Der Ritter im schimmernden Panzer
Hier links sehen wir die geläufige Vorstellung, die mit den mittelalterlichen Kämpfern und ihrer Funktionskleidung verbunden wird. Ein Idealbild, wie es Albrecht Dürer beispielhaft in seinem berühmten Kupferstich von 1513 entwirft. Wir finden es in unzähligen Darstellungen der Bildenden Kunst, welche die Welt der heute populären Fantasy- und Historienfilme inspirieren.
Was ist eine Rüstung und aus welchem Material besteht sie?
Ein wichtiger Bestandteil der mittelalterlichen Rüstungen war das von den Kelten erfundene und von den Römern kopierte Kettenhemd oder Ringpanzerhemd. Mit der Verbreitung von Fernwaffen wie Langbögen und Armbrüsten ab dem späten 12. Jh. ging man dazu über, den Körper durch zusätzliche Panzerplatten des sogenannten Plattenrocks zu schützen. Aus diesem entstand im 14. Jh. der Lentner, eine gepanzerte Schutzweste, aus der sich wiederum die Brigantine entwickelte, eine Art Schuppenpanzer aus auf Textil und Leder genieteten Metallplättchen. Erst ab dem Ende des 14. Jahrhunderts – also während des späten Mittelalters – entwickelte sich der Plattenharnisch, der aus polierten oder beschichteten Stahlplatten bestand, die den Großteil des Körpers bedeckten.
Er entspricht der Ritterrüstung, wie wir sie uns heute vorstellen. Jedoch konnte sich eine derart kostspielige Ausrüstung nur ein kleiner Teil der damaligen kämpfenden Truppe leisten – in erster Linie wohlhabende Adlige. Die zahlreichen Fußsoldaten, die im ausgehenden Mittelalter als Söldner für ihren Fürsten in den Krieg zogen, trugen meist Schutzkleidung, die nicht hauptsächlich aus dem kostbaren und schwer zu verarbeitenden Material Stahl bestand. Hier bot sich neben textilen Ausstaffierungen der Werkstoff Cuir bouillie (franz. für „gekochtes“ bzw. „gesottenes“ Leder) an, ein durch Erhitzen in Wasser gehärtetes Leder, das gerade in Kombination mit Textil und Eisennieten eine gute Schutzwirkung zeigte.
Gekochtes Leder – ein fast vergessener Werkstoff
Dass Leder für die Herstellung von Rüstungen verwendet wurde, verrät uns die Sprache. Einer der wichtigsten Bestandteile der Rüstung – der den ganzen Rumpf bedeckende Brustpanzer – wurde Kürass genannt, was sich von dem französischen cuirasse für Lederpanzer ableitet.
Weitere Hinweise finden sich in der zeitgenössischen Literatur.
So schreibt der englische Dichter Geoffrey Chaucer Ende des 14. Jahrhunderts in seinen „Canterbury Tales“ über den Ritter Sir Thopas: „Hise lambeux were of quyrboilly“ („Seine Beinschienen waren aus gekochtem Leder“). Aufgrund der Vergänglichkeit des Materials Leder unter ungünstigen klimatischen Bedingungen haben sich leider fast keine mittelalterlichen Lederrüstungs-Bestandteile erhalten. Ein großes Glück in dieser Hinsicht ist ein Latrinenfund, der im Jahr 2000 in Tartu, der zweitgrößten Stadt Estlands gemacht wurde.
In der sauerstoffarmen Atmosphäre der Latrinengrube erhielten sich – neben anderen mittelalterlichen Gegenständen – zwei guterhaltene Lederarmschienen, die in das 14. Jh. datiert werden und evtl. aus deutscher Produktion stammen. Die Schienen entsprechen weitgehend den Armschienen, die der Ritter Burghard von Steinberg auf einer Grabplatte des ausgehenden 14. Jahrhunderts trägt.
Warum wurde das Leder „gekocht“?
Leder ist durch Gerbung haltbar gemachte Tierhaut. Es handelt sich dabei um eine der ältesten Kulturtechniken der Menschheit. Die Rohhäute wurden für bis zu drei Jahre in Gruben in einen Sud eingelegt, der gerbstoffhaltige Pflanzenbestandteile wie z.B. Kiefern- bzw. Eichenrinde oder Galläpfel enthielt – ein äußerst anrüchiges Handwerk, weswegen Gerbereien oft in eigene Viertel verbannt wurden. Für die Anfertigung von Schutzpanzern eignet sich dieses Leder nur bedingt, da es zwar zäh, aber nicht hart genug ist. Durch das Erhitzen des Werkstoffs in Wasser auf eine bestimmte Temperatur wird es jedoch formbar und gewinnt an Festigkeit.
Gekochtes Leder für die Cadolzburg
Diesmal also gekochtes Leder. Die Kunsthistoriker Uta Piereth und Sebastian Karnatz, die das Konzept des neuen Burgmuseums auf der Cadolzburg entwickelten, waren bei ihren Recherchen auf das Material „Cuir bouilli“ gestoßen. Nun sollte die seinerzeit geläufige und heute fast vergessene Technik wieder in den Fokus gerückt und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar gemacht werden. Da Repliken aus diesem Werkstoff im Handel nicht erhältlich sind, ging ihre Anfrage an die Papierrestaurierung der Bayerischen Schlösserverwaltung. Dort werden neben Objekten aus Papier und Pergament auch solche konserviert, die mit dem Werkstoff Leder hergestellt wurden – wie z.B. Bücher und Futterale.
Nun sollte ein Brustharnisch in dieser Technik entstehen, der durch die zukünftigen Besucher der Cadolzburg angefasst und anprobiert werden kann. Leider konnte ich auch nach ausführlicher Recherche kein historisches Rezept ausfindig machen. Wertvolle Tipps fanden sich im Bereich des Reenactment und der experimentellen Archäologie. Diese Tipps konnten jedoch eigene Erfahrungen durch Versuche nicht ersetzen.
Es zeigte sich, dass für eine erfolgreiche Durchführung folgende Werkstoffe und Werkzeuge zur Verfügung stehen müssen:
- ca. 5mm starkes vegetabil gegerbtes Rindsleder
- ein ausreichend großer Kochtopf samt Kochplatte
- ein Rührstock ohne scharfe Kanten, der die Lederoberfläche nicht verletzt
- ein Thermometer zur Kontrolle der Wassertemperatur
- ein Kurzzeitmesser zur Kontrolle der Kochdauer
- die Anfertigung eines Holzmodels sowie geeignete Handschuhe, Nägel und Werkzeuge zum Spannen des gekochten Leders
Die grobe Vorlage für die Form des Models stellte das Rückteil eines unhistorisch hergestellten Lederpanzers, der im Internet bestellt wurde. Das Vorderteil war als – für das Mittelalter unüblicher – Muskelpanzer ausgeformt, weswegen es nicht verwendet werden konnte.
Dieser Rückenpanzer wurde gescannt und die Form anschließend digital bearbeitet. Die dabei erzeugten Daten erlaubten das Fräsen der Model-Grobform aus dem Teil eines Roßkastanien-Stammes, der von Heinrich Piening, dem Leiter der Möbelrestaurierung zur Verfügung gestellt wurde. Anschließend wurde die Form noch von unserem Bildhauer Martin Kutzer ausgearbeitet.
Alle Informationen zur Cadolzburg findet Ihr auf unserer Webseite! Wir freuen uns auf Euren Besuch und Eure Bilder von und mit dem grandiosen Lederharnisch. Teilt diese gerne mit unserem Hashtag #schloesserbayern!