Heute treten wir mal vor die Tür der Residenz, um einen ihrer zeitweise populärsten Bewohner zu treffen: So wie die Münchner ihrem Ludwig I. am einfachsten bei dessen täglichem Spaziergang begegnen konnten, auf dem er dann auch schon mal einen ahnungslosen Touristen, der den Hut aufbehielt (schwerhörig!) anbrüllte „Wissen Sie wer ich bin – der König!“, findet man auch seinen in der Hauptstadt von jeher beliebten Vater Max I. Joseph (reg. 1799–1825) am schnellsten unmittelbar vor den Mauern der Residenz – auf dem nach ihm benannten Platz.
Dort thront Bayerns erster König fünf Meter hoch in grün-schwarzer Bronze und blickt, die klassizistische Säulenfront des unter ihm erbauten Nationaltheaters im Rücken, nachdenklich auf die Auslagen der gegenüberliegenden Geschäftszeile. Und wie kam dieses Denkmal, das auch schon mal als das „gehaltvollste des 19. Jahrhunderts“ deklariert wird, dahin?
Der 13. Oktober 1835, Max I. Josephs zehnter Todestag, war grau und regnerisch. Staunend vermerkten deshalb Augenzeugen, dass im Moment, in dem sein Sohn und Nachfolger Ludwig I. das bronzene Denkmal des verstorbenen Monarchen vor der Fassade des kurz zuvor eingeweihten Königsbaus enthüllte, die Sonne kurz die Wolken durchbrach – ganz als sei es von beflissenen Festdramaturgen so geplant worden! Für einen Moment ließ sie die über drei Meter hohe Statue in einem warmen Goldton aufblitzen und verhalf dem neuen Monument zu einem glanzvollen ersten Auftritt.
Vorangegangen waren nicht weniger als fünfzehn Planungsjahre, in denen Sonne und Wolken sich gleichfalls abgewechselt hatten: Bereits 1820 hatte der Münchner Magistrat beschlossen, auf Kosten der Bürgerschaft ein Ehrenmal des volkstümlichen Herrschers errichten zu lassen, der in Bayern mit der 1818 erlassenen Verfassung bürgerliche Freiheiten und eine (wiewohl noch überschaubare) Selbstbeschränkung der königlichen Macht rechtlich verankert hatte. Als angemessener Standort kristallisierte sich rasch der nach Abbruch des säkularisierten Franziskanerklosters neu entstandene Platz südlich der älteren Residenz und in Front des jüngst vollendeten Hof- und Nationaltheaters heraus. Seit 1824 oblag die Planung für das Denkmalprojekt dann beim gleichermaßen umtriebigen wie kunstinteressierten Kronprinzen Ludwig, der nachdrücklich auf Mitsprache drängte, nicht zuletzt hinsichtlich seiner eigenen Pläne für das Areal, auf dem sein künftiger Wohnpalast entstehen sollte.
Und so wurde 1824, anlässlich des 25jährigen Regierungsjubiläums Max I. Josephs der Grundstein für das Denkmal gelegt. So weit – so erfolgreich. Ernsthafte Planungsprobleme verursachte in der Folge allerdings der Jubilar selbst, der partout nicht auf dem Thron sitzend dargestellt werden wollte, wie es die ersten Modelle vorsahen, sondern, wie für gekrönte Häupter und Militärs meist üblich, stehend oder zu Pferde. Das Thronen, mit dem die Vertreter der Bürgerschaft die väterliche Milde des königlichen Gesetzgebers ausgedrückt wissen wollte, empfand der zwar leutselige, aber eben doch auch machtbewusste Wittelsbacher mit feinem Gespür als eher schwache Position. So polterte er in plastischster Prosa und nicht mal in feinem Französisch los, er wolle nicht „auf dem Kackstuhle“ vor der Nachwelt posieren!
Die Frage war noch unentschieden, als Max Joseph sanft und unerwartet im Herbst 1825 für immer entschlummerte. Nun konnte Sohn Ludwig, der mit dem Vater sowieso in vielen Fragen über Kreuz gelegen hatte, und der Thron- und Toilettensitz für künstlerisch wie symbolisch sehr wohl unterscheidbare Dinge hielt, zu „Plan A“ zurückkehren: 1826 erhielt der von ihm schon lange geschätzte Berliner Bildhauer Christian Daniel Rauch (ja! – auch noch ein Preuße…) den Auftrag, das Sitzbild des verstorbenen Königs zu modellieren. Ab 1829 wurde das mehrteilige Gipsmodell der Figur und ihres reliefgeschmückten Sockels dann in der Münchner Erzgießerei des Johann Baptist Stiglmaier in Bronze gegossen – damals eine kunsttechnologische Pionierleistung, die auch promt beinahe schiefgegangen wäre: Beim vergeblichen Versuch, die Königsstatue als Ganzes zu gießen, ging 1832 erst Mal die Werkstatt in einer fünfzig Fuß hohen Feuersäule samt anschließendem Metallregen in die Luft!
Rauchs klassizistischer Entwurf orientierte sich an antiken Imperatorenbildnissen, die später auch für Darstellungen von Päpsten variiert wurden: Der König mit stabähnlichem Zepter erscheint als Friedensbringer und Legislator, der die Hand zum Segensgruß (bzw. zur römischen Volksansprache, der „Allocutio“) ausstreckt.
Der Thron erhebt sich über einem symbolischen Sarkophag, den vier Löwen flankierten. Auf seinen Seiten ist der segenshafte Einfluss von Max Josephs Regierung auf das Staatsleben sowie die Arbeit von Wissenschaftlern und Künstlern verbildlicht (auf der dem Königsbau zugewandten Längsseite erscheint z. B. Leo von Klenze, der Architekt des Königsbaus).
Links verkörpert eine „altdeutsch“ gewandete, amazonenhafte Frauengestalt im sportlich-kurzen Röckchen die dankbare „Bavaria“.
Rechts tritt ihr die „Öffentliche Wohlfahrt“ mit dem randvollen Füllhorn zur Seite. Auf der Rückseite des Denkmals ist der Verfassungs-Octroy von 1818, also die Übergabe der vom König (ohne Mitwirkung der Untertanen) erlassenen Konstitution an Vertreter der drei Stände, dargestellt.
Dieses Nebeneinander der Symbole traditioneller monarchischer Allgewalt und neuer Teilhabe eines zunehmend selbstbewussten Bürgertums an der Macht prägt die Gestaltung des Denkmals und macht es zum spannenden Kunstwerk einer Übergangszeit. Der Versuch, dem nahen Marien- (damals noch Schrannen-)Platz mit dem dortigen Rathaus als Zentrum der Bürgerstadt mit dem neu gestalteten Max-Joseph-Platz an der Residenz ein eindeutiges monarchisches Gegenstück zur Seite zu stellen, blieb so in bezeichnender Weise „unvollständig“ – die Tauben, die sich auf Max Josephs Bronzethron niederlassen (– als Aussichtspunkt! Nicht als K…Stuhl) berühren die Finessen menschlicher Machtsymbolik sowieso von jeher wenig…