von Brigitte Langer und Inga Pelludat //
Fünf ungewöhnliche Bildnisse sind nach ihrer Restaurierung wieder auf die Burg Trausnitz zurückgekehrt und nun im Vorsaal der Fürstenetage in neuem Arrangement zu bewundern. Mittels kunsthistorischer Forschung und restauratorischer Untersuchung gelang der Nachweis, dass die auf Holz gemalten Tafelbilder vor rund 450 Jahren entstanden sind und zum authentischen Gemäldebestand der Burg Trausnitz gehören. Sie sind Teil der sogenannten Hofnarren-Serie aus der Zeit des Erbprinzen Wilhelm.
Der Landshuter Erbprinzenhof
Der bayerische Erbprinz Wilhelm hatte die Trausnitz mit seiner lothringischen Gemahlin Renata 1568 als Wohnsitz bezogen. Bis zu seinem Regierungsantritt 1579 als Herzog Wilhelm V. in München entfaltete er hier eine aufwendige und kostspielige Hofhaltung. Den Burghof ließ er zu einem repräsentativen Schlosshof im italienischen Renaissancestil umgestalten, seine Gemächer mit einem gelehrten Bildprogramm ausmalen und die Burg mit Gärten und Gehegen wilder und exotischer Tiere bereichern. Wilhelm versammelte Künstler und Komödianten um sich und ließ letzteren in der berühmten Narrentreppe mit gemalten Szenen aus der italienischen Commedia dell’arte ein Denkmal setzen. Der Hofstaat des Paares umfasste zeitweise bis zu 200 Personen, darunter sicher auch einige Hofnarren.
Quellenfunde sichern Authentizität
Die Narrenserie umfasst insgesamt elf Gemälde, wovon heute sechs im Vorraum zur Narrentreppe als Fries fest eingelassen sind. Die anderen fünf ziehen nun im Raum davor dicht an dicht gehängt die Aufmerksamkeit auf sich.
Wenig wusste man bisher über diese Versammlung zum Teil recht bizarrer Gestalten. So war es lohnenswert, sich mit ihnen genauer zu befassen. Bis ins Jahr 1597 ließ sich die Bilderserie in den Inventaren der Burg Trausnitz zurückverfolgen. Damals schmückten sie eine Tafelstube, die zudem mit Geweihen recht rustikal ausgestattet war – vielleicht der Speisesaal der hier Porträtierten. In ihrer Zeit wurden die Bilder als „Narrencontrafacturn“, also Bilder von Narren, bezeichnet. In einem Malereiinventar von 1761 heißt es später, es wären „Portraits deren gewesten Hof Narren zu Landtshut“. Man hielt sie also für Bildnisse realer Personen. Die ausnehmend lebendige Charakterisierung der Porträtierten legt dies tatsächlich nahe.
Alles Narren?
Bei genauerer Betrachtung sind jedoch nicht alle Dargestellten unter die Hofnarren zu zählen. Einige Herren in vornehmer dunkler Hoftracht zeigen vielmehr die adeligen Inhaber verschiedener Hofämter wie einen Kammerherrn mit zugehörigem Kammerschlüssel, einen Leibarzt oder Apotheker mit Reagenzglas und einen Postreiter mit Horn. Andere jedoch lassen sich durch Kleidung, Attribute und grobere Gesichtszüge dem weiten Feld der „Narren“ zuordnen, worunter die eigentlichen, durchaus gebildeten Hofnarren durch auszeichnende Goldketten mit Medaillen als die am Hof geschätzten Unterhalter ausgewiesen sind, die dem Fürsten auf humorvolle Weise den Spiegel vorhalten durften.
Hundebändiger, Leibgardist, Tiroler und Wilder Mann
Zu diesen gehörte sicherlich der in zwei Fassungen porträtierte Mann südländischen Typs mit markanten Gesichtszügen und kurzem dunklem Haar, gekleidet in blauweiß gestreiftem Wams mit zeittypischer weißer Halskrause und gleich drei Goldketten mit Medaillen. Ein kampflustiger wilder Hund – man sieht nur den Kopf – verbeißt sich in sein Schwert, wie in einer Bildsequenz einmal hinter und einmal vor ihm. Ist hier der Hundebändiger porträtiert, der 1577 am Hof Wilhelms in Landshut nachgewiesen ist? Er war zuständig für die korsischen und türkischen Hunde, die sich Wilhelm in den 1570er Jahren durch Agenten liefern ließ und die wie auch Löwen und Bären in eigenen Gehegen mit Wärtern gehalten wurden. Nur die Schelle am Ohr mag auf seine Rolle als höfischer Unterhalter hinweisen, hochdekorierter Bändiger nicht nur der Tiere, sondern auch des Fürsten mittels Humor.
Rätsel gibt ein Mann mit rötlichem Spitzbart auf, der mit seiner Sturmhaube mit Federschmuck und zweigeteiltem blauweißem und rotgoldenem Gewand als Trabant, also Mitglied der fürstlichen Leibwache, charakterisiert ist. Man möchte ihn in einer der Wächterfiguren der verlorenen Wandfresken im Rittersaal Wilhelms wiedererkennen. Der goldene Becher, Symbol für Lebensfülle, aber auch Trunkenheit in der einen, und die Eule, Symbol für Weisheit und Hellsicht, in der anderen Hand legen im Rahmen der Hofnarrenikonographie eine vielfältige Lesart als Fürstenlob und Mahnung nahe.
Das Interesse an allem Ungewöhnlichen war in der Epoche der Renaissance groß. Porträts von Haarmenschen, von Zwergen, von Menschen fremder Nationen wurden von den Fürsten für ihre Kunst- und Wunderkammern als Kuriosa gesammelt, die realen Personen mitunter am Hof beschäftigt. So scheint es auch bei dem Bärtigen mit Tiroler Hut und Spitzhammer zu sein, der in der Proportionierung von Kopf und Händen zum Körper als kleinwüchsig gekennzeichnet ist. Sein wacher Blick zeigt ihn als geschätztes Mitglied des Hofstaats, dem auch die prunkvolle Kette mit großer Medaille Rechnung trägt.
Das Bildnis eines grimmig dreinblickenden Alten mit schlechten Zähnen und ungepflegtem Bart im langen roten Mantel, am Gürtel ein Sack vielleicht mit einer Keule, scheint mehr unter die Kuriosa als die realen Porträts zu fallen. Verkörpert scheint hier der damals geläufige Typus des „wilden Mannes“, der ein bisschen an den berühmten Haarmenschen Pedro Gonzales erinnert, der damals an den Höfen weitergereicht und für die Kunst- und Wunderkammern porträtiert wurde.
Entstanden die Holztafelgemälde wirklich vor 1597?
Uns interessierte, sind die Tafelbilder alle authentisch aus der Zeit Wilhelms, ist es wirklich eine Serie, sind sie vielleicht sogar aus einer Hand? Eine kunsttechnische Untersuchung liefert hierfür wichtige Hinweise. Sie erarbeitet Erkenntnisse zur Herstellung eines Kunstwerks und zu seinen Veränderungen seit seiner Entstehung. Die Beschäftigung mit den Bildträgern erbrachte erste Anhaltspunkte: Alle fünf Tafeln sind aus derselben Holzart, mikroskopisch bestimmt: Fichtenholz. Sie bestehen aus stumpf gefügten Einzelbrettern mit der Schichtdicke von ca. 2 cm. Die Holzbearbeitungen, die Zurichtung mit einem Schrupphobel und die ungenügende Glättung der Vorderseiten sind sehr ähnlich. Vier Tafeln haben die gleichen, eher ungewöhnlichen Einschubleisten auf der Rückseite. Auch die Maltechniken ähneln sich stark. Auf grob ausgemischten, zweischichtigen Grundierungen liegen die dünnen Malschichten. Vier der fünf Gemälde haben spätere, teilweise großflächige Übermalungen.
„Der Hundebändiger“ in zwei Versionen: Original und Kopie?
Betrachten wir exemplarisch den Hundebändiger, von dem es zwei Versionen gibt. Nur eine der Tafeln (Tafel A) hat holzsichtige Ecken. Ihre Malerei ist sehr viel differenzierter und auch farbintensiver als die des Pendants (Tafel B). Auch die Gesichter wirken sehr unterschiedlich: Eines malerischer, das andere grober angelegt. Ist das „grobere“ Gemälde eine spätere Kopie des feineren Originals?
Der Blick auf die Rückseite offenbart: Auch bei der vermeintlichen Kopie sind die Ecken angestückt! In der UV-Aufnahme sieht man eindeutig: Die Ecken zeigen eine spätere Malerei. Handelt es sich demnach doch bei beiden Tafeln um später in der Form veränderte Originale? Stammen sie aus einer Zeit oder sogar aus einer Hand?
Anhand einer Pause der Umrisse zeigte sich: Beide Versionen stimmen fast genau überein. Es gibt nur einen leichten Versatz. Auf beiden Gemälden sieht man eine nur im Grundton angelegte Variante des Hundemauls. Anscheinend hatte der Künstler zunächst eine andere Position des Hundekopfes vorgesehen. Auch diese Pentimenti der Hundeschnauzen sind nahezu deckungsgleich.
Die Grundierungs- und Farbschichten sind bei beiden Tafelgemälden sehr dünn, daher zeichnen sich die Holzbearbeitungsspuren deutlich ab. In einzelnen Farbpartien kann man den Pinselduktus nachvollziehen, da die verwendete Malfarbe wohl eher zäh war. Die Nahsicht auf die Augenpartie des Hundes beider Tafeln verdeutlicht diese Charakteristik. Ein Unterschied fällt auf: Am Auge von Tafel B sieht man zwar auch die Riefen vom Holz, die Malschicht ist hier jedoch partienweise sehr viel pastoser. Eindeutig zu erkennen ist: Das Augenlid unterhalb der Pupille ist später nachgearbeitet. Die originale Malschicht unter der pastosen Überarbeitung ist sehr viel dünner.
Betrachtet man kleinste an Fehlstellen entnommene Malschichtpartikel unter dem Mikroskop, zeigt sich eine klare Übereinstimmung im Aufbau der Malschichten der beiden Tafeln. Die Grundierungsschichten sind gleich ausgemischt. Aber: Bei der Probe von Tafel B sieht man deutlich eine bräunliche Übermalung, die sogar auf einer hellen Zwischengrundierung liegt. Die darunterliegende originale Malschicht wirkt hier beschädigt.
Bei den zwei Versionen des „Hundebändigers“ handelt es sich also um zwei zeitgleiche Kunstwerke, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus einer Werkstatt, vermutlich gar aus einer Hand stammen. Eines zeigt weitgehend seine Originaloberfläche, das andere ist stark beschädigt und daher großflächig übermalt. Das gut erhaltene, kaum überarbeitete Gemälde hat als einziges keine Einschubleiste und ist daher etwas verworfen. Vermutlich ist diese Verwölbung schon sehr früh beim Bemalen entstanden. Vielleicht liegt hierin der Grund für die zwei Versionen? War die erste Version aufgrund der Verwölbung vielleicht nicht für den Einbau in eine Vertäfelung geeignet? Wahrscheinlich war sie nie eingebaut und hat daher auch weniger Schäden. Übrigens: Beide Tafeln werden 1761 als „oval“ beschrieben. Anhand einer versuchsweisen Rahmung mit einer ovalen Rahmenschablone zeigte sich, dass die Bildwirkung in dieser Form gesteigert wird. Tafel A wurde deshalb für die Neupräsentation auf der Burg nun mit ovalem Bildausschnitt gerahmt.
Dendrochronologie bestätigt das Alter der Tafelbilder
Da es in der Zeit vom späten Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert wenig neue Pigmente gibt, ist eine Datierung über eine Pigmentbestimmung nicht zielführend. Als sehr aussagekräftig erwies sich jedoch eine dendrochronologische Untersuchung. Bei dieser Methode werden die aufeinanderfolgenden Jahrringbreiten vermessen und mit regionalen Standardchronologien abgeglichen. Die Datierung des jüngsten vorhandenen Jahrrings weist das Fälldatum des verwendeten Holzstamms nach. Bei Gemäldetafeln liegen meist nur wenige Jahre zwischen der Fällung des Baums, der Tafelherstellung und ihrer Bemalung. Wir konnten einen Spezialisten für die dendrochronologische Datierung von Holztafelgemälden, Herrn Prof. Dr. Klein, für unser Projekt gewinnen. Sein Ergebnis: „Der jüngste Jahrring aller (vier untersuchten) Tafeln stammt aus dem Jahr 1570. Eine früheste Entstehung der Gemälde wäre bei einer minimalen Lagerzeit des Holzes von zwei Jahren ab 1572 denkbar.“ Einzelne Bretter der „Hundebändigertafel B“ sind aus demselben Baumstamm gearbeitet wie ein Brett der Tafel vom Mann mit Goldbecher.
So schließt sich der Kreis. Die Untersuchungen bestätigen die Authentizität der Tafelbilder und ihre Entstehung als Bilderserie bald nach 1572 in der Zeit des Erbprinzen Wilhelm auf der Burg Trausnitz.