Lieblingsstücke unserer Autoren, Residenz München

Ein heißes Teil – der Jason-Ofen in den „Reichen Zimmern“

jasons ofen residenz

Held Jason strahlt – Mission impossible accomplished! Während zu seinen Füßen ein geflügelter Drache mit friedlich ausgestreckten Pranken (magisch betäubt) wie ein kleines Schoßhündchen schläft, präsentiert der mythologische Prinz stolz wie Tom Cruise seinen Mithelden ( den sogenannten „Argonauten“) seine Beute – das berühmte goldene Vlies, ein wundertätiges Widderfell, das vom schnarchenden Untier bewacht wurde. Dass dieses Zauber-Vlies, das hier ein bisschen an ein modisches Handtäschchen erinnert, golden ist, sieht man, muss es andererseits aber auch wissen: Schließlich schimmert das ganze Relief, auf dem die berühmte mythologische Szene dargestellt ist, in metallischem Glanz! Es handelt sich um den keramischen Schmuck eines großen Prunkofens, der zusammen mit einem gleichfalls reich dekorierten Pendant im Vorzimmer des kurfürstlichen Paradeappartements der Residenz steht – den „Reichen Zimmern“.

Zusammen mit seinem Gegenüber ist der gewaltige Ofen ein gutes Beispiel für frühes Design, also den künstlerischen Versuch, einen Nutzgegenstand ästhetisch zu veredeln. Allerdings war man um 1730, als der aus Italien gebürtige, aber im österreichisch-bayerischen Raum tätige Bildhauer und Stuckateur Cesare Antonio C(h)anavese unser gutes Stück gestaltete, von einem puristischen Ansatz à la „form follows function“ ziemlich weit entfernt. Die mannshohen keramischen Flächen heizten stattdessen die Dekorationslust barocker Ausstattungskünstler an, die hier richtige kleine Zimmermonumente schufen, die man gern betrachtete, bevor man sich verstohlen – und wohlig – an die wärmende Oberfläche anschmiegte….

Auch heiztechnisch dürften die Zeitgenossen die – schon seit Langem erfundenen – Kachelöfen immer noch dankbar als wichtigen Schritt in eine richtige Richtung empfunden haben: Nicht nur, dass sie im Vergleich zu den oft schlecht ziehenden Marmorkaminen der Prunkräume die gespeicherte Hitze gleichmäßiger abstrahlten. Die Öfen konnten auch diskret und schmutzfrei von einem Nebenraum aus befeuert werden, ohne die Symmetrie der Wände mit hässlichen Holzlagern zu verschandeln. Vor allem aber rauchten sie nicht – ein riesiger Vorteil angesichts der berüchtigten Kamine des 18. Jahrhunderts: Nebelmaschinen, die heutige Diskussionen über Rauchverbote im öffentlichen Raum wie ausgefuchste Luxusdebatten aussehen lassen).
Gerade in den herrschaftlichen Vorzimmern, in denen Scharen von Höflingen, Bittstellern und Bediensteten oft lange Winterstunden auf Zutritt zum Fürsten warten mussten (und denen die Hofordnung perfiderweise verbot, sich in der Zwischenzeit irgendwie sinnvoll zu beschäftigen), war eine komfortable und funktionierende Raumheizung eine Gnade, die nicht in allen Schlössern selbstverständlich war!

Vielleicht war es diese Wahrnehmung als eine rundweg sympathische Erfindung, warum die künstlerische Gestaltung der Residenzöfen gern in den Dienst der Herrscherrepräsentation gestellt wurde – als ob sich die warmherzigen Gefühle des Landesvaters für seine Untertanen, die sich fröstelnd nach Schutz suchend zu seinen Füßen zusammendrängen sollen, hier plastisch und symbolträchtig zugleich darstellen ließen.

„Unser“ Ofen ist da ein gutes Beispiel: Auf seiner Spitze hat ein kleiner Putto den bayerischen Kurhut abgelegt, der hier für den Träger vielleicht schon einmal vorgewärmt wird!

Etwas darunter rekeln sich die beiden goldenen Wappenlöwen wohlig wie Kätzchen auf dem heißen Porzellan. Sie passen auf, dass die chaotischen Kräfte des Feuers, symbolisiert durch zwei kleine Drachen über ihren Köpfen, kein Chaos anrichten. Eine reale Gefahr: Schließlich hatte doch erst 1729 ein zerstörerischer Großbrand, die prachtvolle, ursprünglich von Joseph Effner ausgestaltete Zimmerflucht, in welcher der Ofen nun steht, in Schutt und Asche gelegt! Erst diese Katastrophe hatte die Überarbeitung der erhaltenen Reste und die Neuausstattung der verlorenen Räume durch François Cuvilliés notwendig gemacht!

 

Kleinod des Vlies-Ordens (Saphire, Brillanten, Gold, vergoldetes Silber), München, um 1760, Schatzkammer der Residenz

Mit Feuer kennt sich auch Jason, der Heros auf unserem Relief, gut aus: Musste er doch auf seinem Weg zum goldenen Vlies nicht nur selbst den Wächter-Drachen einschläfern, sondern zuvor auch noch zwei feuerschnaubende Stiere zähmen – Heldentaten, die nur dank der magischen Brandsalbe der schönen Zauberin Medea (auf dem Relief ganz links) bewältigt werden konnten. Vor allem sind der Feuerstein und das goldene Vlies seit 1430 das wohlbekannte Emblem des hocharistokratischen Ordens der Ritter vom „Toison d’Or“. In diesem ausgewählten Kreis der Crème de la Crème europäischen Adels behaupteten die bayerischen Kurfürsten einen Stammplatz, woran sie an den Ordensfesten, den „Toison-Tagen“ stolz in ihrer Residenz erinnerten. So schließt sich auf unserem Ofen der Kreis der Bildsymbole – mehr als genug Stoff für die gelangweilt wartenden Höflinge, sich ein paar warme Gedanken zu machen…