Geheimnisse, Residenz München

Wie sieht das denn hier schon wieder aus? – Auf Zeitreise in den Gemälden der Residenz

Die Zeit bleibt nicht stehen – was heute aussieht wie für die Ewigkeit gemacht, kann sich morgen oder nächstes Jahr schon als Schnee von gestern erweisen – oder sich doch zumindest als deutlich überholungsbedürftig erweisen. Gerade uns als Betreibern eines museal genutzten historischen Gebäudes, das einen kontinuierlichen Sanierungsbedarf aufweist, ist diese Vergänglichkeit auch der wehrhaftesten und monumentalsten Architektur mehr oder minder schmerzhaft bewusst.

Die Zeit - hier in Gestalt des Gottes Saturn im Nymphenburger Schlosspark - verschlingt ihre Kinder...

Die Zeit – hier in Gestalt des Gottes Saturn im Nymphenburger Schlosspark – verschlingt ihre Kinder…

Lustbetonter gingen da unsere Vorgänger, die einstigen Bewohner und Bauherren der Residenz, zu Werke, stand ihnen doch weniger der mühsame Erhalt vor Augen, sondern der Ehrgeiz, Neues zu schaffen: Mit nicht allzu vielen Bedenken wurden namentlich im 17. und 18., aber auch noch im geschichtsverliebten 19. Jh. ältere Bauten abgerissen und durch repräsentative Pracht- oder moderne Funktionsarchitektur ersetzt – oft zum bleibenden Vergnügen des Barockliebhabers oder Klassizismusfreundes, weniger zu dem des Mittelalterachäologen und Fans gotischer Raumausstattung. Versöhnlich stimmt es da, dass zumindest auf Bildzeugnissen hin und wieder noch Schatten der untergegangenen Baulichkeiten zu entdecken sind. Das gilt auch für Gemälde im Residenzmuseum, von denen uns einige zu einer Entdeckungstour in die architektonische Vergangenheit Bayerns einladen:

Das Bildnis des Wittelsbacher Kaisers schuf Jacopo Amigoni kurz nach 1726

Das Bildnis des Wittelsbacher Kaisers schuf Jacopo Amigoni kurz nach 1726

Ein gutes Beispiel bietet sich gleich in der ebenerdig gelegenen Ahnengalerie – hier paradiert der Wittelsbacher Kaiser Ludwig IV. „der Bayer“ im mittelalterlichen Krönungsornat vor einem im Hintergrund angedeuteten vieleckigen Zentralbau mit Zeltdach. Es handelt sich dabei um die gotische Kirche des Klosters Ettal, eine bedeutende Stiftung Ludwigs, die er im April 1330 auf seiner Rückreise aus Italien im einigermaßen unwegsamen Graswangtal begründete. Wer den heutigen barocken Kuppelbau des berühmten Klosters betritt, kann in seiner goldschimmernden Rundung die ursprüngliche, bis 1370 fertiggestellten Zwölfeckform des gotischen Grundrisses mehr erahnen als sehen.

... und heute!

… und heute!

Die Klosterkirche auf einem Stich vom Merian aus dem 17. Jh. ...

Die Klosterkirche auf einem Stich vom Merian aus dem 17. Jh. …

1744 vernichtete ein Feuer diesen spannenden hochmittelalterlichen Sakralbau, der anschließend in – wunderschöner – aber eben barocker Form wiederhergestellt wurde.

Nur einen Raum weiter können wir einen weiteren gemalten Gründungsbau der Wittelsbacher Dynastie besichtigen – ungefähr in der Form, in der er sich im frühen 17. Jh. präsentierte. Es handelt sich um eine Ansicht des Klosters Scheyern, das die Stammväter der Wittelsbacher im 10. Jh. als Hauskloster förderten und als Familiengrablege nutzten.P1170568Residenz München Lünette Candid Darauf spielt das halbrunde Lünettengemälde Peter Candids an, das dieser um 1605 für die Gemächer Maximilians I. schuf. Es zeigt Maximilians Ahnen Otto I. von Scheyern, der dem Betrachter ein Modell des traditionsreichen Klosterbaus präsentiert. Ein wenig später entstandener Stich des Mathäus Merian zeigt die Anlage, an der seit den Gründugnstagen natürlich schon viel neu und umgebaut worden war, noch in sehr ähnlicher Form.

die Klostergebäude heute...

die Klostergebäude heute…

Erst 1768/70 kam es zu einer völligen Umgestaltung der Kirche. Im 19. Jh. verfielen die vernachlässigten Klostergebäude und wurden dann unter Ludwig I., der die geschichtlichen Zeugnisse seiner Dynastie generell hochhielt, in ihren heutigen – da und dort neo-romanisierten Zustand versetzt.

Schon im 18. Jh. hing das Gemälde in den Kurfürstenzimmern der Residenz

Schon im 18. Jh. hing das Gemälde in den Kurfürstenzimmern der Residenz

Einen besonders stattliche Zahl heute noch erhaltener, mehr oder minder veränderter Bauten sowie zahlreiche verschwundene Architektur zeigt die prachtvolle Ansicht Münchens, die der venezianische Vedutenmaler Bellotto 1761 mit Blick vom östlich gelegenen Gasteig aus über die Isar hinweg für den Kurfürsten Max III. Joseph malte. Von den zahlreichen Turmspitzen der Stadtsilhouette greifen wir nur einen heraus, den sogenannten „Schönen Turm“ (ziemlich mittig, und ziemlich klein zwischen den Turmhelmen des Alten Peters und der Heilig-Geist-Kirche…).Bellotto Detail

Der reicht dekorierte Turm vor seinem Abriss....

Links: Die „Nadelspitze“ des Schönen Turms zwischen barocken Turmhelmen, rechts: Der reich dekorierte Bau vor seinem Abriss….

 

 

 

 

 

 

 

Einst war er das westliche Stadttor Münchens, das in 1480er Jahren den als prächtiger spätgotischer Repräsentationsbau erneuert und 1510 mit reichem Freskenschmuck dekoriert wurde. Zu Beginn des 19. Jh. fiel er mitsamt Uhr und Armesünderglöckchen den Modernisierungsmaßnahmen in der seit kurzem königlichen Residenzstadt München zum Opfer (weitere interessante Details zu „Bellottos München“ bietet übrigens unsere Medienstation im Residenzmuseum!

... und jetzt!

… und jetzt!

Einst...

Einst…

Ein weiteres Prunkstück, dessen Verlust ich persönlich ganz besonders bedauere, ist sowohl auf einem weiteren Gemälde Bellottos wie auf einer kleinen Gouache (Wasserfarbenmalerei) im dem von Francois Cuvillies  entworfenen Miniaturenkabinett der Residenz zu bewundern: In den gold-rot schimmernden Schnitzvertäfelungen sitzen eine ganze Reihe von (Kleinst-)Ansichten der kurfürstlichen Schlösser, wie sie sich in der Mitte des 18. Jh. darstellten. Unser Bild zeigt eine prachtvolle Brunnenanlage, die sich am Ausgangspunkt einer scheinbar endlosen barocken Gartenperspektive erhebt. Es handelt sich um die Florafontäne im großen Parterre von Schloss Nymphenburg, die der niederländische Hofbildhauer Guilaume de Groff im Auftrag des Kurfürsten Max Emanuel im ersten Viertel des 18. Jh. aus vergoldetem Blei schuf: Nach einem Vorbild in den viel bewunderten Gärten des Versailler Schlosses ruhte die riesige, aber anmutige Göttin der Blumen auf einem Blütenbett, während um sie herum kleine Liebesgötter versuchten, die Wassermassen der beeindruckenden Fontäne und die Angriffe aggressiver vergoldeter Schwäne zu kontrollieren. Wundervoll, aber fragil und im Unterhalt sehr kostspielig… Zu Beginn des 19. Jh. wurden die Figuren entfernt und durch den heutigen, natürlich auch recht dekorativen Felsenhaufen ersetzt.

Viel gibt es noch zu entdecken auf den alten Leinwänden, aber auch die Gegenwart bietet ja Interessantes genug – und nicht nur Baulichkeiten. Wer weiß, wie unser eigenes Viertel in hundert Jahren aussehen wird. Vielleicht setzen wir selbst ein innovatives Signal – und bepflanzen erstmal den Balkon neu…

 

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