Von Franziska Reichel und Anna-Lena Schubert
Womit assoziiert Ihr den Begriff FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr)? Kurz nachdenken…Und? Was sind die ersten Gedanken? Krankenhäuser, Behindertenwerkstätten, Obdachloseneinrichtungen, Entwicklungshilfeprojekte? Dieses Bild ist weit verbreitet und nur die wenigsten wissen, dass es auch in anderen Bereichen möglich ist, sich für ein Jahr freiwillig zu engagieren. Im kulturellen Bereich gibt es bereits seit 1999 die Möglichkeit, ein FSJ in der Denkmalpflege zu absolvieren und somit für ein Jahr in einer Institution (Handwerksbetrieb, Behörde, Verein, etc.) zu arbeiten, die sich im Speziellen mit der Erhaltung von Kulturgut beschäftigt.
Auch das Restaurierungszentrum bietet zwei Plätze für ein FSJ in der Denkmalpflege an. Wir, Franzi und Anna, haben uns beworben und wurden ausgewählt, um ein Jahr bei der Bayerischen Schlösserverwaltung arbeiten zu dürfen. Im Folgenden bekommt Ihr in Form eines Interviews einen kurzen Einblick in unsere Arbeit und seid danach hoffentlich genauso begeistert von dem, was wir hier erleben dürfen, wie wir.
Wie sieht momentan Euer typischer Arbeitsalltag aus?
ANNA: | Wir arbeiten zurzeit viel im Marstallmuseum. Dort fotografieren und dokumentieren wir die textile Ausstattung der Kutschen. |
FRANZI: | Außerdem nähen wir noch in der Textilrestaurierung an kleinen Probestücken, an denen wir typische Restaurierungsmaßnahmen erproben dürfen und das Arbeiten mit Augenchirurgie-Nadeln üben. |
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Welche Herausforderungen bringt das mit sich? |
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FRANZI: | Zu Anfang mussten wir uns erst einmal mit den verschiedenen Teilen einer Kutsche beschäftigen und die nötigen Fachausdrücke erlernen. Ich persönlich hatte mich vor diesem Jahr eher selten mit Überlauf-, Schwung- oder Stoßriemen beschäftigt. |
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ANNA: | Obwohl ich schon seit Jahren mit Kutschen und Geschirren zu tun habe, weil ich selbst reite, waren auch für mich viele Begriffe und textile Ausstattungsteile neu. Außerdem ist eine gute Zeiteinteilung wichtig, da alle handschriftlichen Notizen später noch abgetippt werden müssen. |
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Was macht Euch am meisten Spaß an der Arbeit? |
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ANNA: | Mit vielen verschiedenen historischen Objekten arbeiten zu können, mit denen man sonst nicht in Berührung kommt. Zusätzlich arbeiten wir hier an einem der schönsten Arbeitsplätze, die man sich vorstellen kann. Besonders der wunderschöne Park mit seinen Parkburgen bietet beim monatlichen THG-Blätter wechseln immer wieder Abwechslung. |
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FRANZI: | Ich finde es toll, dass die Arbeit hier so vielfältig ist. Als Praktikanten können wir mal in jeden Bereich hineinschnuppern und uns mit vielen verschiedenen Materialien beschäftigen. Wir haben schon an archäologischen Funden, historischen Grundrisszeichnungen und gefassten Gemälderahmen gearbeitet und dadurch verschiedenste restauratorische Tätigkeiten kennengelernt. Zusätzlich entdeckt man jedes Mal, wenn man sich intensiver mit einem Objekt beschäftigt, interessante und faszinierende Details, die einem auf den ersten Blick entgangen wären. |
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ANNA: | Zum Beispiel finden sich im Marstall sehr viele süße Löwen, die als kleine Figuren und Bemalungen an teils unerwarteten Stellen zu finden sind. |
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Welches Erlebnis oder Objekt wird Euch immer in Erinnerung bleiben? |
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FRANZI: | Für mich ist die prägendste Erfahrung weniger ein Moment oder Erlebnis als die Erkenntnis, dass viele Kunstwerke erst im Detail ihre Kunstfertigkeit zeigen. Es lohnt sich immer, auch bei augenscheinlich unattraktiven Objekten, genauer hinzusehen und man wird Erstaunliches finden. |
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ANNA: | Die Dienstreise nach Schloss Neuschwanstein war für mich sehr beeindruckend, da das ganze Schloss ein riesiges Kunstwerk ist, in dem schon jeder Raum für sich etwas Eigenes darstellt und mit ausgesprochener Hingabe gestaltet wurde. Die Kombination aus technischen Fortschritt und Märchenkulisse war für mich sehr eindrucksvoll. |
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Welches Stück/Werk/Objekt möchtet Ihr gerne mal in der Hand halten oder bearbeiten und warum? |
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FRANZI: | Ich würde mir gerne einmal die zwei geschnitzten Bären aus dem Sängersaal von Schloss Neuschwanstein näher ansehen und mich mit ihrer Machart auseinandersetzten. Mir gefallen gerade diese Skulpturen gut, weil sie sehr naturalistisch wirken und ich möchte gerne wissen, ob sich dieser Eindruck im Detail bestätigt. |
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ANNA: | Ich würde sehr gern eine Abschrift des Nibelungenliedes genauer betrachten und mir die Art der Schrift und Verzierung anschauen, weil mich Sagen schon immer fasziniert haben und mich deren künstlerische Darstellung und Umsetzung interessiert. |
Wir freuen uns schon sehr auf unsere restliche Zeit hier und sind gespannt, welche Projekte und Erfahrungen uns noch im Restaurierungszentrum erwarten. Für alle, die jetzt Lust haben auch ein Jahr in der Denkmalpflege zu arbeiten, lasst Euch gesagt sein: es lohnt sich! Und um mit dem Begründer des Freiwilligen Sozialen Jahres zu sprechen: „Auch warten Menschen auf Euch, die Euch in eine Gemeinschaft des Lebens aus dem Wort, des Dankes und Lobes aufnehmen möchten.“