Hinter den Kulissen, Residenz München

Monument Men stehen restauriert an der Wand – die Fresken der Hofgartenarkaden

Rüstige Recken, würdige Weisheitslehrer und da und dort auch eine minnigliche Maid – wer im südwestlichen Abschnitt der Arkaden des Hofgartens promeniert, vielleicht auch nur Schatten oder Schutz vor einem plötzlichen Regenschauer sucht, sieht sich einer mehrere Dutzend Meter langen bayerischen Erfolgsgeschichte gegenüber! Auf 15, ursprünglich 16 Wandgemälden stehen hier siegreiche Kriegstaten und zukunftsweisende Herrschaftsereignisse aus acht Jahrhunderten nebeneinander, zumindest im Bilde sämtlich ausgeführt, erdacht und verantwortet von den Herzögen, Kurfürsten und Königen aus dem Hause Wittelsbach, selbstverständlich zum Wohle und Ruhme ihrer untertänigen Bayern.

frisch restauriert - die Hofgartenarkaden am Odeonsplatz

frisch restauriert – die Hofgartenarkaden am Odeonsplatz

Ludwig I. im Krönungsornat, das Zepter auf der Verfassungsurkunde - Kopie nach einem Gemälde K. Stielers, Schloss Johannisburg, Aschaffenburg

Ludwig I. im Krönungsornat, das Zepter auf der Verfassungsurkunde – Kopie nach einem Gemälde K. Stielers, Schloss Johannisburg, Aschaffenburg

Geplant wurde der umfängliche historische Bilderbogen mitsamt seiner propagandistischen Aussage von König Ludwig I. (reg. 1825-1848) – nicht allein bekannt als geschichtsbegeisterter Bauherr und Kunstsammler, sondern auch als nimmermüder Wächter über seine königlichen Vorrechte. Und das war aus seiner Sicht auch notwendig: Während sich Ludwigs in dieser Hinsicht glücklicheren Vorgänger auf Europas Thronen noch darauf berufen konnten, eine von ganz oben legitimierte Herrschaft von Gottes Gnaden auszuüben, war diese Überzeugung spätestens mit der französischen Revolution und den sozialen und politischen Umwälzungen in ihrem Gefolge zerbrochen. Die bayerischen Monarchen des 19. Jahrhunderts mussten neue Wege finden, ihren Machtanspruch und die Bindung zwischen Fürst und Untertanen zu begründen. Ein Schritt zum Ziele war dabei, Gott als letzten Ursprung der Herrschaft durch die legitimierende Kraft der historischen Überlieferung zu ersetzen: Der Verweis auf die Dienste, die die Dynastie über Jahrhunderte hinweg der Nation erwiesen habe, zementierte ihren gegenwärtigen Anspruch auf die Führungsrolle im Staat.

Als ein wichtiges Mittel, diese zentrale Botschaft „unter’s Volk“ zu bringen, sah Ludwig die monumentale Wandmalerei: Von Geschichtsbildern, klug verbunden mit religiösen und legendenhaften Stoffen, weithin sichtbar platziert im öffentlichen Raum, möglichst groß und mit möglichst witterungsbeständigen Farben ausgeführt, erhoffte er sich eine ebenfalls große und anhaltende pädagogische Wirkung auf den Betrachter. Zahlreiche Kunstprojekte des umtriebigen Königs wie die Ausmalung der Nibelungensäle in der Residenz, die öffentlich zugänglich waren, die (heute verlorene) Ausschmückung des Festsaalbaus oder eben die Fresken der Hofgartenarkaden sind unter diesem Leitgedanken entstanden.

Detail aus dem Wandgemälde

Detail aus dem Wandgemälde „Belehnung Maximilians I. mit der Kurwürde“

Unter Leitung des Akademiedirektors und führenden Nazareners Peter von Cornelius machten sich dessen Schüler ab 1826, also unmittelbar nach Ludwigs Regierungsantritt, daran, die an den nördlichen Abschluss der Residenzanlage angrenzenden Arkaden auszumalen. Übrigens war der überdachte Gang schon früher mit historischen Darstellungen geschmückt gewesen: Im 17. Jahrhundert hatte man hier Peter Candids Kartons (also maßstäbliche Vorzeichnungen) für die berühmten Wandteppiche der Residenz ausgestellt, auf denen die Herrschertaten des Wittelsbacher Ahnherrn Herzog Otto I. aus dem 12. Jahrhundert gezeigt wurden. Ludwig, daran interessiert, dass der Glanz seines Hauses möglichst gleichmäßig durch die Zeiten erstrahle, befahl, aus jedem Jahrhundert zwischen Ottos und seiner Regierung jeweils eine zukunftsweisende Kriegs- und eine Friedenstat der jeweiligen Herrscher auszusuchen und an die Wand zu bringen.

Otto von Wittelsbach bei Chiusa 1155...

Otto von Wittelsbach bei Chiusa 1155…

Max I. Joseph erlässt die Verfassung von 1818 (der Herr links vorne in grüner Uniform ist der damalige Kronprinz Ludwig!)

… und Max I. Joseph erlässt die Verfassung von 1818 (der Herr links vorne in grüner Uniform ist der damalige Kronprinz Ludwig!)

Eine solche Motivauswahl war auch für willige Historiker durchaus kompliziert: Nicht in jedem Saeculum hatte der bayerische Stern, gerade auch in kriegerischer Hinsicht, gleichermaßen geglänzt und das hin und wieder gewaltsame oder zumindest diskussionswürdige der finalen Auswahl sah man dem Themenkatalog am Ende auch an. Immerhin Start und Ziel machten sich gut: Den Anfang markierte die Rettung des kaiserlichen Heeres durch den bereits erwähnten, sprichwörtlich treuen Otto von Wittelsbach und den vorläufigen Abschluss bildete der Erlass der bayerischen Verfassung durch Ludwigs Vater, König Max I. Joseph. Ergänzt wurden die Historienbilder durch allerlei malerisches Beiwerk, Allegorien der Herrschertugenden (nicht erhalten), Verkörperungen der wichtigsten Flüsse Bayerns als Symbole des Landes selbst. Bavaria Am Schluss malten die Künstler noch gemeinsam – gleichsam als Dankeschön für den prestigeträchtigen Auftrag – die Bavaria über das Eingangsportal in die Residenz – eine vollbusige Schönheit nebst Löwen, die in den starken Armen einen Schild mit Ludwigs selbstbewusster Monarchendevise hält: „gerecht und beharrlich“.

1829 vollendet und bei strömendem Regen öffentlich enthüllt, war der begehbare Geschichtsatlas, der natürlich durch entsprechende Zeitungsartikel etc. bekannt gemacht wurde, durchaus ein Erfolg. Künstlerisch hatten Viele vieles zu bemängeln: Cornelius‘ religiös-romantische Kunstauffassung war nie unwidersprochen gewesen und man sah den Fresken an, dass es Schülerarbeiten waren. Dennoch war der Zuspruch des Publikums – zumindest in den ersten Jahren – rege: Der Platz am Rande der öffentlich zugänglichen Gartenanlage am Anfang der neuen Ludwigs(Pracht)Straße war klug gewählt! Allerdings erwiesen sich die Malereien als sehr viel witterungsanfälliger als erhofft – schon Ende des 19. Jahrhunderts mussten die geschädigten Bilder restauriert werden. Angesichts des miserablen Zustands hieß das aber, dass sie letztlich mehr oder minder nach den alten Vorlagen neu gemalt wurden. Im Zweiten Weltkrieg schließlich wurden die Arkaden mitsamt dem Zyklus, wie die ganze Hofgartenarchitektur, schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Zwischen 1955 und 1962 und noch einmal 1972 (zur Olympiade) wurden die oft nur noch in Fragmenten erhaltenen Wandgemälde dann nochmals restauriert bzw. rekonstruiert – ästhetisch gesehen mit sehr wechselndem Erfolg. Unbestritten blieb aber stets ihre Rolle als bedeutende Beispiele einer politisch motivierten künstlerischen Geschichtsinterpretation des 19. Jahrhunderts. Und so freuen wir uns, dass der Zyklus dank der großzügigen Unterstützung mehrerer Spender in den vergangenen Monaten nun einmal mehr und sorgfältig restauratorisch bearbeitet werden konnte. Im Schein der neu installierten Lampen wird im neuen Glanz gesiegt und beurkundet, geheiratet und gekrönt – und eine vergangene Bildpolitik wieder verständlich und ablesbar!