Vor kurzer Zeit hat die Bayerische Schlösserverwaltung für die Residenz Ansbach ein außergewöhnliches Kunstwerk aus Porzellan erwerben können – sozusagen einen „echten Knaller“!
Es handelt sich um einen mehrteiligen, rund 50 cm hohen Tafelaufsatz, der den Mittelpunkt einer festlich gedeckten Tafel bildete. Er stammt wahrscheinlich aus dem Besitz des letzten Ansbacher Markgrafen Christian Friedrich Carl Alexander (1736-1806).
Dieser hatte 1758 die Ansbacher Porzellan-Manufaktur gegründet. Natürlich verwendete er die hochwertigen Produkte seiner Manufaktur auch für seine Hofhaltung. Ab 1806 befand sich Markgraf Alexander im Exil in England, wo er auch starb. Wohl dort gelangte der kostbare Tafelaufsatz in den Besitz der Adelsfamilie Hottinguer, die ihn fast 200 Jahre in Familienbesitz behielt. Erst 2003 wurde er auf dem Kunstmarkt verkauft (Cordula Mauß schreibt hier sehr ausführlich zu dem Ankauf).
Unglaublich gut erhalten
Auch früher wurden derart kostbare Porzellane nicht dauernd, sondern zu besonderen Gelegenheiten verwendet. Dafür spricht auch der besonders gute Erhaltungszustand des Tafelaufsatzes. Es gibt nur wenige Reparaturen und Gebrauchsspuren an den zahlreichen filigranen Teilen, was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass er schon rund 250 Jahre alt und zerbrechlich ist!
Dieser Tafelaufsatz könnte also zum Beispiel zu Silvester oder Neujahr für ein Festmahl benutzt worden sein. Eine festliche Tafel des Markgrafen war ein besonderes Ereignis mit Gästen, Musik und Unterhaltung, ein Fest für alle Sinne: ein Augen-, Ohren-, und Gaumenschmaus.
Schon der Speiseraum, das „Ordinaire Tafelzimmer“ des Markgrafen, in dem unser Tafelaufsatz jetzt ausgestellt ist, war mit seinen 2.800 Fayencefliesen der Ansbacher Manufaktur ein höchst prunkvoller und origineller Rahmen für die Festtafel. Die Fliesen zeigen höfische Szenen, Gartenmotive und Chinoiserien, die Wände Stuckdekorationen im heiteren und verspielten Rokoko-Stil.
Die Speisefolge eines Festmahls war von der heutigen nicht weit entfernt. Als Vorspeise wurden Pasteten, Suppen oder Eingelegtes serviert. Der Hauptgang bestand aus großen Bratenstücken, Gemüsegerichten und Süßspeisen. Zum Dessert aß man wie heute Obst, Käse und Süßigkeiten.
Unser Tafelaufsatz in der Mitte des Tisches diente dabei als Gewürzständer für Salz, Pfeffer, Zucker und weitere am Tisch benötigte Gewürze. Zitronen wurden damals zum Würzen der Speisen sehr gern verwendet. Sie befanden sich, auch als exotischer Hingucker, im Gitterkorb zuoberst. Auf der Platte unten fanden insgesamt acht Gewürzbehälter Platz: Zwei Zuckerstreuer, zwei Öl- und Essigkännchen, 2 Senftöpfe mit Löffeln, sowie 2 Deckeldosen für weitere Gewürzsoßen, Cremes oder Gelees.
Statt Tafelaufsatz nannte man dieses Prunkstück auf Französisch, der damals gebräuchlichen Sprache am Hof, „Surtout de table“ oder „Plat de menage“ (was für uns heute noch so elegant klingt wie damals).
Die damalige Kostbarkeit der Gewürze ist kaum mehr vorstellbar
Gewürze waren im 18. Jahrhundert noch nicht so gebräuchlich wie heute. Man würzte mit Honig und in Nordeuropa heimisch gemachten Kräutern wie Majoran oder Petersilie, die ursprünglich alle aus dem Mittelmeerraum stammen. Gewürze aus Übersee waren teuer und wurden nur in der Küche von reichen Adligen und Bürgern verwendet. Diese würzten neben Salz und Zucker auch mit Zimt, Muskat(-blüte), Nelken und Pfeffer, also Gewürze, die aus Indien und Südostasien nach Europa importiert wurden. Exotische Südfrüchte wie Zitronen, Orangen, Granatäpfel und Ananas waren großer Luxus und wurden in Nordeuropa nur in den fürstlichen Orangerien angebaut.
Ebenso kostbar wie Gewürze: Das Porzellan
Auch Porzellan war im 18. Jahrhundert in Europa noch eine Kostbarkeit. Es konnte erst ab 1710 in Meißen und dann auch in anderen Manufakturen hergestellt werden. Die Fayence, Tonware mit weißer Glasur und farbiger Bemalung, war damals noch eine günstige porzellanähnliche Variante des begehrten „weißen Goldes“.
Die Form unseres Tafelaufsatzes geht auf den Nautiluspokal zurück, also einen Prunkpokal aus der Zeit der Renaissance und des Barocks, als die große Nautilusmuschel eine bewunderte Rarität war. So ist der Zitronenkorb in der Form dieser Muschel gearbeitet. Zwischen Zitronenkorb und Gewürzbehältern ist die Mittelsäule des Aufsatzes mit einer Vielzahl von plastischen Porzellanfiguren geschmückt, die allesamt musizieren.
Unter dem Körbchen blasen drei Putten Trompete, Waldhorn und Schalmei, weiter unten spielen drei Bläser in höfischer Kleidung Oboe, Flöte und Waldhorn. Echte Tafelmusik mit Musikern war zu prächtigen Festtafeln üblich. Der Tafelaufsatz zeigt dies in Miniatur und bringt damit die Musik sozusagen direkt auf den Tisch. Eine wichtige Funktion von Porzellanfiguren auf der Tafel war neben dem reinen Augenschmaus auch die Unterhaltung, das Tischgespräch, das sie anregen sollten.
Die Figuren sind sehr fein gearbeitet und bemalt. Sie sind qualitativ vergleichbar mit den großen Manufakturen wie Meißen im 18. Jahrhundert. Das liegt auch daran, dass in Meißen ausgebildete Künstler in der Ansbacher Manufaktur arbeiteten und sie leiteten.
Die Modellierung von Gesichtern, Händen und Musikinstrumenten war besonders kleinteilig und aufwändig. Es gibt kaum Porzellanfiguren des 18. Jahrhunderts, an denen nicht kleinste Teile wie Finger oder Dinge, die in der Hand gehalten werden, abbrachen und oft später ersetzt wurden.
Nur die Figuren und kleinere Details sind mehrfarbig bemalt. Insgesamt ist die Farbgebung des Tafelaufsatzes eher dezent. Vorherrschend ist der Farbklang aus Weiß und Gold, was dem Stück besondere Eleganz verleiht. Das Gold akzentuiert vor allem die geschwungenen Formen wie die c-förmigen Bögen, die man Rocaille (französisch für Muschelwerk) nennt. Sie sind Namensgeber des Rokoko-Stils. Auch plastische Details an den Gefäßen und an den Dekorationen der Mittelsäule werden durch das Gold betont. Grün und Purpur, sowie weitere Farben der Bemalungen der kleinen so genannten Streublumen und der plastischen Verzierungen runden das farbliche Gesamtbild des Tafelaufsatzes harmonisch ab.
Feine Miniatur-Malerei
Neben den Figuren sind besonders die feinen Miniatur-Landschaftsmalereien hervorzuheben. Sie sind so detailliert gemalt wie kleine Kupferstiche und spielen auch auf dieses Medium an, weil sie ebenfalls monochrom sind. Malereien in der Farbe Purpur nannte man „Purpur-Camaieu“. Camaieu ist eine französische Bezeichnung für eine einfarbige Malerei bzw. für Farbschattierungen einer Farbe. Kupferstiche waren damals vielleicht am ehesten vergleichbar mit unseren Fotografien, denn sie waren reproduzierbar und sollten zumindest teilweise mit Stadtansichten oder Porträts die Wirklichkeit abbilden.
Die Ansichten auf dem Tafelaufsatz sind allerdings erdachte Landschaften im damals beliebten so genannten „holländischen Stil“. Sie verweisen mit dem typischen flachen Horizont, Wasserflächen und Schiffen auf die dortige Geographie und auf die niederländische Landschaftsmalerei der Zeit. Die kleinen Landschaftsdarstellungen auf dem Tafelaufsatz sind in feiner Goldmalerei gerahmt, was ihre künstlerische Besonderheit nochmals unterstreicht.
Die exquisite Bemalung, die kunstvollen Formen der Figuren, der Behälter, der Mittelsäule und des Tabletts, sowie die bewegte, spielerisch-leichte Gesamtkomposition im Rokoko-Stil machen die hohe Qualität des Tafelaufsatzes aus. Er hat keine bestimmte Schauseite, sondern von jedem Platz der Tafel gab es einen Blick auf reizvolle Details.
Von diesem Tafelaufsatz wurden von der Ansbacher Porzellanmanufaktur auch einfachere Versionen ohne oder mit reduzierter Bemalung verkauft. 1767 waren in der Produktionsliste, dem so genannten Preiskurant der Manufaktur verzeichnet, dass die Luxusversion mit Miniatur-Landschaftsmalerei und üppiger Vergoldung 500 Gulden kostete. Das war mehr als das Jahresgehalt eines Porzellanmalers. In der Manufaktur Höchst beispielsweise verdiente ein Porzellanmaler im Jahr 1766 im Monat ca. 30 Gulden. Für ein ganzes Hofservice mit üblicherweise 36 Gedecken und den dazugehörigen Platten, Schüsseln und Terrinen pro Gang musste der Markgraf also tief in die Taschen greifen.
Porzellankünstler aus Meißen
Modelleur des Tafelaufsatzes war wahrscheinlich Johann Friedrich Kaendler (1734-1791), der aus Meißen stammende Vorsteher der Porzellanmanufaktur Ansbach und Vetter des berühmten Meißner Porzellanmodelleurs. Die Malerei stammt wohl von Johann Melchior Schöllhammer (1745-1816), der als Porzellanmaler und Bossierer in Ansbach tätig war. Seit 1769 war er dort Malerei-Inspektor und später Direktor in der Porzellanmanufaktur. Hier waren also erstrangige Künstler der Manufaktur für ein erstrangiges Produkt tätig.
Porzellan war damals ein Luxus für wenige. Es wurde in fürstlichen Spiegel- und Porzellankabinetten ausgestellt und bewundert. Seine Herstellung war aufwändige Handarbeit mit zahllosen technisch höchst anspruchsvollen Arbeitsschritten: Massefertigen, Formen, Zusammensetzen der Teile (Bossieren), Bemalen, mehrere Brände, Polieren des Goldes. Die Handarbeit, die in unserem Tafelaufsatz steckt, ist nicht nur an der Bemalung abzulesen, sondern auch an den plastischen Formen, die nicht maschinell perfekt symmetrisch und gleichförmig sind, sondern individuell gestaltet wurden.
Große Porzellan-Tafelaufsätze aus dem 18. Jahrhundert sind heute sehr selten, nur wenige Exemplare haben in Vollständigkeit überdauert. Alles zusammen – seine Seltenheit, seine spezielle Funktion als Gewürzständer auf der Tafel, das wertvolle Material, die Feinheit der Formen und Figuren sowie die qualitätsvolle Bemalung – machen diesen Tafelaufsatz so kostbar.
Ausblick
Der Tafelaufsatz soll künftig das Prunkstück der Sammlung Ansbacher Fayence und Porzellan in der Gotischen Halle der Residenz Ansbach werden. Die bedeutende Sammlung, die größtenteils von Adolf Bayer zusammengetragen wurde, umfasst heute rund 600 Fayencen und Porzellane. Nach der baulichen Sanierung und Modernisierung der Gotischen Halle soll dort eine neue Ausstellung realisiert werden, in der die Faszination von Fayence und Porzellan mit der Geschichte der Ansbacher Manufaktur und der Kulturgeschichte des Essens und Tafelns in größere Zusammenhänge gebracht wird.
Titelbild und alle weiteren Fotos im Text: BSV