Gleißendes Gold und schwellender Samt, Troddeln und Fransen, säulenartige Stützen mit geschnitzten Kapitellen und ein umlaufender Lorbeerkranz – wenn ein Sitzmöbel jemals die Bezeichnung als Thron verdient hat, dann wohl dieser opulente Armsessel mit der kreisrunden Rücklehne aus der Münchner Residenz.
Kurz vor Weihnachten haben wir das gute Stück kurzfristig aus seinem derzeitigen Dornröschenschlaft im Depot geweckt und einige Tage im Kaisersaal der Residenz ausgestellt. Obwohl er sich dort an der Stirnwand vor der mächtigen Front des Kamins aus Stuckmarmor gut gemacht hat, gehört der um 1842 entstandene Sitz allerdings nicht ursprünglich in dieses (rekonstruierte) frühbarocke Interieur. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an bis 1944 bildete er stattdessen den inhaltlichen Bezugspunkt des gewaltig dimensionierten weiß-goldenden Thronsaals im Festsaalbau der Residenz. Diesen strengen klassizistischen Gebäuderiegel hatte der bayerische Hofarchitekt Leo von Klenze im Auftrag König Ludwigs I. zwischen 1835 und 1842 als nördlichen Abschluss der Schlossanlage am Hofgarten errichtet. Nach den massiven Kriegszerstörungen wurde er jedoch nur noch in seinem äußeren Erscheinungsbild wiederhergestellt.
Wenn ein Besucher im 19. Jahrhundert die vorgelagerte Flucht der drei sogenannten Kaisersäle durchschritten hatte, fiel sein Blick durch einen Säulenvorhang entlang einer beeindruckenden Reihe monumentaler Brozeskulpturen, die Regenten des Hauses Wittelsbach darstellten, am Ende der Blickachse auf den Thron unter dem imposanten Baldachin. Das einzige allerdings, was in dieser beeindruckenden Raum- und Herrschaftsinszenierung interessanterweise in aller Regel fehlte, war eine Person, die auf dem luxuriösen Thronsessel Platz nahm!
Tatsächlich war das Verhältnis der bayerischen Herrscher zu eines Fürsten Lieblingsmöbel ziemlich zwiespältig: Einen Thron, den wir heute dank Film und Fernsehen – „Games of Thrones“ lässt grüßen – als mythisches, altehrwürdiges Herrschaftssymbol verstehen, dessen Polster jeder „Thron“Anwärter erstmal tüchtig drücken und „besitzen“ muss, und auf dem allein er rechtmäßig die Krone – Stichwort Inthronisation – empfangen darf, gab es in der Residenz eigentlich niemals. Nicht, dass die zeremonielle Frage, wer, ob, wo und wann man sitzen durfte (oder stehen musste) nicht von allerhöchstem Interesse gewesen wäre, namentlich während der täglichen oder außerordentlichen Herrscheraudienzen.
Doch betraf dies eher die Gestaltung des fraglichen Sitzmöbels, mittels derer Hierarchien ausgedrückt wurden: Vergoldung war vornehmer als schlicht gefasstes Holz, Lehne und Armstützen hochrangiger als keine usw. Sofern dieses beachtet wurde, war die Frage, welcher Stuhl unter dem Baldachin – und dem fürstlichen Podex – nun zu stehen kam, letztlich egal. Und so kann eine ganze Reihe von Sesseln im Möbelbestand der Residenz den Anspruch erheben, im 17. und 18. Jahrhundert als bayerischer (Teilzeit-)Thron gedient zu haben.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Lage: Seit 1806 war „man“ Königreich, der Pariser Hof des großen Verbündeten – Napoleon – machte vor, wie man imperialen Prunk entfaltete: Tatsächlich ist der Münchner Thronsessel mit der charakteristischen, an Weltherrschaft und kosmische Harmonie gemahnenden Kreisform der Lehne über dem massiven Podest der Sitzfläche letztlich eine Variante von Napoleons Kaiserthron in den Tuilerien, den ihm seine Stararchitekten Percier und Fontaine entworfen hatten.
Aber Max I. Joseph, der erste bayerische König, und auch sein Sohn und Nachfolger, Ludwig I., sahen sich, freiwillig oder nicht, in ihrer neuen Würde den Beschränkungen einer Verfassung unterworfen. Ein pompöser autokratischer Auftritt „von Gottes Gnaden“ war nach den Erfahrungen der französischen Revolution schlichtweg nicht mehr möglich. So verzichtete Max I. Joseph nicht nur auf eine eigene (anfänglich noch geplante) glanzvolle Krönungszeremonie und ließ seinen Thron (der dem erhaltenen seines Sohnes bereits sehr ähnlich sah) ostentativ in den sogenannten „Staatsratszimmern“ aufstellen. Hier nahm er, zwar unter einem Baldachin, aber zusammen mit verantwortlichen Ministern an einem gemeinsamen runden Tisch Platz, um die Regierungsgeschäfte zu erledigen.
Und auch der gewaltige Thronsaal, den Klenze einige Jahre später für Ludwig I. schuf, blieb mitsamt dem neu angefertigten, noch einmal imposanteren Sessel und seinem in Reliefstickerei aufgesetzen „L“ letztlich monarchische Kulisse: Die Proklamation der bayerischen Könige fand zwar in diesem Saale statt, aber es gab keine feierliche Thronbesteigung und keine Krönungszeremonie. Der neue Monarch stand vor dem Baldachin und die Krone funkelte nicht auf seinem Haupt, sondern nur auf ihrem samtenen Präsentierkissen – auch dies in seiner Art ein bedeutsames und wohl kalkuliertes Zeichen!
Seit der Zerstörung des Festsaalbaus steht Ludwigs Thron in dem kleineren Thron- und Audienzsaal des Königsbaus, wo wir ihn ab 2018 den Besuchern wieder dauerhaft zeigen werden!