Geheimnisse

Fürstlich Tafeln beim Ansbacher Markgrafen: Ein neu angekaufter Tafelaufsatz aus Ansbacher Porzellan

Residenz Ansbach Surtout Engel

Was gibt es Schöneres, als an Weihnachten an einer festlich gedeckten Tafel, gemeinsam mit seinen Liebsten, aufs Christkind oder den Weihnachtsmann zu warten? Sicherlich habt ihr dafür das gute Geschirr herausgeholt, vielleicht auch das Tafelsilber auf Hochglanz gebracht. Auch in der Residenz Ansbach pflegte die Markgräfliche Familie das feierliche Tafeln. Unter Markgraf Alexander, Begründer der Ansbach-Bruckberger Porzellan-Manufaktur, kam gerne das weiße Gold aus der eigenen Manufaktur auf die Tafel. Aus Archivalien wissen wir, dass es in der Residenz Ansbach umfangreiche Bestände aus dortiger Produktion gab. Prunkstücke der Ansbacher Manufaktur waren aufwendige Tafelaufsätze wie dieses mehrteilige Kunstwerk.

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Tafelaufsatz, Manufaktur Ansbach-Bruckberg, um 1765, staffiert mit polychromen Malereien sowie monochromen Camaieu-Malereien, reiche Goldstaffierung, Maße H. 50 cm, L. 50 cm, Br. 35 cm, Inv. Nr. AnsRes.K1341. Foto: BSV

Zwei Interessen des Markgrafen – seine Liebe zur Musik und zum Porzellan – verbinden sich bei diesem Objekt, dessen Postament von Musikern geziert ist, auf das Schönste. Auf der fürstlichen Tafel darf man sich den Aufsatz als Höhepunkt einer umfangreichen Tischdekoration im Kerzenlicht schimmernd vorstellen, mit wertvollen exotischen Früchten im Obstkörbchen und teuren Gewürzen in den Gefäßen auf dem Tablett. Musiker begleiteten das Tafeln. Die Dekoration und die künstlerische Raffinesse, auf die meine Kollegin Dr. Friederike Ulrichs in ihrem zum Jahreswechsel erscheinenden Beitrag eingehen wird, mag Anstoß für das ein oder andere Tischgespräch gewesen sein.

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Detail des Tafelaufsatzes: Musiker an der Stütze. Foto: BSV

Im Lauf der Geschichte sind die hochrangigen Tafelaufsätze der Residenz Ansbach abhandengekommen. Ein großes Glück ist es daher, wenn es nun gelang, ein solches Objekt anzukaufen, das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einst zum Bestand der Residenz Ansbach gehörte. Als der oben gezeigte Tafelaufsatz die Bayerische Schlösserverwaltung kurz vor dem letzten Weihnachtsfest erreichte, fühlte sich das für alle im Haus Beteiligten wie ein frühzeitiges Weihnachtsgeschenk an. Bis dahin war es jedoch ein weiter Weg, von dem dieser Beitrag einen kleinen Eindruck vermitteln soll.

Dass dieses sogenannte „Plat de ménage“ noch existiert, wurde der Bayerischen Schlösserverwaltung bereits 2003 bekannt, als es in einer Auktion in Paris versteigert wurde. Vor einigen Jahren tauchte der Tafelaufsatz dann im deutschen Kunsthandel wieder auf. Über drei Jahre sollte es aber dauern, bis der Ankauf gelang. Wie muss man sich einen solchen Prozess vorstellen?

Wird ein potentiell für unsere Sammlungen bedeutsames Objekt im Kunsthandel oder einer privaten, abgabewilligen Sammlung von unseren Museumsreferentinnen und –referenten entdeckt, stehen erst einmal umfangreiche wissenschaftliche und restauratorische Untersuchungen an. Passt das Werk in unser Sammlungskonzept? Wie bedeutend ist es für unsere Sammlung? Wie und wo könnten wir das Objekt unseren Gästen präsentieren? Wie ist die Provenienzgeschichte? Ist es „echt“? Wie ist der Zustand?

Residenz Ansbach

Die Residenz Ansbach. Foto: BSV

In unsere Sammlung kann (kurz gefasst) ein Werk passen, wenn es aus unseren Schlössern und Burgen stammt und/oder einen sehr engen Bezug dazu hat. Hat es dazu auch noch eine hohe Relevanz, wird es interessant. Der 45. Stuhl einer Serie schlichten Gebrauchsmobiliars für die Hofbediensteten, von der wir bereits 44 Exemplare besitzen, ist da weniger relevant als ein hochrepräsentatives, künstlerisch wertvolles, einzigartiges Objekt wie das hier vorgestellte. Schließlich bedarf jedes unserer historischen Objekte einer liebevollen, fachlichen kompetenten Betreuung, die Personal und Platz bindet.

Schnell war unserem Fachreferat für Keramik als auch mir Referentin für die Residenz Ansbach ersichtlich, dass dieser Tafelaufsatz ein bedeutendes Objekt ist, das die größte Blütezeit der Ansbacher Manufaktur auf das Beste repräsentiert: Unter der Leitung Johann Friedrich Kändlers, einem Cousin des berühmten Meissner Künstlers Johann Joachim Kändler, erblühte die Ansbacher Manufaktur ab 1762. Sie entwickelte ein umfangreiches Sortiment an Porzellanen höchster Qualität und beschäftigte erstklassige Künstler.

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PreißCourant Des in der Hoch-Fürstl. Anspachischen Fabrique zu Bruckberg verfertigten feinen Porcellains, Ansbach 1768, S.4f. Foto: Bayerische Staatsbibliothek München, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10230881-2, Signatur 4 Techn. 500 m

Ein Preisverzeichnis der Manufaktur von 1768 listet unter seinen Produkten einen passenden Tafelaufsatz auf: „Eine grosse Plat de Menage, oben einen ovalen durchbrochene Korb mit Grotesquen, dann 2 figurirten Mittel=Stucken. Unten mit einer verzierten ovale Blatten, worauf 2. Zucker=Streu=Büchsen, 2. Senfft=Kännlein, 2 Oehl-0Kännlein, 2. Eßisg}Kännlein.“ In 6 verschiedenen Ausführungen. Unser Surtout entspricht der aufwendigsten und teuersten Variante Nr. 6 („Mit purpurnen Landschafften und starck vergoldeten Grotesquen“).

Bei der Durchsicht historischer Inventare und Akten ergab sich, dass genau dieser Typus auch im Bestand der Residenz Ansbach vorhanden war. In einem Akt von 1806 fand meine Kollegin Dr. Maria Blenk einen Inventarauszug, der ein derartiges Objekt beschreibt:

„Ein in der Bruckberger Fabrique verfertigtes besag Specification vom 17. Sept. 1768 geliefertes Tafel-Service mit purpurnen Landschaften und goldenen Grotesquen.

(darunter)

1 großes Plat de menage mit dazu gehörigen
2 Oel
2 Essig
2 Senft-Kännlein dann
2 Zucker-Büchsen“

Zudem stellte sich im Rahmen der Recherchen heraus, dass das angebotene Stück wohl das einzige vollständig erhaltene Plat de Ménage seiner Art darstellt. In vergangenen Auktionen und Privatsammlungen konnten lediglich zwei Fragmente, sämtlich ohne Gewürzgefäße, ausgemacht werden. Eines der Fragmente ist zudem deutlich einfacher dekoriert.

Da der angebotene Tafelaufsatz nun vielversprechend erschien, wurden weitere Recherchen nötig. Die Provenienzrecherche erforscht: Wem gehörte das Objekt wann? Gibt es Hinweise auf unrechtmäßige Eigentümerwechsel, z.B. auf in der NS-Zeit oder in der DDR enteignetes Kunstgut? Belastete Objekte könnten selbstverständlich nur im Ausgleich und Einvernehmen mit den geschädigten Eigentümerinnen und Eigentümern bzw. deren Erbinnen und Erben erworben werden. Hilfestellung bei der Suche nach möglicherweise belastenden Provenienzen bieten u.a. diverse Datenbanken, von denen ArtLossRegister die bekannteste ist. Im Zuge dieser Untersuchung konnte keine belastete Herkunft gefunden werden. Erworben wurde der Tafelaufsatz nämlich durch Baron Jean-Henri Hottinguer (1803–1866) und blieb bis 2003 in der Familie.

Für die kunsthistorischen Forschungen und die Provenienzforschung arbeiten bereits mehrere Kolleginnen und Kollegen zusammen – die für die Residenz Ansbach zuständige Museumsreferentin samt damaliger wissenschaftlicher Mitarbeiterin, die Fachreferentinnen für Keramik und der Referent für Provenienzforschung.

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„Schau genau“ hieß es bei der restauratorischen Untersuchung aller Einzelteile. Foto: BSV/Nahstoll.

Viel Sorgfalt und Fachkompetenz erfordern auch die restauratorischen Untersuchungen. Handelt es sich um ein Original? Welche Schäden hat das Objekt, welche Restaurierungen, Reparaturen und Ergänzungen gab es, wie hoch ist der Anteil originaler Substanz, welche Restaurierungen und konservatorischen Maßnahmen werden im Falle eines Ankaufs nötig, um das Objekt zu erhalten und um es ausstellen zu können? Hier wurde unser Restaurierungszentrum unter Federführung der Keramikrestauratorin Barbara Nahstoll tätig und nahm den Tafelaufsatz ausführlich unter die Lupe, fand jeden Schaden und jede Spur einer Restaurierung. Insgesamt zeigte sich das Objekt ein einem guten und stabilen Zustand.

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Sogar die Schraubverschlüsse der Zuckerstreuer sind noch erhalten. Foto: BSV/Nahstoll.

Nach der Klärung der oben skizzierten Themen war klar, dass der Erwerb verfolgt werden sollte. Nun wurde es aufregend. Es galt, die Hausspitze zu überzeugen (angesichts des herausragenden Objekts nicht die schwerste Übung), externe Gutachten renommierter Fachleute einzuholen, mit dem Verkäufer zu verhandeln, Mittel für den Ankauf zu bekommen – und schlagkräftige Partner zu finden, die das Vorhaben auch finanziell unterstützen. Im Fall unseres Tafelaufsatzes konnte die Bayerische Schlösserverwaltung einen herausragenden Partner der deutschen Museen gewinnen, die Ernst von Siemens-Kunststiftung (EvSK). Die Stiftung erkannte die enorme Bedeutung dieses einzigartigen Tafelaufsatzes – an sich und für die Residenz Ansbach – und förderte das Ankaufs-Projekt. So wurden der Erwerb und damit die Chance, das Kunstwerk einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, überhaupt erst möglich.

Im Dezember 2023 war es schließlich soweit, der Ankauf erfolgte. Nun, ein knappes Jahr später, konnte der Tafelaufsatz in der Residenz Ansbach aufgestellt und der Öffentlichkeit präsentiert werden. Ihr braucht noch einen kulturellen Programmpunkt für die Weihnachtsferien? Besucht den Tafelaufsatz in der Residenz Ansbach!

 


Auswahlliteratur

Alfred Ziffer, Die Porzellanmanufaktur Ansbach 1757-1860, in: Ulrich Pietsch/Theresa Witting (Hg.), Zauber der Zerbrechlichkeit : Meisterwerke europäischer Porzellankunst, Ausst. Kat. Dresden, Leipzig 2010, S. 222-225.

Adolf Bayer, Ansbacher Porzellan. Geschichte und Leistung der Ansbach-Bruckberger Porzellan-Manufaktur 1757-1860, Ansbach 1933.