Geheimnisse

Jüdisches Leben in Ansbach

Ansbacher Synagoge_innen

Ein Gastbeitrag von Alexander Biernoth,
1. Vorsitzender der Synagoge Ansbach //

Seit 1700 Jahren gibt es jüdisches Leben in Deutschland. Durch ein Edikt von Kaiser Konstantin vom 11. Dezember 321 ist belegt, dass es Juden in Köln gab. Der Monarch legte in seinem Gesetz fest, dass Menschen jüdischen Glaubens städtische Ämter in der Stadtverwaltung Kölns bekleiden dürfen. Dieses Edikt belegt eindeutig, dass es jüdische Gemeinden bereits seit der Spätantike in Mitteleuropa gab und sie ein Bestandteil der Gesellschaft waren. Eine Abschrift dieses Edikts aus dem frühen Mittelalter befindet sich heute im vatikanischen Archiv und ist Zeugnis der mehr als 1700 Jahre alten jüdischen Geschichte in Deutschland und Europa. Über viele Jahrhunderte lebten Juden in den Städten und Dörfern, waren aber erst mit der Gründung des zweiten deutschen Kaiserreiches 1871 zu gleichberechtigten Bürgern geworden. 2021 wird „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gefeiert.


 

In der Zeit nach dem 30-jährigen Krieg gewannen die Juden für die vielen kleineren und mittleren Herrschaften eine immer wichtigere Bedeutung. Der Finanzbedarf der Monarchen stieg und einige geschäftstüchtige Juden wurden als Hofjuden zu wichtigen Geldgebern. Mit ihren sich oft über ganz Europa erstreckenden Handelsbeziehungen konnten sie den Herrschern auch die neuesten Tapeten oder Möbel aus Paris, Tulpen aus den Niederlanden, Fayencen aus Italien oder Porzellan aus China beschaffen.

Ansbach_Merian-Stich 1648

Ansicht der Stadt Ansbach 1648, Merian-Stich, Privatarchiv Biernoth

In Ansbach war es nicht anders und der Hofjude Mordechei Marx Model, der 1709 verstarb, stand im Dienst von Markgraf Wilhelm Friedrich. Als Hof- und Militärlieferant verfügte er über großen politischen Einfluss. Im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts gestaltete der Markgraf Ansbach zur barocken Residenzstadt aus. Sein Hoffaktor oder Resident, wie die Hofjuden auch bezeichnet werden, sorgte unter anderem für die Ausstattung der fürstlichen Bettkammer und lieferte Vorhangtaft, holländische Leinwand, Hemden für den Erbprinzen und Kleidung nach den neuesten Gepflogenheiten an den großen europäischen Höfen. Allein für das Jahr 1699 berechnete Marx Model Auslagen in Höhe von 100.000 Talern für Lieferungen an den Hof. Marx Model ist aber auch ein gutes Beispiel für den Konkurrenzkampf, der unter den Hofjuden herrschte. So hatte er von 1691 bis 1701 das Monopol zum Talmud-Druck im Fürstentum Ansbach. Zeitweilig druckte er auch in Fürth, wo ihn Elkan Fränkel, der Vorsteher der Fürther Gemeinde, der Unterschlagung beschuldigte und ihn 1708 von seiner Stellung als Hofjude in Ansbach verdrängte. Model und seine Söhne stürzten dann wiederum Fränkel: 1712 wurde gegen ihn ein Prozess wegen Gotteslästerung eröffnet, der für ihn mit lebenslanger Freiheitsstrafe endete.

Ansbach Juden_Auspeitschung Fränkel 1712

Auspeitschung des Elkan Fränkel, Archiv Synagoge Ansbach

Ansbach_Markgraf Carl Wilhelm Friedrich_Deckenfresko

Markgraf Carl Wilhelm Friedrich, Deckenfresko im Festsaal der Ansbacher Residenz, Foto: A. Biernoth

Unter der Herrschaft des Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich (* 12.05.1712, † 03.08.1757, reg. 1729-1757) errang neben den Söhnen von Marx Model, Eisig und Elias Model, der aus Kleinlangheim stammende Isaak Nathan, genannt Ischerlein, eine einflussreiche Stellung am Ansbacher Hof. Seine Macht ging sogar so weit, dass er entscheiden konnte, welche Juden in die Stadt gelassen wurden, und die Wachsoldaten an den Stadttoren seinen Befehlen Folge leisten mussten. Es wird berichtet, dass Isaak Nathan durch Darlehenstransaktionen sein Vermögen binnen weniger Jahre von einigen tausend auf mehr als 200.000 Gulden vergrößert hatte. Allein 100.000 Gulden verdiente er bei einem bayerischen Anlehen in der Zeit von 1733 bis 1737. In einem Dekret des Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich vom 15. Juni 1739 wird Isaak Nathan, seinem Sohn Wolf Issak und seinen beiden Schwiegersöhnen, Mayer Aaron und Moises Isaak Nathan, sowie allen Nachfahren die Befreiung von allen Steuern und Abgaben zugesichert.

Doch auch Isaak Nathans Macht wurde ein jähes Ende gesetzt: Die 16-jährige Tochter des Hofmalers Johann Carl Zierl hatte 1739/40 ein Verhältnis mit dem 28-jährigen Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich und parallel dazu auch eines mit Isaak Nathan.

Der Landesherr erkrankte im September 1740 an Syphilis und lag wochenlang danieder. Wer wen angesteckt hatte, konnte nicht geklärt werden. Die Zierl-Tochter und auch Isaak Nathan wurden auf der Wülzburg verhört und dort inhaftiert, wo das Mädchen 1742 starb. Isaak Nathan hat 1750 noch gelebt, ist 1753 in Schwabach verstorben und auf dem jüdischen Friedhof in Georgensgmünd beigesetzt worden. Die Untersuchung gegen Isaak Nathan dauerte bis ins Jahr 1745 und wurde noch durch ähnliche Anklagepunkte wie bei Elkan Fränkel erweitert. Die Familie Nathans kam jedoch in den Gunstkreis des Markgrafen zurück: 1746 wurde Meyer Schwab, ein Schwiegersohn Isaak Nathans, Hofjuwelier, und er bekam auch viele Vorrechte seines Schwiegervaters wieder zuerkannt. Ein anderer Schwiegersohn, mit Namen Dessau, wurde im gleichen Jahr Hofjude und bekam fast das gesamte eingezogene Vermögen seines Schwiegervaters im Wert von 89.000 Gulden zurückerstattet.

Die Untersuchung gegen Isaak Nathan hatte aber auch Auswirkungen auf die allgemeine Situation der Juden im Fürstentum. Im September 1744 wies ein Jude namens Alexander Benjamin (später Neumann) aus Neuwied den markgräflichen Hof darauf hin, dass in den jüdischen Gebetbüchern und Schriften Lästerungen gegen das Christentum enthalten seien. Das Oberkonsistorium bildete daraufhin eine Kommission, die im ganzen Fürstentum Bücher in hebräischer Sprache beschlagnahmte und untersuchte. Im Januar 1745 wurde dann die Strafe für die Juden verkündet: Die Landjudenschaft hatte 50.000 Gulden zu bezahlen, die Judenschaft von Fürth extra 16.000 Gulden und Rabbiner Fränkel 6.000 Gulden. Damit waren die 38 Lästerungen, die die Kommission in den Büchern gefunden zu haben glaubte, gesühnt, und die Bücher mussten neu formuliert werden.

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Markgraf Carl Wilhelm Friedrich, Residenz Ansbach, Foto: A. Biernoth

Markgraf Carl Wilhelm Friedrich, Residenz Ansbach, Foto Alexander Biernoth

Auch der Sohn Carl Wilhelm Friedrichs, der Markgraf Christian Carl Alexander (* 24.02.1736, † 05.01.1806, reg. 1757-1791), hatte an seinem Hof eine Reihe von Residenten, die ihn in finanziellen Dingen berieten und auch mit Darlehen aushalfen. Namentlich bekannt sind: Meier Berlin (Hof- und Kammerfaktor, Hofmünzlieferant), Amson Salomon Seligmann, Michel Simon, Löw Israel und Löw Kohn. Unter Markgraf Alexander wurde 1767 auch die erste Ordnung für die Stadtjudenschaft in Ansbach ausgearbeitet.

Für die mannigfaltige Tätigkeit der Juden auf finanziellem Gebiet sei als Beispiel der Collecteur Josef Loevy erwähnt, der 1773 in das Zuchthaus nach Schwabach eingeliefert wurde, weil es zu Unkorrektheiten bei einer staatlichen Lotterie gekommen war. Erst eine Zahlung der Ansbacher Barnossenschaft in Höhe von 60 Gulden bewirkte die Freilassung Loevys. Auch der Jude Abraham Wittelshöfer kam wegen Schulden in Höhe von 76 Gulden und 57 Kreuzern und weil niemand für ihn bürgen wollte, ins Gefängnis. Erst als er aus eigenem Vermögen bezahlt hatte, wurde er wieder freigelassen.

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Synagoge Ansbach – außen, Foto: A. Biernoth

Am 27. Dezember 1770 ist im Taufbuch der Stadt Jena vermerkt, dass sich eine 19-jährige Jüdin aus Ansbach habe taufen lassen. Nach dem Ablegen des Glaubensbekenntnisses und der erfolgten Taufe wurde ihr der Name Friedericka Wilhelmina Carolina Hirschin gegeben. Als Paten sind Universitätsangehörige und Adelige des Gothaer Hofes verzeichnet.

Nach dem Übergang des Fürstentums Ansbach an das Königreich Preußen verloren die Hofjuden schnell an Einfluss und Macht. Mit dem bayerischen Judenedikt von 1813 bekamen die Juden im neuen Königreich keine Gleichstellung mit den christlichen Untertanen, aber immerhin einen klarabgesteckten Rahmen, in dem sie leben und arbeiten konnten. Erst mit der Reichsgründung 1871 wurden die Juden gleichberechtigte Bürger im neuen deutschen Kaiserreich.

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Bima in der Synagoge Ansbach, Foto: A. Biernoth


Titelbild: Synagoge Ansbach – innen, Foto: A. Biernoth