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Das Schlitten-Harmoniemusik-Ensemble spielt auf! Bemerkenswertes zum Musikschlitten im Marstallmuseum Schloss Nymphenburg

Musikschlitten im Marstallmuseum Nymphenburg

Was, der Musikschlitten im Marstallmuseum ist Euch noch nie aufgefallen? Oder Ihr habt ihn dort nach dem überwältigenden Barock- und Neorokoko-Prunk aus dem ersten Museumstrakt übersehen, als Ihr zum Spurt durch die gegenüberliegende Wagenhalle angesetzt haben? Tja, manchmal lohnt es sich, stehenzubleiben. Denn dieses auf den ersten Blick mit seinen blaubetuchten, langen Sitzbänken und dem mit Löwenkopf verzierten Reitsitz etwas befremdlich anmutende Gefährt ist ein herausragendes Einzelstück – nicht nur für die Nymphenburger Sammlung, sondern darüber hinaus.

Zeit also, ihm einen Blog-Beitrag zu widmen und damit auch die brennenden Fragen zu klären, die Besucher quälen: Wie, ein Musikschlitten? Was ist das? Saßen da echte Musikanten drauf? Und wenn ja, wie viele??
Tatsächlich beförderte dieser Schlitten bei seinen ausgesuchten Einsätzen im 19. Jahrhundert eine Bande quirliger Hofmusikanten bei königlichen Schlittenfahrten. Mehr noch: Er führte diese sogenannten Schlittagen sogar an.

Musikschlitten im Marstallmuseum Nymphenburg

Musikschlitten im Marstallmuseum Nymphenburg.

Aber beginnen wir bei der seltsam länglichen Form des Schlittens:

Im Zedler, dem ab Ende des 18. Jahrhunderts erschienenen ersten deutschen Universallexikon, wird ein solcher Schlittentyp, wie ihn der königlich-bayerische Musikschlitten verkörpert, als „niedriger Wurstschlitten“ kategorisiert. Sein sommerliches Pendant ist die „Jagdwurst“. Kein Scherz. Im herrschaftlichen Wagenfuhrpark der Neuzeit waren „Würste“ nichts Essbares, sondern Gefährte mit langen Sitzbänken, auf denen man platzsparend Passagiere unterbringen konnte. Sie saßen rittlings oder längs auf den Bänken und wurden zum Beispiel zum Sammelplatz für die personenaufwendigen fürstlichen Jagden gebracht. Selbstredend, dass die hohe Herrschaft in eigenen Wägen für zwei bis vier Personen kutschiert wurde. Und deshalb auch logisch, dass die Hofkapelle auf einer Schlittenwurst fuhr.

Da es sich aber wiederum nicht um gewöhnliche Schlittenfahrten, sondern um königlich-bayerische Show-Auffahrten durch die Münchner Innenstadt handelte, ließ man sich vom Hofwagenfabrikanten Lankensberger eine repräsentative Luxusversion anfertigen: das Gestell mit Holzschnitzereien verziert, die Lackierung in den königlichen Farben Silber und Blau gehalten, die Polster mit Borten und Fransen besetzt. Auf dem sogenannten Spritzbrett ganz vorne am Schlitten, das den von den Pferdehufen aufgewirbelten Schnee von den Schlittenpassagieren abhielt, eine goldgemalte Königskrone mit Lorbeer- und Palmenzweig. Aber zu viel Komfort für die Musiker sollte es auch wieder nicht sein: Bei den zu dieser Zeit hochmodernen und bequemen C-Federn hinten handelt es sich nur um funktionslose Attrappen.

Gustav Wilhelm Kraus, Schlittenfahrt des Hofes über den Promenadeplatz, 1824/25,© Münchner Stadtmuseum.

Angefertigt wurde der Schlitten für vergnügliche Ausfahrten zur Faschingszeit. Auch wenn das höfische Leben im 19. Jahrhundert den aufwendigen Prunk des vorangegangenen Säkulums nüchtern neutralisierte, gab es mindestens bis zur Jahrhundertmitte winterliche Prachtschlittenausfahrten des Münchner Hofes. Der Musikschlitten hatte seine ersten Faschings-Einsätze am 3. und 11. Februar 1827, wie bereits erwähnt, ganz zuvorderst. Ihm folgten die Gala-Phaeton-Schlitten der Herrschaft – so wie das im Museum nach dem Musikschlitten ausgestellte Exemplar von Kronprinz Maximilian. Solche Gala-Gefährte wurden ohne Kutscher gefahren. Das heißt, im Jahr 1827 hielt der bayerische König Ludwig I. höchstselbst die Leinen in der Hand. Ebenso wie die anderen hochherrschaftlichen Teilnehmer der Schlittage, etwa Sisis Vater, Herzog Maximilian von Bayern, der bayerische Kronprinz, die Witwe des bayerischen Kurfürsten Carl Theodor, der Oberststallmeister Baron von Kessling sowie das Who is who des bayerischen Hofadels – von Taxis, von Leuchtenberg, die Montegelas, die Poccis usw.

Und wie viele Musiker befanden sich nun auf dem Musikschlitten?

Die Antwort liefert eine zeitgenössische Publikation. 1830 veröffentlichte der königlich-bayerische Wagenbau-Inspektor Johann Christian Ginzrot in München sein Werk „Die Wagen und Fuhrwerke der verschiedenen Voelker des Mittelalters und der Kutschen-Bau neuester Zeiten“. Im dazugehörigen Tafelband sind einige der ihm persönlich bekannten Gefährte aus dem Münchner Hoffuhrpark abgebildet, darunter auch der Musikschlitten. Er wird augenscheinlich vierspännig gefahren, wobei auf dem hinteren linken, mit Schellengeläuten geschmückten Pferd ein Postillion mit Peitsche sitzt. Somit ein Platz weniger auf dem Schlitten für den Kutscher. Die Musiker in Hoflivree spielen Querflöte, Oboe (?), Horn, Klarinette (?), Triangel, Trommel, Signalhorn und einen Schellenbaum sowie vermutlich noch andere Holzblasinstrumente. Es handelt sich also um ein Harmoniemusik-Ensemble, das wohl Militärmarsch-ähnliche Stücke gespielt haben dürfte, vielleicht im Takt der eifrig dahintrabenden Pferde.

Ginzrot, Musikschlitten (1830)

Abbildung nach Ginzrot, Bildausschnitt Musikschlitten (1830).

Und hier die Auflösung der Platzfrage: Ginzrot schreibt, dass der Schlitten „für dreyßig Musiker eingerichtet“ ist. Das wären je sieben Plätze auf den drei Wurstplätzen, je vier auf den beiden Querbänken hinten und vorne und einer auf dem Reitsitz. Eng, ungefedert und ohne wärmendes Bärenfell an den Füßen wie bei der Herrschaft: Das Leben eines Hofmusikers war hart. Die Freude der Zuschauer am Straßenrand, die in den audiovisuellen Genuss dieses Schlitten-Harmoniemusik-Ensemble-Open Airs kamen, dafür hoffentlich umso größer.

 


Den Musikschlitten könnt Ihr Euch täglich im Marstallmuseum in den südlichen Kavaliersgebäuden von Schloss Nymphenburg ansehen. Geöffnet ist wie folgt:

April bis 15. Oktober: täglich 9-18 Uhr
16. Oktober bis März: täglich 10-16 Uhr