Die Vorbereitungen laufen in der Residenz für den – hoffentlich dauerhaften – Besuch hoher Gäste, die in einigen Monaten erwartet werden: Es handelt sich um die Darstellungen zweier früher Bayernherrscher mit klingenden, aber den meisten wohl unbekannten Namen: Herzog Arnulf I. der Böse und Otto II. (oder III., das kommt auf das Zählsystem an) von Scheyern.
Wer die Lebensdaten und Biographien der beiden Herren aus dem 10. bzw. 11. Jahrhundert nicht gleich parat hat, muss nicht an sich selbst verzweifeln oder den Termin in Jauchs Millionen-Quizshow canceln. Für uns aber sind die grimmige Miene des Arnulf und die ruhigere des bärtigen Otto vertraute, wenn auch lange Zeit verschollene Gesichter: die beiden halbmondförmig geschnittenen Leinwandgemälde aus der Werkstatt des Peter Candid (um 1548-1628) schmückten einst einen Raum im Erdgeschoss der Residenz, der versteckt und etwas abseits der Führungslinie von den meisten Besuchern vermutlich kaum wahrgenommen wird. Der immer noch mit schönem Deckenstuck versehene Raum ist heute eine Durchgangszone, die man auf dem Weg von den Reichen Zimmern zur Ahnengalerie oder zu den Sammlungen von Paramenten und Bronzeskulpturen hin quert. Ursprünglich bildete er einen Teil der ebenerdigen Sommerwohnung Kurfürst Maximilians I., deren gewölbte Decken und steinernen Böden in den heißen Monaten mehr Kühlung boten und die einen direkten Zugang zum Residenzgarten ermöglichte.
Wer heute hier den Blick nach oben richtet, kann immer noch die halbkreisförmigen Lünetten erkennen, in denen die Bilder einst saßen. Im Krieg wurden die Räume zwar nicht komplett zerstört, aber doch schwer beschädigt, die gemalte Ausstattung ging bis auf wenige Reste verloren. Auch die Lünettengemälde galten als verschollen, bis sie vor einigen Jahren zusammengerollt und in schlechtem Zustand in einem der Depots wiederentdeckt wurden. So fühlen sich wohl erfolgreiche Schatzsucher in namhaften Piratenfilmen! Zwischenzeitlich sind die beiden Gemälde in das Restaurierungsatelier gewandert, wo sie einer umfassenden „Generalüberholung“ unterzogen werden: Die zahllosen Löcher und eingeprägten Knickfalten, die durch Alter, Kriegseinwirkung und jahrelange, zeitweilig unzureichende Lagerung in der Leinwand entstanden sind, müssen geschlossen und geglättet werden. Die inzwischen in großen Teilen gelockerte Malschicht wird gefestigt, Fehlstellen retuschiert und das ursprüngliche Tiefenlicht zumindest ansatzweise wieder hervorgelockt.
Wir sind auf einem guten Weg – schon werden Details der Malerei wieder deutlich ablesbar: Arnulf schaut bereits wieder erkennbar böse!
Schließlich sind auch noch die neuen Trägergerüste in Arbeit. Wenn die Restaurierung abgeschlossen ist, sollen die beiden Fürsten wieder an ihren angestammten, luftigen Herrschaftssitz zurückkehren. Damit wird dann auch wieder ein Stück weit das ausgeklügelte Bildprogramm der barocken Residenz unter Maximilian I. erkennbar: Beide Lünettengemälde standen im inhaltlichen Zusammenhang mit den Deckenbildern der benachbarten Gemächer, auf denen gekrönte Häupter aus Antike und Mittelalter prangten: Die römischen Herrscher Cäsar und Augustus, die christlichen Kaiser Konstantin und Karl der Große. In diesen erlauchten Kreis ließ Kurfürst Maximilian durch seinen Hofmaler Candid nun die Vorfahren der eigenen, der Wittelsbacher Dynastie einreihen. Otto hält das Modell des Klosters Scheyern, die erste Grablege der Wittelsbacher Ahnherren. Arnulf, der in Regensburg residierte, hatte sich den Ungarnfeldzügen des 10. Jh. hervorgetan, und hätte er sich in diesem Zusammenhang nicht mit Kirchengut finanziert, hätten die geschichtsschreibenden Mönche des Mittelalters wahrscheinlich einen heiligen statt einen bösen Herzog aus ihm gemacht.
Wir dagegen nehmen es nicht so genau, sondern freuen uns darauf, Arnulf und Otto bald an ihrem alten Platz thronen zu sehen!