Schön, aber auch etwas bizarr wirkt die kleine Porzellanskulptur auf den ersten Blick: In einen dicken Pelzmantel gehüllt – oder ist es ein Eispanzer? – blickt er (sie?) mit jugendlich-glatten Gesichtszügen nach rechts.
Gleichzeitig starrt über die andere Schulter ein zweiter, alter Kopf in die Gegenrichtung! Allerdings handelt es sich nicht um eine fragwürdige Form künstlerischer Ökonomie, also um keine praktische Multifunktionsskulptur, die man – ohne sie zu umrunden – von allen Seiten gleichermaßen genießen soll. Vielmehr weisen die beiden Köpfe die Figur als Verkörperung des Monats Januar aus. Der leitet seinen Namen vom altrömischen Gott Janus her, dem Herrn der Pforten und Übergänge, der am Jahreswechsel mit seinem Greisenhaupt in die Vergangenheit und mit verjüngten Zügen in die Zukunft blickt.
Insofern kann uns die kleine Porzellanfigur als idealer Begleiter ins Neue Jahr dienen. Gleichzeitig belegt sie als hübsches Beispiel die kreative Phantasie und die Vielfalt, mit der man der an sich unerfreulichen und lebensfeindlichen Winterszeit in der Residenz künstlerisch begegnete.
Tatsächlich wurden die kalten Monate von den Bewohnern der Residenz einst besonders intensiv erlebt: Schließlich hielt sich der Hof vor allem im Winter im Münchner Stadtpalast auf, während im Sommer die zahlreichen Jagd- und Lustschlösser der Umgebung bezogen wurden. Vom Kampf gegen kühle Temperaturen und verräucherte Zimmerfluchten künden nicht nur zahlreiche noch erhaltene prächtige Kamine in den verschiedenen Prunkräumen, sondern ebenso die gleichfalls notwendigen Kaminschirme, die die direkte Hitze des Feuers abfingen und verhinderten, dass die reiche, fetthaltige Schminke den Damen und Kavalieren, die sich um die Glut drängten, peu à peu in den Schoß tropfte.
Im vielerlei Hinsicht also eine missliche Zeit und insofern kein Wunder, dass man versuchte, all dem eine heitere Seite abzugewinnen, die sich in zahlreichen Kunstwerken innerhalb der Residenz niedergeschlagen hat.
Besonders aktiv werden Kälte und Schnee etwa auf einer Miniatur des Niederländers Hans Bol von 1586 angegangen. Ursprünglich gehörte die kleine Pergamentmalerei zu den Schätzen, die Kurfürst Maximilian I. im frühen 17. Jahrhundert in seiner privaten Kunstgalerie hortete. Vermutlich faszinierte ihn besonders die Vielfalt der Episoden, die mit nur Zentimeter großen Figürchen eine Fülle winterlicher Freizeitmöglichkeiten in einem flämischen Städtchen der frühen Neuzeit vorstellen – es wird mit mehr oder weniger Erfolg Schlittschuh gelaufen und auf der Straße zieht eine maskierte Truppe mit den Heiligen Drei Königen vorbei, die sich zweifellos gleich selber zum Festmahl einladen werden, das sich links mit einem großen Schweineschlachten ankündigt.
Ähnlich opulent geht es auch auf einem Bildteppich zu, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts gleichfalls für Maximilian I. angefertigt wurde und den Monat Januar darstellt – mit einer reich gedeckten Tafel vor einem flackernden Kaminfeuer. Auch hier stehen Freizeit, Geselligkeit, Licht und Wärme im Mittelpunkt.
Aber nicht nur mit mehr oder minder geschönten Darstellungen realer Lebensumstände wird dem Winter zu Leibe gerückt. Mindestens so zahlreich, wenn auch teilweise schwerer zu erkennen, sind die allegorischen, also symbolischen Darstellungen des Winters durch Verkörperungen, die mit allerlei sprechenden Attributen beladen sind. Oft handelt es sich dann um die Figur eines alten frierenden Mannes, der sich in einen Pelz hüllt und versucht, ein kleines Feuer anzufachen.
Den in der Residenz tätigen Künstlern scheint dieses althergebrachte Modell allerdings zu trist gewesen zu sein. Sie haben sich mehr auf die Jugend gestürzt.
Dass die beiden Putten an der Decke der sogenannten Steinzimmer, die ein glühendes Kohlebecken leichtsinnig im Flug schultern, die kalte Jahreszeit verkörpern sollen, versteht man allerdings wohl erst, wenn man sich das Bildprogramm des Raums vergegenwärtigt.
Es stellt die vier Elemente vor, darunter Feuer und Wasser, die durch ihre Eigenschaften, der sommerlichen Hitze und der – winterlichen – Kälte, charakterisiert werden.
Auch und vor allem aus dem 18. Jahrhundert haben sich zahlreiche Darstellungen der vier Jahreszeiten erhalten, nämlich meist in Form von Porzellanskulpturen. Diese standen ursprünglich als Schmuck auf der kurfürstlichen Feststafel zwischen Leuchtern und Terrinen, wo Frühling, Sommer, Herbst und Winter quasi als Lieferanten der verschiedenen Speisen, Getreide, Wein, Wild, Obst, Eis und gekühlte Getränke, auftraten: Gerade für die Darstellung von Schnee und Eis böte sich das kalte, glatte und weißglänzende Porzellan praktisch an. Eine kleine Büste zeigt denn auch den Winter in der traditionellen Gestalt eines zitternden alten Mannes.
Aber als ob er befürchtet habe, dass der leidende Ausdruck den Tafelnden auf Gemüt und Appetit schlagen könne, hat der Porzellan-Modelleur Franz Conrad Linck noch eine weitere Variante entworfen und ihm ein weibliches Pendant zur Seite gestellt – ein junge, modisch frisierte Tänzerin oder Hofdame, die mit Schleier und Pelzkragen für einen höfischen Faschingsball zurechtgemacht scheint.
Einer solch optimistischen Interpretation eines tristen Januars kann man sich natürlich auch heute noch nur schwer entziehen. Wir wünschen uns und allen Freunden und Besuchern der Residenz einen guten Start ins neue Jahr und sind gespannt, was uns das neue Jahr bringen wird.