Lieblingsstücke unserer Autoren, Residenz München

Kratziges zum Aschermittwoch…

Bußkästchen Maximilians I.

Aschermittwoch – nach all der zügellosen Ausgelassenheit der letzten Tage (und Nächte) herrscht betretenes Schweigen – denn das war’s mal wieder: Schluss mit lustig, mit dem Ende der „Nacht vor dem Fasten“ beginnt, oder begann zumindest früher, der lange, kulinarisch steinige Bußgang Richtung Ostern… Dass die zur seelischen Besserung und Entschlackung angesetzten religiösen Bußübungen aber fast wie der Fasching selbst im eigens angefertigten Kostüm gleichsam festlich zelebriert und – zumindest nachträglich – propagandistisch eingesetzt werden konnten, zeigt unser schmuckes kleines Kästchen mit Perlmutteinlagen.

Laut historischer Inventarnotiz und darauf fußender Überlieferung war dieses kleine Schmuckstück der ständige Begleiter des frommen Kurfürsten Maximilian I. (reg. 1597/98-1651), der es angeblich zeitlebens stets mit sich führte. Es enthielt verschiedene fantasievolle Werkzeuge zur körperlichen Kasteiung – diverse Geißeln und eine stachelige Eisenkette um sich damit zu gürten, sowie Bußgewänder aus kratzigem Rosshaar. All dies habe die Spuren häufiger Benutzung getragen, stellte man bei der Inventur nach Maximilians Tode fest – natürlich voll Stolz auf den frommen Fürsten: Denn der hatte mit seinem gegenreformatorischen Eifer nicht nur vielen seiner Bayern mit Blick auf deren künftiges Leben im Himmelreich das irdische Dasein zur Hölle gemacht, sondern eben auch sich selber. Die heute in dem Kästchen verwahrten Bußwerkzeuge stammen zwar aus verschiedenen Jahrhunderten – der Überlieferung vom asketischen Maximilian tat das aber zu keiner Zeit Abbruch. Vielmehr erklärt sich nun dessen finsterer Blick auf den zeitgenössischen Gemälden auch durch das scheuernde Büßerhemd, das – unentdeckt unter dem höfischen Glanze von Wams und Harnisch – stets erbärmlich juckte.

Kurfürst Maximilian I., nach Joachim von Sandrart, nach 1641-1650, Residenz München (Ausschnitt).

Kurfürst Maximilian I., nach Joachim von Sandrart, nach 1641-1650, Residenz München (Ausschnitt).

Bereits Maximilians Schwiegertochter, die Kurfürstin Henriette Adelaide, wusste um die öffentliche Vorbildfunktion eines solchen Herrscherlebens. Deshalb ließ sie in der neu eingerichteten Galerie ihres Appartements, die mit einem reichen allegorischen Bildprogramm ausgemalt war, mit dessen Hilfe sie dem toten Schwiegervater (und damit letztlich sich und ihrer Familie) ein dauerhaftes, ehrendes Andenken widmete, das rasch berühmt gewordene Kästchen abbilden. Darunter fand sich die salbungsvolle Devise: ASSIDUAE LAETI CORPORIS AFFLICTIONIS – „Der freudigen Kasteiung des Leibes“. Naja, wem’s gefällt.  – Wir lassen es vielleicht dieses Jahr etwas undramatischer angehen und verzichten einfach ein paar Wochen auf Zigaretten und Chips…