Stolz beherrscht Schloss Neuburg, Renaissancejuwel in der Obhut der Bayerischen Schlösserverwaltung, die zauberhafte Altstadt Neuburgs hoch über der Donau. Zwar prägt die Fernsicht der barocke Schlossflügel mit seinen markanten Rundtürmen, doch die drei anderen mächtigen Trakte des Schlosses gehen auf den Renaissancefürsten Ottheinrich zurück. Vor 500 Jahren, am 2. Juni 1522, trat Pfalzgraf Ottheinrich die Regierung im Fürstentum Pfalz-Neuburg an. Anlass, im Neuburger Residenzschloss dieser faszinierenden historischen Persönlichkeit und ihrem kulturellen Vermächtnis nachzuspüren.
Pfalzgraf Ottheinrich – eine imposante Erscheinung
In Schloss Neuburg tritt uns Pfalzgraf Ottheinrich in zahlreichen Porträts vor Augen. Gleich zu Beginn, wenn man die Säle des Pfalz-Neuburg-Trakts betritt, steht er in Lebensgröße als gut Dreißigjähriger in einem monumentalen Wandteppich vor uns.
Der Blick ist wach, die Pose selbstbewusst, die Kleidung prächtig. Die hochfürstlichen Wappen seiner Ahnen umrahmen ihn: Bayern und Pfalz, Savoyen und Polen, Sachsen und Habsburg. Nie vorher hat sich ein Fürst in Lebensgröße auf einem gewirkten Teppich darstellen lassen. Der Teppich ist Programm, in politischer Hinsicht ebenso wie in Sachen Kunst. Wer war dieser Fürst, der sich in seiner kleinen Residenzstadt so selbstbewusst in Szene setzte und ein Schloss hinterließ, das mit den großen Renaissanceresidenzen des Reichs mithalten konnte?
Die Vorgeschichte
Ottheinrich (1502–1559) vereint als Sohn des Pfalzgrafen Ruprecht von der Pfalz und der Elisabeth von Bayern-Landshut die pfälzische und die bayerische Linie der Wittelsbacher in seiner Person. Nach erbittertem bayerisch-pfälzischem Erbfolgekrieg um die Nachfolge im Teilherzogtum Bayern-Landshut 1504/05 war die Einheit Bayerns unter Führung des Münchner Herzogs wiederhergestellt und damit das Ende der Teilherzogtümer des Spätmittelalters endgültig besiegelt worden. Zur Versorgung der Kinder Elisabeths und Ruprechts aber, der verwaisten Prinzen Ottheinrich und Philipp, wurde durch königlichen Schiedsspruch 1505 aus zerstreuten Gebieten im heutigen Oberbayern, in Schwaben, Franken und der Oberpfalz das Fürstentum Pfalz-Neuburg neu geschaffen.
„Viel kurtzweil“ – Jugend unter Vormundschaft
Die Brüder Ottheinrich (1502-1559) und Philipp (1503-1548), noch im Kindesalter, standen unter Vormundschaft ihres Onkels Pfalzgraf Friedrich, der als Statthalter des Pfälzer Kurfürsten im oberpfälzischen Amberg residierte und die Regierungsgeschäfte führte. Ottheinrich wurde in Neuburg auf sein Amt vorbereitet, Philipp studierte in Freiburg und Padua. Feste, Jagden und Reisen prägten ihre Jugend. Die gefahrenreiche Pilgerreise, die Ottheinrich 1521 als zukünftiger Reichsfürst ins Heilige Land unternahm, zeigt ein weiterer monumentaler Bildteppich im Schloss.
Wenig später, am 2. Juni 1522 auf dem Landtag im oberpfälzischen Burglengenfeld, wurden Ottheinrich und Philipp für volljährig erklärt und ihnen die Regierung in Pfalz-Neuburg übertragen. Philipp zog sich wenige Monate später aus der Regierung zurück, da das kleine Fürstentum nicht zwei Fürsten versorgen könne, schon gar nicht bei so aufwendiger Lebenshaltung, wie sie Ottheinrich bald darauf entfaltete.
„Mit der Zeyt“ – Glanz der Neuburger Hofhaltung
Als Abkomme des Pfälzer Kurhauses prägte Ottheinrich zeitlebens das Selbstverständnis seiner potentiellen Nachfolge als Kurfürst von der Pfalz – sein „wartend Erb“. Das kommt in der von ihm gewählten Devise „Mit der Zeit“ zum Ausdruck.
Während der rund drei Jahrzehnte seiner Regierung in Neuburg entfaltete er ein außergewöhnliches Wirken als Bauherr, Auftraggeber und Kunstsammler. Er stand damit als Renaissancefürst mit vielfältigen humanistischen Interessen fest in seiner Zeit. Seine Leidenschaft für Bücher machte ihn zu einem der bedeutendsten Bibliophilen des 16. Jahrhunderts. Die Vermählung 1529 mit Susanna, der Schwester des mächtigen Bayernherzogs Wilhelm IV., brachte ihm die notwendige finanzielle Unterstützung.
Als Ottheinrich in Neuburg einzog, war das Schloss noch eine spätmittelalterliche Burg. Mit dem Küchenbau an der Südseite (1532/33), dem anspruchsvollen Nordflügel mit Sälen und Wohngemächern auf vier Etagen und einem Dachaltan (1534–1538) sowie dem Westflügel mit Gastgemächern, einem gigantischen Festsaal und der Schlosskapelle (ab 1538) entstand eine eindrucksvolle Vierflügelanlage der deutschen Renaissance mit italienischen Anklängen. Dürnitz, Rittersaal, Gastgemächer und der mächtige Festsaal, in dem heute die Rubensaltäre der Staatsgalerie aus der Zeit seiner Nachfolger präsentiert werden, lassen noch heute den Anspruch dieser Bautätigkeit ermessen.
Seine reichen Kunstschätze, darunter eine umfangreiche Porträtgalerie und eine außergewöhnliche Fülle gewirkter Bildteppiche, Bibliothek und Kunstkammer, füllten die Schlossräume. Vieles davon, Porträts, Tapisserien, Jagdgerät und Rüstungsteile, aber auch persönliche Gegenstände wie seine Strickweste mit einem Körperumfang von mehr als zwei Metern, Rückenkratzer oder Schreibschatulle, ist heute im Schloss ausgestellt.
Wiege der Reformation
Politisches Profil als Reichsfürst gewann Ottheinrich gegen Ende der 1530er Jahre, als er sich dem lutherischen Bekenntnis annäherte, den Anschluss an die protestantischen Reichsfürsten suchte und am 22. Juni 1542 mit dem Pfalz-Neuburger Reformationsmandat den neuen Glauben in seinem Fürstentum einführte. Er, der 1521 als junger Mann auf dem Reichstag in Worms den denkwürdigen Auftritt Luthers knapp verpasste, verlieh 1543 seinem Bekenntnis zum lutherischen Glauben mit der Ausmalung seiner Schlosskapelle mit einem programmatischen Bilderzyklus sichtbaren Ausdruck. Sie gilt als der früheste programmatisch ausgestaltete protestantische Kirchenraum schlechthin und ist bis heute ein überragendes Denkmal der Reformationszeit und der Renaissancemalerei in Süddeutschland.
Das „wartend Erb“ – Exil und später Triumph als Kurfürst von der Pfalz
Doch dies war auch das Ende seiner glanzvollen Neuburger Zeit. Der katholische Schwager entzog ihm den Kredit, die Ehefrau starb, der durch seine Bau- und Sammelleidenschaft mitverursachte Staatsbankrott folgte und zwang ihn 1544 ins Pfälzer Exil. Neuburg wurde von den Truppen Kaiser Karls V. besetzt, die Kunstschätze geplündert. Erst 1552 konnte Ottheinrich wieder zurückkehren, um – kinderlos – seinen Nachlass zu regeln. 1556 endlich zog er als Kurfürst in Heidelberg ein. Ein Holzschnitt im Schloss zeigt den Kurfürsten aufgrund seiner Leibesfülle nicht zu Pferd, sondern in der Sänfte.
In den ihm verbleibenden drei Jahren schuf er mit dem Ottheinrich-Bau des Heidelberger Schlosses und der Begründung der Bibliotheca Palatina Weltbekanntes. Für Neuburg ist Ottheinrich bis heute eine Identifikationsfigur, die alle zwei Jahre im Neuburger Schlossfest gebührend gefeiert wird und in den Sälen und Sammlungen des Schlosses lebendig wird.