Es ist ein stilles Bild wie man es zur Weihnachtszeit oftmals sieht: Das Christkind – auf dem Schoß der Gottesmutter Maria sitzend – wird ehrfurchtsvoll angebetet. In der St. Georgskapelle auf der Burg Trausnitz in Landshut überrascht dieses Motiv mit einer Besonderheit: Hier kniet König Ludwig II. in prächtigem Gewand vor dem Jesuskind, das ihn mit offenen Armen begrüßt. Es liegt etwas Ruhe ausstrahlendes und gleichzeitig faszinierendes in dieser Reliefskulptur, was vor allem durch den innigen Augenkontakt von Kind und König hervorgerufen wird.
Die seitlich des Altars in der Oberkirche platzierte, über einen Meter hohe Figurengruppe fällt neben dem romanischen Skulpturenschmuck nicht sofort ins Auge. Überhaupt stellt sich die Frage, weshalb König Ludwig II. ausgerechnet hier auf der Burg Trausnitz auftaucht und dazu in einer der wenigen, noch zu seinen Lebzeiten gefertigten, vollplastischen Darstellung?
Auslöser war ein kurzer und kaum bekannter Aufenthalt des Königs in Landshut vom 21. bis 22. August 1869, der großen Eindruck bei ihm hinterließ und über den die Landshuter Zeitung berichtet:
„Gegen 8 Uhr [am 21. August 1869) hatten Seine Majestät die alte Herzogsburg Trausnitz besucht. Mit großem Interesse haben Seine Majestät die Gemächer, wo einst die hohen Ahnen gewohnt haben, durchschritten und die alte Burg, wie mag sie sich gefreut haben, daß nach so langer Zeit ein königlicher Enkel dieser Ahnen ihr so große Aufmerksamkeit schenkte. Erst um 10 Uhr abends kehrten Seine Majestät von Schloß Trausnitz zurück.“
Die Idee, auf dieser Stammburg der Familie Wittelsbach, ein Absteigequartier für sich einzurichten war geboren. Aber obwohl eine königliche Wohnung bis 1876 fertig ausgestattet wurde, kam Ludwig nie wieder nach Landshut um dort Quartier zu nehmen.
Tragischerweise zerstörte vor 60 Jahren, am 21. Oktober 1961 ein verheerender Brand das für König Ludwig II. aufwendig ausgestattete Appartement mit zehn Räumen vollständig.An das verlorene Absteigequartier und die wenigen erhaltenen Reste wird heute in einer kleinen Ausstellung auf der Trausnitz erinnert. Aber glücklicherweise lässt sich König Ludwigs Engagement für die Burg Trausnitz noch in einem anderem Raum der Burg gut nachvollziehen, in der dortigen St. Georgskapelle.
Nach seinem Besuch im Sommer 1869 veranlasste König Ludwig, neben den Planungen für sein Absteigequartier, auch eine Restaurierung der Burgkapelle, in der erst seit 1867 wieder Messen gelesen wurden. Maßgeblich unterstützte der auf der Burg lebende Archivkonservator Dr. Joseph Edmund Jörg die Instandsetzung der Innenausstattung, auf dessen Vorschlag auch die figürliche Ergänzung eines Figurenfragments rechts neben dem Altar in einer Doppelnische zurückgeht. König Ludwig II. selbst sollte als Stifter hier neben dem heiligen Georg in prunkvollem Großmeistergewand des Hausritterordens vom Heiligen Georg vor dem Jesuskind und der Patrona Bavariae erscheinen.
Eine Thematik, die weniger auf Weihnachten als vielmehr auf das besondere Interesse König Ludwigs für diesen Ritterorden und den Namenspatron in der Burgkapelle verweist.
Im Februar 1871 vereinbarte das Hofsekretariat mit dem Bildhauer Joseph Knabl ein Honorar von 1500 Gulden „für ein en relief ausgeführtes Votivbild (die Figur der Patrona Bavariae und die Figur St. Georg) zur wiederhergestellten Doppelnische der Oberkirche der Schloßkirche auf der Trausnitz“
Im Oktober des gleichen Jahres erfahren wir aus einem Atelierbesuch beim Künstler, dass das Relief fast vollendet ist:
„Mit Jörg im Atelier von Knabl, wo das Votivbild, das König Ludwig auf die St. Georgskapelle der Trausnitz stiftet, eben der Vollendung entgegengeht. Ludwig kniet im Georgsritter-Ornat vor der Mutter mit dem Kinde, das seine Arme ausbreitet (Knabl dachte ihn als Jüngling beim Regierungsantritt sich der Patrona Bavariae weihend). Ritter Georg steht zur Seite. Der König hat bereits eine Photographie davon, die ihm nach Düfflipps Versicherung sehr gefallen. Es ist ein sehr schönes Bild.“
Die erwähnte Fotografie zeigt eine Atelieraufnahme der bildhauerisch fertiggestellten Dreierkomposition von Gottesmutter, Jesuskind und seitlich knieendem König, die hier noch ungefasst und mit gemalten Rahmen präsentiert wird.
Es ist deshalb nur allzu wahrscheinlich, dass das Reliefbild noch 1871 in der St. Georgskapelle auf der Burg Trausnitz eingebaut werden konnte. Ein versöhnliches Zeichen am Ende dieses Jahres, das für den bayerischen König Ludwig II. nicht gut begonnen hatte: Am 18. Januar 1871 war in Versailles der preußische König zum Deutschen Kaiser ausgerufen worden, wenige Tage später billigte Bayern die Reichsgründung, die am 16. Mai 1871 mit der Reichsverfassung vollendet wurde. Ludwig erkannte, dass hiermit die politische Souveränität seines Königreichs, trotz einzelner Sonderrechte, zu Gunsten des Deutschen Reiches verloren war. Ein unumkehrbares Ereignis, das den bayerischen Monarchen zeitlebens belastete.
Trost und Ruhe konnte Ludwig II. zu Weihnachten 1871 nach diesem aufregenden Jahr als tief gläubiger Christ in der Anbetung des Jesuskindes finden, wie es das Reliefbild auf der Trausnitz eindrücklich zeigt. Auch wenn er selbst nie mehr vor Ort in Landshut war, wusste er um seine Anwesenheit in mitten der Heiligen in der St. Georgskapelle durch die Skulptur Knabls. Auch heute noch, nach 150 Jahren, leuchten die jugendlichen Gesichtszüge des damals 26-jährigen Königs im Anblick des Jesuskindes anmutig und würdevoll.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünscht Ihnen
Ihr Alexander Wiesneth
mit der gesamten Bayerischen Schlösserverwaltung