Geheimnisse

Jetzt weiß man’s ganz gewiß, daß man nichts weiß“ – Der Vermählungstermin Ludwigs II. mit Prinzessin Sophie gibt Rätsel auf

Ludwig_II._und_seine_Verlobte_Prinzessin_Sophie

Gerade bei der Wahl des Hochzeitstags und zumal eines königlichen ist höchste Sorgfalt geboten. Im zweiten Blogbeitrag zur geplanten Vermählung König Ludwigs II. mit seiner Verlobten Prinzessin Sophie berichten wir über wahrhaft königliche Geschenke, großväterliche Hochzeitssonette und einen immer wieder verschobenen Trauungstermin – im Mai, August, oder doch besser erst viel später?


So plötzlich der Verlobungstag König Ludwigs II. mit Prinzessin Sophie am 22. Januar 1867 in der Boulevard-Presse verkündet wurde, so unerwartet schwierig gestaltete sich in den folgenden Wochen und Monaten die Festlegung des passenden Hochzeitstermins. Schon wenige Tage nach der freudigen Kunde rudern die Augsburger Neuesten Nachrichten über den in der Euphorie der ersten Stunde genannten 15. Mai wieder zurück und stellen stattdessen fest, daß hierüber zur Zeit noch keine Bestimmung getroffen ist. (Ausgabe vom 30.01.1867) Aus sicherer Quelle glaubt der Würzburger Anzeiger kurz danach zu wissen, dass die Vermählung Sr. Maj. des Königs neuerdings […] bis zum Monat August verschoben worden [ist], weil dieselbe mit großem Glanze gefeiert werden soll und die hiezu nöthigen Vorkehrungen erst bis dahin vollendet sein können. (Ausgabe vom 05.02.1867) Ohne Frage kann es lange dauern, ein royales Hochzeitsfest generalstabsmäßig und mit allem erdenklichen Pomp akribisch zu planen.

Neuer bayerischer Kurier für Stadt und Land

Glückwunschadresse der Bayerischen Kammer vom 30. Januar 1867 zur Verlobung König Ludwigs II. (Neuer Bayerischer Kurier vom 09.02.1867)

Spontaner war dagegen die Passauer Faschingsgesellschaft Blasrohria, die aus Anlaß der Verlobung Sr. Majestät unseres Allergnädigsten Königs Ludwig II. mit Sophie, Herzogin in Bayern, [am] Montag den 11. Februar [einen] Fest-Ball [veranstaltete]. (Passauer Zeitung vom 05.02.1867) Der König und seine Braut nahmen selbst in bester Faschingslaune am 4. Februar bei einer Theatergesellschaft in München – veranstaltet von Ludwigs Mutter – an dem Tanzen lebhaften Antheil. (Der Bayerische Bote vom 08.02.1867) Auch am großen Hofball in der Residenz München zwei Tage danach glänzte das frisch verlobte Paar unter den Anwesenden und insbesondere Prinzessin Sophie: die Braut hatte auf dem Haupte drei Sterne in Diamanten und eine desgleichen Broche und Armreif, Brautgeschenke des Königs. (Ingolstädter Tagblatt vom 09.02.1867) Just an diesem Tag meldete der Fränkische Kurier, dass König Ludwig II. […] die Büste seiner Braut durch den Bildhauer Hautmann anfertigen [lässt] (Ausgabe 07.02.1867), deren Vollendung bereits drei Wochen später, am 22. Februar, dem 20. Geburtstag der Prinzessin bestaunt werden konnte.

Büste Sophie BayerischeZeitung

„Die nach dem Leben gefertigte Büste der königlichen Braut ist nun vollendet und für ein paar Tage im Kunstverein ausgestellt. Wie wir vernehmen, ist dieselbe vorher von den allerhöchsten Herrschaften und auch von Sr. Maj. dem Könige besichtigt worden, wobei dem Künstler, Herrn Bildhauer Hautmann, aus dessen Hand bekanntlich das Modell hervorgegangen, das allerhöchste Wohlgefallen wiederholt ausgesprochen worden.“ (Neue Augsburger Zeitung vom 23.02.1867) Darunter: Hautmanns Verkaufsanzeige vom 12. März 1867 in der Bayerischen Zeitung.

Der Hochzeitstermin blieb derweil – nun aus ärztlicher Fürsorge, vielleicht in Befürchtung der physischen und psychischen ehelichen Strapazen – weiter im Unklaren: Die Vermählung unseres Königs mit der Prinzessin Sophie Charlotte wird nicht vor September oder Oktober dieses Jahres stattfinden, da er auf Zureden seines Leibarztes, Dr. Gietl, gesonnen ist, zu warten, bis er sein zweiundzwanzigstes Lebensjahr hinter sich hat. (Augsburger Tagblatt vom 13.02.1867) Wenigstens der Ort war auserkoren: Wie wir hören, wird der feierliche Akt der Trauung Sr. M. des Königs in der St. Michaelshofkirche stattfinden.“ (Neuer Bayerischer Kurier vom 16.02.1867) Auch begannen schon zügig die Umbauarbeiten an den der Braut zugedachten Gemächern: Für die künftige Königin Bayerns werden in der k. Residenz die sogen. Hofgartenzimmer in den Stand gesetzt, in welchen einst König Max Joseph I. gewohnt hatte. (Allgemeine Zeitung vom 21.02.1867) Ende Februar war sogar schon ein Entwurf zum Programm für die Vermählung Sr. Maj. des Königs […] in der Hauptsache bereits ausgearbeitet. (Regensburger Anzeiger vom 25.02.1867) Auch an der musikalischen Begleitung des königlichen Hochzeitsfestes wurde gefeilt: Aus zuverlässiger Quelle wird uns berichtet, daß Richard Wagner schon seit geraumer Zeit an einem Hochzeits-Marsch für Se. Majestät dem König arbeitet, denselben aber noch nicht zu Ende bringen konnte. Nun sollen sich mehrere andere Meister der Tonkunst angeboten haben, ihm, falls er nicht allein fertig werde, den Marsch zu machen. (Champagner, Ausgabe vom 16.03.1867)

Ende März 1867 vergifteten die „Berlinischen Nachrichten“ mit der Veröffentlichung des ein Jahr zuvor unterzeichneten und bislang geheim gehaltenen „Schutz- und Trutzbündnisses zwischen Preußen und Bayern“ die hochzeitliche Stimmung der heimatlichen Presse. (Berlinische Nachrichten vom 20.03.1867) Die erhitzte bayerische Volksseele überhörte dabei beinahe die erneute Verschiebung des Hochzeitstags: In Hofkreisen will man von einem abermaligen Aufschub der Vermählung Seiner Majestät des Königs wissen, welche nun mehr auf den 12. Oktober (Maximilianstag) festgesetzt sein soll, als den Tag, an welchen sich viele frohe Erinnerungen des Königshauses knüpfen. (Landshuter Zeitung vom 31.03.1867) Aber sicher war nur, dass nichts sicher ist: Verschiedene Zeitungen bringen sich widersprechende Nachrichten über den Zeitpunkt der Vermählung des Königs; da in dieser Beziehung noch gar nichts bestimmt ist, so beruhen alle Angaben nur auf Vermuthungen und Gerüchten. (Passauer Zeitung vom 03. April) Auch Meldungen über eine Reise des Königs in Begleitung seiner Mutter nach Rom (oder gar bis Jerusalem) Anfang April erschienen so plötzlich wie sie wieder verschwanden.

Wenigstens erstrahlte der päpstliche Segen über dem königlichen Brautpaar in spe: Der kirchliche Dispens, welcher wegen der zwischen Sr. Majestät dem König und der hohen Braut bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen zur Vermählung erforderlich ist, ist vom Papste ertheilt worden.“ (Kemptener Tagblatt vom 07.04.1867) Aus schwülwarmen südlichen Gefilden erklang kurz darauf die großväterliche Zustimmung in Form eines amourösen Sonetts, das der betagte Ludwig I. nach einem Besuch in Pompeij niederschrieb und in der […] Casa d’Adonide sein freudiges Erstaunen äußerte über die Aehnlichkeit des verwundet in die Arme der Venus niedersinkenden Adonis mit seinem Enkel, Sr. Maj. König Ludwig II. (Allgemeine Zeitung vom 11.04.1867)

AllgemeineZeitung

Huldigungssonett Ludwigs I. an seinen Enkel König Ludwig II.

Immerhin konkretisieren sich nun wieder die Hochzeitsvorbereitungen für den 12. Oktober, da „[…] für diesen Tag auch schon die Einladungen an die erlauchten Verwandten des königlichen Brautpaares, so u. A. an das österreichische Kaiserpaar und an die Königin Marie von Neapel ergangen sind“. (Augsburger Tagblatt vom 09.05.1867)

Im frühlingshaften Mai verbrachte der königliche „Heinrich“ – wie sich Ludwig in den Briefen an Sophie nannte – noch ungetrübt […] jede Woche mehrere Abende bei [Elsa] in Possenhofen […]“. (Bayerischer Kurier vom 27.05.1867)

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Ludwig und Sophie alias „Heinrich und seine Elsa“, 1867, Josef Albert

Auf den Brettern, die für Ludwig die Welt bedeuteten, zog hingegen zwischen Maestro und Mäzen vor der Generalprobe zu Lohengrin am 11. Mai ein heftiges Gewitter auf, ausgelöst durch […] die Darstellung des Lohengrin durch Herrn Tischatschek […], an welcher Se. Majestät das jugendliche Feuer (Hr. Tischatschek ist bekanntlich schon seit mehr als 30 Jahren ein berühmter Tenorist) und somit jenen Zug der Romantik mit welchem Sage und Phantasie den ,Schwanenritter‘ ausstatten, gänzlich vermisst habe“. (Fränkische Zeitung vom 19.06.1867) Den Kurztrip zur Wartburg Anfang Juni unternahm König Ludwig II. ebenso wie die Reise nach Paris (die Hauptstadt der Liebe) Mitte Juli ohne seine Verlobte, für die er als funkelnden Ersatz beim „[…] Hofjuwelier Merk […] ein prachtvolles Diadem beauftragt hatte. (Allgemeine Zeitung vom 01.06.1867)

Derweil schritten die Vorbereitungen zur royalen Hochzeit mit großen Schritten voran: Die Dekorationen der Michaelskirche zur Trauungsfeier […] ist dem Maler F. Seitz, dem geschmackvollsten Arrangeur unserer Hauptstadt, übertragen. (Passauer Zeitung vom 29.07.1867) Auch war bereits ein großer Teppich bestellt worden, der den ganzen Boden der St. Michaels-Hofkirche decken soll. (Kemptner Tagblatt vom 08.08.1867) Die königliche Braut machte nicht nur beim kurzen Aufenthalt des französischen Kaisers in München am 18. August eine gute Figur, sondern wurde auch von der Stadt Bamberg geehrt, indem die neu erbaute, hochmoderne Brücke über den rechten Regnitzarm ihren Namen tragen sollte (Sophienbrücke, heute Luitpoldbrücke): Für die gefällige Mittheilung dankend freue ich mich, daß heute mein Name verknüpft werden soll mit der Zukunft der schönen Stadt Bamberg, für deren Wohl und Gedeihen ich die lebhaftesten Wünsche hege. Sophie Charlotte. (Neuer Bayerischer Kurier vom 12.08.1867)

Sophienbrücke_Bamberg

Die 1867 eröffnete „Sophienbrücke“ nach einem Entwurf von Heinrich Gerber, ersetzt 1932

Überraschend entschwand der König derweil in seine einsame Bergwelt: Am 24. d. Mts. Nachts 12 Uhr sind Se. Majestät der König Ludwig II. von Bayern, zu Pferde, in Begleitung Seines Leib-Reitknechts über Reutte kommend, zu einem längeren Aufenthalte in Hohenschwangau eingetroffen“. (Augsburger Tagblatt vom 28.08.1867) Seine Abwesenheit bei der Grundsteinlegung des Münchner Rathauses an seinem Königsgeburtstag, dem 25. August, löste vielfaches Bedauern aus, größte Spekulationen hingegen der Umstand, daß [beim] königl. Namens- und Geburtsfestes von einem Besuch der kgl. Braut […] nirgends zu lesen war. (Augsburger Anzeigenblatt vom 02.09.1867) Kein Wunder, dass Anfang September 1867 wieder Mutmaßungen, Gerüchte und Dementis bezüglich des anvisierten Hochzeitstermins ins journalistische Kraut schossen. Hoffnungen machte wiederum die Ankündigung einer Erinnerungsmünze die am Vermählungstage vertheilt werden sollte (nur an welchem?), ebenso ein3 Fuß hohes Gedenkblatt […] was viele Beschauer anzieht“ und die Sichtung einer Probefahrt des „Galawagens, mit welchem Se. Maj. der König zur Trauung nach der Hofkirche zu St. Michael fahren wird […] mit acht reichgeschirrten Schimmeln. (Ingolstädter Tagblatt vom 23.09.1867)

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Gedenkblatt zur Vermählung König Ludwigs II. mit der Herzogin Sophie in Bayern von Arnold Meermann, handkoloriert von Prof. Wanderer. (Sammlung Jens Maria Strüwe)

Immerhin war der Start des bierströmenden Oktoberfestes am 6. Oktober 1867 in München gesichert, weshalb der immer vager werdende Hochzeitstermin des Königs mit seiner Braut die sprichwörtliche bayerische Gemütlichkeit nicht erschüttern konnte: Doch wird der Tag der Trauung, die wahrscheinlich (!) in eine der beiden letzten Wochen des Monats November falle, ebenso bestimmt bekannt gegeben werden, da denselben Se. Maj. der König nach geschehener Vereinbarung mit Allerhöchst seiner Braut demnächst (!) anzuordnen gedenke. (!) Jetzt weiß man’s ganz gewiß, daß man nichts weiß. (Augsburger Neueste Nachrichten vom 29.09.1867)

Ein Prosit auf eine frische Maß Oktoberfestbier!