Die Residenz Ellingen – unsere Perle des fränkischen Barocks – wird heuer 300 Jahre alt. Aufgrund der aktuellen Lage kann die Bayerische Schlösserverwaltung leider nicht wie gewohnt zur gemeinsamen Feier laden. Die gebührende Aufmerksamkeit bekommt das Barockschloss daher in Form einer umfangreichen Blogreihe. Und wir beginnen mit der Frage: Warum eigentlich Ellingen?
Am Südzipfel Mittelfrankens, dort, wo das Fränkische Seenland und der Naturpark Altmühltal in malerischer Abgeschiedenheit zusammentreffen, liegt Ellingen. Die Stadt zählt heute knapp 4.000 Einwohner – und einen ausladenden Residenzbau. Das Massenverhältnis von Schloss und Stadt mag erstaunen. Wie kommt ein barocker Palast an diesen unwahrscheinlichen Ort?
Vom Hospital zum Renaissanceschloss
Die Entstehungsgeschichte des Residenzsitzes Ellingen (die Stadt wird erstmals 899 urkundlich erwähnt) reicht bis in die 1180er-Jahre zurück. In diesem Zeitraum gründen Walter und Kunigunde von Ellingen ein Hospital, das als Lehen an Kaiser Friedrich I. Barbarossa übergeben wird. 1216 – drei römisch-deutsche Kaiser und einen König später – kommt es zum entscheidenden politischen Zug: Friedrich II. überträgt das Spital dem Deutschen Orden.
In diesem, seit 1198 bestehenden, geistlichen Ritterorden schließen sich Gleichgesinnte zur Umsetzung religiöser und karitativer Aufgaben zusammen. Die Initialzündung für den Zusammenschluss solcher Ordensgemeinschaften bilden die Kreuzzüge und das Bestreben der Ordensmitglieder, die Kreuzritter mit Geleit und Pflege in deren Mission zu unterstützten. Demnach geht der Deutsche Orden auf eine Hospitalsgemeinschaft zurück, die acht Jahre zuvor bei Akkon, im heutigen Israel, zu eben jenem Zweck gegründet wird.
Das Ausbreitungsgebiet des Ordens gliedert sich in einzelne Verwaltungsbezirke, sogenannte Balleien. Ursprünglich bestand der Deutsche Orden aus 13 Balleien, die wiederum mehrere Kommenden fassten. Die Ballei Franken, mit ihrem zentralen Sitz in der Landkommende Ellingen (ab 1378), ist für rund 550 Jahre die größte, reichste und politisch bedeutendste Ballei des Deutschen Ordens innerhalb des Heiligen Römischen Reiches. Der Weg Ellingens an diese Spitzenposition ist ein langer, voller komplexer politischer Verkettungen. Aufschlussreich ist, dass viele Ellinger Komture – die leitenden Ordensritter der Kommende – später Landkomture der Ballei Franken werden.
Ein fürstlicher Deutschordensritter?
Zwar erwirkt der Orden mit der Erhebung der Residenz Ellingen zur Landkommende die Einfriedung des Dorfes (d. h. Ellingen wird mit einer Mauer umgeben) und die Errichtung einer mittelalterlichen Burganlage, gleichwohl fordern die Reformationskriege harte personelle und territoriale Opfer: 1552 wird der Standort Ellingen von Glaubensgegnern niedergebrannt. Doch die Ordensritter sind unbeirrbar und widmen sich direkt dem Wiederaufbau. So entsteht ein Renaissancebau, welcher der heutigen Barockarchitektur im Grundriss nicht unähnlich ist.
Der repräsentative Charakter des neuen Ordenssitzes geht auf ein sich über die Jahrhunderte wandelndes Selbstverständnis der Komture zurück. Mit wachsendem politischen Einfluss begreifen und inszenieren sie sich zunehmend als weltliche Fürsten. Diese Tatsache begünstigt die folgenden Entwicklungen:
Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird Ellingen erneut schwer getroffen; das Schloss ist zwischenzeitlich unbewohnbar. Und wieder ist es der absolutistisch geprägte Repräsentationswille der wenigen verbliebenen Ordensmitglieder, der schließlich zu neuen Bauplänen führt. Unter den Landkomturen Philipp Benedikt Forstmeister von Gelnhausen und Karl Heinrich Freiherr von Hornstein entsteht bis 1720 der Rohbau zu jener barocken Schlossanlage, die noch heute das kleine Ellingen überragt. Das 300-jährige Jubiläum 2020 geht auf diesen historischen Moment zurück.
Das Ende einer Ordens-Ära
Doch was für die schönste Blüte gilt, erweist sich auch für diese Glanzzeit des Deutschen Ordens in Ellingen als unumgänglich – sie vergeht. 1789 wird der Hauptsitz vollständig nach Mergentheim (im heutigen Baden-Württemberg) verlegt und die Residenz Ellingen 1815 an den bayerischen Feldmarschall Carl Philipp Fürst von Wrede (der als Bronzestandbild in der Feldherrnhalle in München verewigt ist) übergeben. Seine Nachkommen verkaufen 1939 das Hauptgebäude, die Kirche, die Reithalle und den Park an das Land Bayern. Allein die umliegenden Wirtschaftsgebäude sind bis heute in Familienbesitz der von Wrede.
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