Geheimnisse, Residenz München

Bauen fürs Vergnügen?

Wer heute die Reichen Zimmer der Residenz zum ersten Mal betritt, ist meist verblüfft. Schon Einrichtung und Wandschmuck der benachbarten Räume sind nicht gerade schlicht gehalten. Mit dem Eintritt in das ehemalige kurfürstliche Appartement jedoch entfaltet sich auf einen Schlag Cuvilliés ganze reiche Phantasie.
Geben wir es zu – zurückhaltend ist das nicht. Und auch wer mit Gold und bravourösen Schnitzereien nicht viel anfangen kann, wird vielleicht eher verschreckt reagieren.

Die Grüne Galerie vor der Kriegszerstörung: Blick auf die Fassade am Residenzgarten.

Um den Aufwand, den man sich hier ohne Blick auf die Kosten leistete, zu verstehen und richtig einzuordnen, muss man sich die Funktion solcher fürstlichen Schauräume klar machen: Sie bildeten den ersten, vielleicht wichtigsten Rahmen barocker Herrscherrepräsentation. Erst der umgebende Prunk und die souveräne Verschwendung verliehen den Machtansprüchen des fürstlichen Bewohners Anschaulichkeit: Schein und Sein sollten hier in einer für die Epoche charakteristischen Weise zur Deckung gebracht werden.

Dies war die Aufgabe vor der Cuvilliés stand, als er nach dem Brand von 1729 mit der Neugestaltung des kurfürstlichen Appartements betraut wurde. Auch heute noch, nach fast 300 Jahren lässt sich beispielsweise anhand der Grünen Galerie nachvollziehen, wie er die Anordnung der Gemächer, die Ausstattung, aber auch den vorgegebenen Weg der Besucher in seine räumliche Inszenierung der Macht miteinbezog.

Das neue kurfürstliche Appartement entstand südlich und östlich des Grottenhofs, dem ältesten und schönsten der acht Innenhöfe der Residenz. Es musste sowohl zeremoniellen wie gesellschaftlichen Ansprüchen eines absolutistischen Hofes genügen. Vor diesem Hintergrund bildete die neu errichtete Galerie den imposanten Auftakt der Festräume.
Von 1731-1733 errichtete Cuvillies den zweistöckigen Längsbau mit seiner eleganten Rokokofassade. Mit sieben wandhohen Fenstern öffnete sie sich nach Westen auf den damals noch existenten Residenzgarten (heute Königsbauhof). Vom Erdgeschoss führte ein prunkvolles Treppenhaus durch zwei Türen in die Galerie. Diese weitete sich im Süden und Norden zu zwei identisch gestalteten Ecksalons, von denen der südliche allerdings schon 1826 der Erweiterung der Residenz zum Opfer fiel.

Die Galerie war also der erste Eindruck, den Gäste von der offiziellen Herrscherwohnung empfingen und entsprechend war die gesamte Ausstattung darauf berechnet, den Besucher in möglichst fassungsloses Erstauen zu versetzen: „Mehr ist mehr“ ist dabei durchaus das Motto der Gestalter gewesen: Auf Tischen und entlang der Wände reihten sich Kleinskulpturen und Porzellane aus den märchenhaft fernen Ländern Japan und China. Vor allem aber wetteiferten an den grün bespannten Wänden Meisterwerke der berühmten kurfürstlichen Gemäldesammlung um Aufmerksamkeit.

Die Grüne Galerie vor der Kriegszerstörung: Blick in den Nördlichen Salon vom Spiegelsaal ausgehend, kolorierte Fotopostkarte.

An einem Galahoftag, kurz vor 1740 etwa, müssen die Reichen Zimmer und die Grüne Galerie einen unglaublichen Anblick geboten haben: Belebt vom Gedränge kostbar gekleideten Menschen, die sich vor den Spieltischen drängten, an denen Vermögen gemacht und  verloren werden konnten; Dazu die musikalische Untermalung der kurfürstlichen Hofkapelle; schließlich das lebendige Dämmerlicht der Dutzenden von Kerzen, die nötig waren, die riesigen Räume zu erhellen. Nicht nur die stickige, heißen Luft und die großzügig über die Anwesenden verteilten Duftwässerchen dürften so Manchem den Atem geraubt haben – das schönste Rokoko auf Erden war geboren….