Geheimnisse, Residenz München

„Wir sind Kaiser“ – Lorbeer auf Leinwand, Kronen aus Gips und zwölf aufgehängte Imperatoren

Schon gewusst? Bevor der Kaisertitel auf heimische Fußballer übertragen wurde, haben sich bereits die Wittelsbacher des 18. Jahrhundert aktiv um die höchste aller Kronen bemüht und versucht, München zur neuen kaiserlichen Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zu machen.

Kurfürst Karl Albrecht als Kaiser Karl VII., Gemälde aus der Werkstatt Georges Desmarées, nach 1742, Schloss Nymphenburg

Schon Kurfürst Max Emanuel (regierte 1679-1726) hatte menschenfreundlich auf das Aussterben seiner Habsburger Vettern im Mannesstamm spekuliert. Da die Habsburger seit dem 15. Jahrhundert in ununterbrochener Folge die Kaiser stellten, verheiratete Max Emanuel seinen Sohn Karl Albrecht mit dessen Cousine Maria Amalia, der Tochter Kaiser Josephs I. Er hoffte, Karl möge einstmals seinen Habsburger Schwiegervater „beerben“, sprich, von den anderen Kurfürsten als Nachfolger auf dem Kaiserthron „gekürt“, also gewählt werden.

Diese – übrigens sehr reale – Hoffnung stand auch Pate bei der Gestaltung der Reichen Zimmer und der Grünen Galerie in der Münchner Residenz: Oft kann ja eine bezeichnende Geste oder ein aussagekräftiges Bild besser als jedes gesprochene Wort klarmachen, worauf es ankommt, ohne dass man sich selber eindeutig festlegen müsste. Wenn nur genügend Hinweise auf die Krone und die Herrschaft in den Räumen des bayerischen Kurfürsten verteilt würden, würden  Diplomaten und fürstliche Kollegen schon registrieren, dass sich hier jemand zu noch höheren Würden berufen fühlte – und so sicher damit rechnete, dass er schon mal mit der Dekoration der künftigen Kaiserresidenz begann.

Vor diesem Hintergrund  erscheint die überbordende Ornamentik, die die Wände der Grünen Galerie und der angrenzenden Räume überzieht, plötzlich in einem anderen Licht: So macht es Sinn, dass in Vorzimmer und Audienzzimmer Porträts der 12 ersten römischen Kaiser über den Türen angebracht sind – übrigens Kopien nach Tizians berühmter, heute verlorener Serie für die Dynastie Gonzaga in Mantua. Zwar befinden sich unter den Abgebildeten auch so unangenehme Skandalfiguren wie Caligula und Nero – aber egal: was hier zählt, ist vor allem der Lorbeer der Imperatoren.

Ludwig der Bayer im Audienzzimmer der Reichen Zimmer, gemalt von Pieter de Witte, alias Peter Candid, 1600-1605

Ebenfalls im Audienzzimmer wird die Reihe aber auch bezeichnenderweise ergänzt durch ein extra hierher versetztes älteres Bildnis des bis dato einzigen Wittelsbacher Kaisers: Ludwig der Bayer (regierte als Kaiser 1328-1347). Wer noch den Beweis brauchte, dass von München aus die Welt regiert werden könne, konnte mit knapper Geste gebeten werden, den Blick kurz nach oben zu richten.
Auch in der Galerie setzten die Gestalter auf die gediegene Überzeugungskraft großer Namen. Über dem Kamin ist das kantige Gipsprofil Karls des Großen unter der stilisierten Reichskrone, bewacht von einem eher zierlichen Goldadler, zu erkennen.

Portraitrelief Karls des Großen über der nördlichen Kaminwand der Grünen Galerie

Auch dies eine exzellente Motivwahl für den Stuckateur: Nicht nur handelte es sich um den ersten nachantiken Kaiser des Westens, der zu allem Überfluss auch noch heilig gesprochen worden war. Vielmehr konnten die Wittelsbacher mit etwas Mut und Willen zur Legendenbildung, beanspruchen, von Karl abzustammen (leider weigern sich heutige Genealogen, eine solche edle Verwandtschaft der bayerischen Herrscher mit den fränkischen Karolingern anzuerkennen – schade).

1 Kommentare

    Kommentare sind geschlossen.