an ihrem neuen alten Ort zu hieven, ist eine Kunst und nicht das Werk weniger Minuten: die beiden Leinwände, über deren einstige Fixierung nichts bekannt ist, wurden noch in der Werkstatt auf eigens konstruierte, möglichst leichte Stützrahmen im Halbrund aufgespannt. Der Aufbau eines mobilen Gerüsts, das den Besucherstrom möglichst wenig beeinträchtigt, und die Reinigung der Lünettenfelder gehen der Montage voran. Nach dem Setzen der Halterung sind schließlich sieben Helfer am Boden und auf den verschiedenen Etagen des Gerüsts beschäftigt, die beiden – dann doch verdammt schweren, im „Ausgleich“ dafür aber sehr empfindlichen – Rundbilder in dem knappen Zwischenraum zwischen Wand und Gerüst in die Höhe und auf die eingedübelten Halterungen zu befördern.

Eine Hand für's Foto muss natürlich auch immer frei bleiben...

Eine Hand für’s Foto muss natürlich auch immer frei bleiben…

Arnulf und Otto ist die Reise allem Augenschein nach gut bekommen, die sie nach so vielen Jahrzehnten schließlich wieder an ihren in den alten Inventaren verzeichneten Herrschersitz in luftiger Höhe geführt hat: „beyde diese Stück seynd dahin dienlich, um die Bögen oben an den Gewölbern damit auszufüllen“ (Eintrag von 1770). Uns hat der Transport auch gefallen: Wir freuen uns an unseren neuen gemalten Mitbewohnern!