Mitte Juli 2022 wurde der Physiker und Nobelpreisträger Max Planck (1858-1947) mit der Aufstellung einer Büste in der Walhalla geehrt. Aus diesem Anlass hat sich Museumsreferent Thorsten Marr mit Johann Brunner, dem Bildhauer der Büste, in den Räumen der Max-Planck-Gesellschaft zu einem Interview getroffen.
TM: Vor einigen Jahren haben Sie den Auftrag erhalten, die Büste Max Plancks für die Walhalla herzustellen. Am 15. Juli wurde Ihre Büste aufgestellt. Wie haben Sie sich als Bildhauer der Person Max Plancks genähert?
JB: Es gibt viele Eck- oder Ankerpunkte: das Wichtigste sind natürlich die photographischen Dokumente, da gibt es aber nicht allzuviele, die für meine Arbeit relevant waren, das Morphologische und damit für die Physiognomie. Aber auch das Biographische und alles was über den Charakter Aufschluss gibt, war mir wichtig. Selbst der Film, der in der NS-Zeit gedreht wurde und in dem sich Planck nicht frei gefühlt hat, hat mir genützt. Darin konnte ich Plancks Stimme und die Art des sprachlichen Ausdrucks ersehen. Ich habe versucht, möglichst viele Informationen zu einem Gesamtbild zusammenzuführen.
Erst danach begann die Arbeit mit dem Ton. Ich habe zunächst ein Modell in Originalgröße geschaffen. Bei Ton kann man wegnehmen oder hinzufügen soviel man will, kurz: das Material erlaubt einen flexiblen Umgang mit der Form. Es gehört zum Handwerk des Bildhauers, sich im Rahmen dieses Prozesses zur gültigen Form heranzuarbeiten.
TM: Wenn der Marmorblock im Atelier ist und unbeschadet und makellos dasteht, wie finden Sie den Einstieg? Welchen Einfluss hat der Block auf den ersten Schlag mit dem Meißel gehabt?
JB: Es ist schon so, dass man Respekt hat vor dem schönen Stück, vor allem wegen seiner Unberührtheit. Wenn man aber mal angefangen hat und der Stein in Bearbeitung ist, dann ist es zunächst ein handwerklicher Prozess. Man muss das viele Material erst einmal wegarbeiten, die rohe Form über das Punktieren aus dem Block herausholen, die Proportionen definieren und dann, wenn die Arbeit an die endgültige Oberfläche herankommt, dann wird es wieder kreativer. Dann geht es um ästhetische Finessen und den Ausdruck der darzustellenden Person.
TM: Sie haben gerade geschildert, dass Sie die Büste Max Plancks im klassischen Punktierverfahren vom Tonmodell auf den Marmor übertragen haben. Diese Technik haben ihre Vorgänger schon vor 200 Jahren angewandt. Wäre es nicht möglich gewesen, es mit einer modernen Technik zu versuchen?
JB: Es gibt heute Fräsverfahren, die die Arbeit verkürzen können.
Ich sehe aber bei einer solchen Arbeit viel Sinn in einer handwerklichen Herangehensweise. Das Format ist ja überschaubar und der Weg gehört in einer gewissen Weise zum Ziel. Deshalb habe ich traditionell im Punktierverfahren gearbeitet, wie ich das schon bei der Büste Edith Steins gemacht habe, die 2009 in der Walhalla aufgestellt wurde. Es ist eine prozessual künstlerische Qualität, eine solche Aufgabe handwerklich anzugehen.
TM: Vor 200 Jahren hatte König Ludwig I. das jeweilige Gipsmodell und später die ausgeführte Büste begutachtet. Gibt es heute noch eine Form der Qualitätskontrolle?
JB: Ja, die gibt es schon, aber Änderungswünsche habe ich bisher nicht erfahren. Ich habe ja im Vorfeld das Gipsmodell in Originalgröße gezeigt, von der die Marmorbüste später angefertigt wird. Bis dahin lassen sich Korrekturen noch durchführen, auch im Gipsmodell. Der Stein in seiner endgültigen Form ist dann kaum mehr korrigierbar, es sei denn, man kann noch durch Wegnehmen etwas korrigieren.
TM: Wir unterhalten uns hier in den Räumen der Max-Planck-Gesellschaft. Im Eingangsbereich sind zahlreiche Bronzebüsten von Nobelpreisträgern und MPG-Präsidenten auf hohen Sockeln aufgestellt. Inwieweit erlaubt die Bronze andere Stilmittel als der Stein?
JB: Eine Büste aus Stein ist vor allem statuarisch. Das Material fordert zur Konzentration auf das Wesentliche auf und zur Steingerechtigkeit, d.h. der Stein soll in seinen Eigenschaften zu Nutzen und Geltung kommen. Der Marmor lädt in einer Weise zur Stilisierung und Idolisierung – ich möchte fast noch sagen zur Idealisierung – ein. Das sind andere Eigenschaften als bei Bronze. Bei Bronze ist man viel flexibler in der Oberflächenbehandlung von klassisch bis expressiv.
TM: Die Ahnengalerie der Bildhauer, die in der Walhalla wirksam waren, ist lang. Die ersten Büsten wurden bereits im Jahre 1807 ausgeführt. Gibt es Büsten in der Walhalla, die Sie besonders beeindrucken?
JB: Es gibt da schon einige Büsten, die ich sehr beeindruckend finde, andere weniger. Besonders gefallen mir die Büsten von Johann Gottfried Schadow (nachgetragen: 1764-1850). Was mir bei Schadow generell gefällt, ist, dass er klein bleibt, d.h. seine Büsten sind kaum überlebensgroß oder lebensgroß.
Bei Überlebensgröße kann schnell eine ungute Monumentalität entstehen, Lebensgröße erscheint mir dagegen mehr Differenzierung zuzulassen. Schadow geht bei seinen Büsten ins Detail, ohne sich ins Kleinliche zu verlieren. Kleine individuelle Beobachtungen geben seinen Gesichtern immer etwas Lebendiges, zum Beispiel wie er die Augen behandelt oder den Mund.
TM: Sie haben mit der Büste ein individuelles Porträt geschaffen und andererseits mussten Sie den Aufstellungsort und die Funktion der Büste als Denkmal berücksichtigen. Wie sind Sie mit dieser Aufgabe umgegangen und wie groß war Ihr künstlerischer Freiraum?
JB: Ich fühle mich der Walhalla als Gesamtkunstwerk verpflichtet und fühlte mich auch denen verpflichtet, die ich darstelle. Ich sehe keinen großen Sinn darin, eine extrovertierte künstlerische Bildsprache vorzuführen und mich gegenüber dem Geist des Ortes in Selbstdarstellung zu ergehen. So gesehen handelt es sich beinahe um eine kunsthandwerkliche Aufgabe, eine Büste für die Walhalla zu gestalten. Die künstlerischen Möglichkeiten liegen wohl eher im mikroästhetischen Bereich, wie Ausdruck, Aura und Psychologie der Marmorbüste.
Obwohl die Leistungen der in der Walhalla geehrten Personen sehr unterschiedlicher Art sind, soll die annähernd gleiche Behandlung aller Büsten ( Format, Material, klassische Darstellung ) eine beinahe demokratische Gleichwertigkeit der Leistungen wiederspiegeln. Eine krasse Abweichung stellt natürlich das Fehlen des weiblichen Elements dar! Mittlerweile sollten sich die Paradigmen geändert haben und ich kann mich dem Konzept eher verpflichtet fühlen. Im Übrigen hatte ich Vorgaben zu erfüllen, damit meine ich das Format und die Wahl des Steins.
Insgesamt denke ich aber, man muss der darzustellenden Person mit der Büste menschlich, moralisch näherkommen und sie mit der Büste ehren. Mich beeindrucken die Lebensleistungen und die Haltungen von Edith Stein und Max Planck. Ich will mir vorstellen können, dass sie sich geehrt fühlen würden, könnten sie ihre Büste sehen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bilder 1-3: Johannes Brunner, 4-5: BSV