Am 24. Juni 2021 wäre Mathias Gasteiger (1871-1934) 150 Jahre alt geworden. Da das Künstlerhaus am Ammersee COVID19-bedingt weiter geschlossen bleibt, lädt die Bayerische Schlösserverwaltung zu Spaziergängen ein, die zu ausgewählten Werken des Bildhauers führen. Einige seiner Werke stehen in München im öffentlichen Raum und sind für Fußgänger und Fahrradfahrer bequem zu erreichen. Der heutige Spaziergang führt uns zum Kufsteiner Platz am südlichen Ausgang des Herzogparks.
Im Mai 1900 hatte die „Terrain-Aktiengesellschaft Bogenhausen-Gern in München“ von Herzog Karl Theodor ein 1,3 Mio qm großes Wald- und Auenstück zwischen der Isar und dem Hang an der Ismaninger Straße gekauft. Das Gelände erstreckte sich hinter der Max-Joseph-Brücke nach Norden. Die südliche Hälfte lag auf dem Grund der Stadt München, die nördliche gehörte zur Gemeinde Oberföhring. Mit der Umwandlung in Bauland wurde im südlichen Abschnitt begonnen. Die Gesellschaft hatte sich gegenüber der Stadt München verpflichtet, der Allgemeinheit 5% des Baulands in Form von Plätzen und Grünanlagen zur Verfügung zu stellen.
Eine dieser Anlagen sollte am Kufsteiner Platz entstehen und das zukünftige Wohn- und Villenviertel vom Süden her erschließen.
Die Terraingesellschaft war ein Investor und hatte den Bildhauer Mathias Gasteiger mit der Aufgabe betraut, für den Kufsteiner Platz einen Brunnen zu errichten, der einen weithin sichtbaren ästhetischen Akzent setzen sollte. Teil des Konzepts war die frontale Ausrichtung des Brunnens zu der von Süden kommenden Mauerkircher Straße. Außerdem war schon 1907 eine Grünfläche eingeplant, die den Brunnen mit Bäumen und Büschen hinterfangen sollte.
Dahinter, durch einen Fußweg von der Anlage getrennt, erhob sich der Wohnblock des Kufsteiner Platzes 1, den der Architekt Eugen Drollinger entworfen hatte. Der Bau war ästhetisch auf die Brunnenanlage bezogen.
Noch bevor das Mietshaus bauseitig vollendet war, konnte der Dianabrunnen am 12. Juni 1908 der Öffentlichkeit feierlich übergeben werden. Mit der Übergabe war die Stadt München zum neuen Eigentümer des Brunnens und des dahinterliegenden Grünstreifens geworden. Auch hatte sich die Stadt gegenüber der Terraingesellschaft verpflichtet, den Brunnen an die Wasserleitung und das städtische Kanalsystem anzuschließen und zukünftig für den Unterhalt der Anlage zu sorgen. Zweifellos war das Thema des Brunnens Programm, zumal das Gelände zuvor ein Jagdrevier Herzog Karl Theodors war. Mit Diana, der Göttin der Jagd, wollte man an die Geschichte der vormals Wittelsbacher Domäne erinnern.
Der Dianabrunnen besteht aus einem über 8 m hohen Mittelteil, zwei flachen Sitzreihen, die den Mittelteil halbkreisförmig einfassen und einem Vorplatz, der durch zwei geschwungene Stufen vom übrigen Platz abgesetzt ist. Die Anlage ist etwa 12 m breit und 7 m tief. Die figürliche Ausgestaltung konzentriert sich auf die Grottenarchitektur in der Mitte. Auf ihrem Giebel lagert Diana, die Göttin der Jagd. An die Jagd erinnert nicht nur der Hirsch im Rücken der Göttin, sondern auch der Falke und der Bogen in Dianas Hand. Unterhalb der Giebelfiguren fällt das Wasser einer kleinen Fontäne über mehrere Ebenen in ein mehreckiges Wasserbecken hinab. Das Wasserspiel wird von zwei Rehgruppen bestaunt, die auf den Podesten ruhen und die Sitzreihen zum Platz hin künstlerisch abschließen.
Ein frühes Brunnenmodell stammt vermutlich aus dem Jahre 1907. Die Komposition enthält bereits alle Elemente, die später zur Ausführung kamen. Allerdings sieht das Modell eine Vertiefung auf dem Vorplatz vor, in der sich das Wasser sammeln sollte, das vorher über den Rand des eigentlichen Wasserbeckens getreten war. Diese Vertiefung wurde jedoch nie realisiert. Dagegen hatte Gasteiger die Figuren auf dem Giebel der Grottenarchitektur wie vorgesehen bildhauerisch umgesetzt.
Für die Darstellung der Jagdgöttin hat er eine junge Frau Modell sitzen lassen. Auf einer historischen Aufnahme ist die spätere Sitzhaltung der Göttin schon angelegt, aber noch ruht ihr rechter Arm auf einem Steinblock. In der Ausführung hat Gasteiger den Block durch die Form des Hirschrückens ersetzt.
90 Jahre später hat die Stadt München die Brunnenanlage umfassend restaurieren lassen. Im Zuge dieser Maßnahme (1998) erhielt Diana ihre bronzenen Attribute zurück. Der Falke und ihr Bogen waren zwischenzeitlich verloren gegangen. Die Gliedmaßen der Göttin aber auch die Sitzbänke zu den Seiten und die Rehe hatten Schaden genommen. Bei der Restaurierung der Rehe hatte man sich an den formgleichen Gruppen orientiert, die Gasteiger 1908 für seinen Sommersitz in Holzhausen am Ammersee geschaffen hatte. Dort können sie noch heute am Gartentor des Gasteiger-Anwesen betrachtet werden.
Literatur
– Elmar D. Schmid/Sabine Heym (Bearb.), Mathias und Anna Gasteiger. Aus einem Münchner Künstlerleben um 1900 (Ausst.Kat.), München 1985, 69-74.
– Bärbel Holländer, Restaurierung des Diana-Brunnens in München: Jagdgöttin kommt neu zur Geltung, in: Naturstein, 52. Jg. (1999), H. 3, S. 48-51.
– Dorle Gribl, Der Herzogpark in den Jahren 1900 bis 1920, in: Willibald Karl (Hg.), Der Herzogpark. Wandlungen eines Zaubergartens, München 2000, 26-84.
Titelbild: Detail des Dianabrunnens, Foto: Wikipedia/Rufus46