Majestätische Greifen und Löwen bekrönen oder stützen schlanke Säulen, die von Blättergirlanden umrankt sind. In den dazwischenliegenden Wandfeldern tummeln sich freche Vögelchen, stürmische Ziegenböcke und flinke Fische. Neckische Bacchantenpaare fordern den Betrachter zum Tanz. In der Sockelzone wachsen zierliche Blumenstängel. Diese Sätze beschreiben nicht etwa eine Traumwelt – nein, hier ist die Rede von den feinen und farbenprächtigen Entwürfen für die Wandmalereien des Aschaffenburger Pompejanums. Jahrelang schlummerten über 300 Kunstwerke in der Plansammlung unserer Bauabteilung, fein säuberlich verpackt in großen Mappen und dunklen Schubladen. Anlässlich der aktuellen Sonderausstellung „Inspiration Pompeji. 175 Jahre Innenausstattung des Pompejanums“ wurden rund 30 dieser Schönheiten nun aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt und erzählen von der Antikenbegeisterung des 19. Jahrhunderts. Zu diesem Anlass sind einmalig auch drei kleinere Räume im Obergeschoss des Pompejanums zugänglich, deren Wandmalereien in einem besonders guten Erhaltungszustand sind.
Römisches Flair am Aschaffenburger Mainufer
Die Ausgrabungen der 79 n. Chr. durch den Ausbruch des Vesuvs verschütteten Städte Herculaneum (ab 1738) und Pompeji (ab 1748) lösten ein regelrechtes Antikenfieber aus, von dem auch Ludwig I. (reg. 1825-1848) angesteckt wurde. Er ließ zwischen 1840 und 1848 durch seinen Architekten Friedrich von Gärtner (1791-1847) in Aschaffenburg den Nachbau der pompejanischen Casa dei Dioscuri (Haus des Kastor und Pollux) errichten: das Pompejanum. Außenansichten, Architekturprofile, Grundrisse und Zeichnungen von Werkzeugen bezeugen neben den heute noch vorhandenen Bautagebüchern und dem Baumanual des Bauleiters Karl Ludwig Louis (1793-1854) die Entstehung des Gebäudes. Auch eine Zeichnung des Grundsteins, den der König am 10. Juni 1843 höchstpersönlich legte, ist erhalten! Das Pompejanum war von Beginn an als Bildungsobjekt gedacht, um einerseits die antiken Wohnverhältnisse und andererseits die fantastische Ausgestaltung der pompejanischen Häuser zu vermitteln. Für sein begehbares Modell legte Ludwig I. größten Wert auf eine authentische Einrichtung und Gestaltung: Da der Ankauf antiker Originale zu teuer gewesen wäre, schickte er seine Künstler zur „Fortbildung“ nach Italien und beauftragte den Kunstagenten Martin von Wagner (1777-1858) mit einer Auflistung der nötigen „Gerätschaften“ inklusive der verwendeten Materialien. Der erste schriftliche Führer zum Pompejanum erschien bereits 1859.
Hammer und Kelle aus Silber und Ebenholz wurden eigens zur Grundsteinlegung für Ludwig I. gefertigt. © BSV/ Gruber, Scherf
Zeichnung des Grundsteins des Pompejanums von Friedrich von Gärtner im Maßstab 1:1. © BSV/ Freudling, Scherf
Kleinteilige Bilder aus Stein
Einen Großteil des Planbestandes machen Wand-, Decken- und Mosaikentwürfe aus. Die Vollendung der Innenausstattung im Jahr 1850 ist der Anlass für die diesjährige Jubiläumsausstellung. Bereits 1843 entstanden die ersten Mosaiken. Die Technik des Mosaiklegens erlernte der Bozener Steinmetz Giovanni Battista Giochetti auf Anweisung König Ludwigs I. in Rom, Neapel und Palermo. Die einzelnen Steine wurden auf Tischen zu Platten zusammengefügt und anschließend verlegt. Einige figürliche Motive, wie Juno, Jupiter und eine römische Maske des Schwanthaler-Schülers Anton Ganser (1811-1864) im Zimmer der Hausfrau wurden im Atelier gefertigt und anschließend eingepasst. Das Zeichnungskonvolut umfasst bekannte Motive wie die Warnung vor dem Hund, Werkpläne und sogar ganze Raumansichten zu den Mosaiken.
Diese Warnung vor dem Hund ist eines der bekanntesten Mosaiken Pompejis und wurde auch für das Pompejanum angefertigt. © BSV/ Freudling, Scherf
Bezaubernde Farben- und Formenvielfalt
Die frühesten Entwürfe zu den Wandmalereien entstanden wohl 1845, wie ein von Ludwig I. persönlich genehmigtes Blatt nahelegt. Der Vermerk „Pompejanisches Haus“ und eine historische Nummerierung ordnen die Blätter meist einem bestimmten Raum zu.
Genehmigung eines Entwurfs durch König Ludwig I.: „Genehmigt diese Malerey / Pompejanisches Haus / nächst Aschaffenburg 19. Juny 1845. / Ludwig“ © BSV/ Freudling, Scherf
Bisweilen sind innerhalb einer Entwurfszeichnung verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten für dieselbe Wandfläche aufgezeigt. Aufgeklebt auf einen Karton, wurden sie dem leitenden Architekten – zumeist Gärtners Neffen und Nachfolger Karl Friedrich Klump (1811-1885) im Jahr 1847 – zur Bewertung vorgelegt. Nicht immer trafen die Künstler auf Anhieb ins Schwarze: Zwei Vorschläge für die Wandgestaltung eines Raumes im Erdgeschoss sollten beispielsweise nach dem dritten Entwurf abgeändert werden, der als „gültig“ freigegeben wurde. Neben rasch hingeworfenen Skizzen, verblüffen detailliert ausgeführte Bleistift- oder Tuschezeichnungen. Diese sind ganz oder nur teilweise koloriert. Mit deckenden oder lasierenden Wasserfarben zauberten die ausführenden Künstler Kompositionen aufs Papier, die bis heute nichts an ihrer Strahlkraft verloren haben und an denen man sich kaum sattsehen kann. Farbkleckse und Fettflecken belegen, dass die Zeichnungen mit auf die Baustelle genommen wurden.
Der teilkolorierte Entwurf für die Ostwand der Loggia zeigt mehrere Gestaltungsvarianten. © BSV/ Freudling, Scherf
Der Deckenentwurf wurde nur zur Hälfte, dafür jedoch sehr detailliert ausgeführt. © BSV/ Freudling, Scherf
Dieser Entwurf für das sogenannte Zimmer der Hausfrau weist trotz seiner Skizzenhaftigkeit erstaunlich viele Details auf. © BSV/ Freudling, Scherf
Detail eines Wandabschlusses mit birnensuchendem Pfau, Wasservögeln und springenden Fischen. © BSV/ Freudling, Scherf
Unterer Wandabschluss und Sockelzone mit Schwan, Fabelwesen und stolzen Hirschen. © BSV/ Freudling, Scherf
Vom Papier auf die Wand
Ab 1845 wurden die Innenwände in vier Schichten verputzt und grundiert, die oberste Putzschicht wurde mit Pigmenten eingefärbt.
Joseph Anton Schwarzmann (1806-1890) und Christoph Friedrich Nilson (1811-1879) schmückten die vorbereiteten Flächen mit den Malereien in Tempera-Technik aus. Um die Konturen der Motive auf die Wand zu übertragen nutzten die Künstler auch Lochschablonen, die sie mit Kohle- oder Kreidestaub betupften. Schwarzmann malte die dekorativen Ornamente und die Scheinarchitektur, ihm sind auch die meisten der überlieferten Entwürfe zuzuschreiben. Nilson führte die mythologischen Szenen und Einzelfiguren aus. Großformatige Bleistiftzeichnungen im Maßstab 1:1 spiegeln bereits die vom König persönlich auferlegte Zensur wieder, die Figuren „weniger unbekleidet“ zu malen – hier siegte der Geist des 19. Jahrhunderts über die Originaltreue!
Die Vorlagen
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die antiken Fresken in Pompeji, Herculaneum und Stabiae durch Sauerstoff und Wettereinflüsse bereits stark beschädigt und die schönsten Motive in das Museo Borbonico nach Neapel verbracht worden. So war zwar der Gesamteindruck vor Ort zerstört, gleichzeitig wurden die wertvollen Originale jedoch geschützt. Einzelne Szenen, später sogar ganze Wandaufrisse wurden in mehrbändigen Stichpublikationen wie „Le pitture antiche d’Ercolano e contorni“ (1757-1792) oder der Reihe „Real Museo Borbonico“ (1824-1857) veröffentlicht, die unter anderem als Anhaltspunkt für die mythologischen Szenen, Ornamente und Scheinarchitekturen des Pompejanums dienten. Zusätzlich kopierte der in Rom lebende Maler Carlo Ruspi (1798-1893) im Jahr 1846 für das Pompejanum einige Fresken in situ, aber auch im Neapler Museum. „Gestern zeigte mir Gärtner die Copien pompejanischer Wandgemälde eigens verfertigt für das Pomp[ejanische] Haus, die ich sehr treu wiedergegeben finde…“, schreibt Ludwig I. am 25. März 1847 an Martin von Wagner.
Der deutsche Künstler und Forscher Wilhelm Zahn publizierte in seinem Tafelwerk „Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde aus Pompeji, Herculanum und Stabiae“ (1828-1859) bereits farbige Lithografien. © Bayerische Staatsbibliothek München, 2 Arch. 269 m 2
Nicht nur bunte Wände – Einblicke in die antike Wohnkultur
Ludwig I. begnügte sich jedoch nicht mit dem Gebäude an sich, er wollte sein Pompejanum auch wie ein römisches Wohnhaus ausstatten. Obwohl ebenfalls fein ausgearbeitete – klassizistisch geprägte – Möbel- und Matratzenentwürfe für das Pompejanum überliefert sind, wurden an Einrichtungsgegenständen letztendlich nur Bronzeobjekte sowie die Brunnenfigur im Atrium angefertigt. Dies mag an der Beständigkeit des Materials liegen, aufgrund dessen die antiken Bronzegeräte den Ausbruch des Vesuvs überstanden hatten. Die Holzmöbel waren dagegen dem Ascheregen zum Opfer gefallen und die Künstler des 19. Jahrhunderts hatten keine greifbaren Vorbilder. tappten hinsichtlich ihres Aussehens im Dunkeln. Originale Gebrauchsgegenstände für die Abgüsse fanden Martin von Wagner und der Bronzegießer Wilhelm Hopfgarten (1789-1860) auf ihrer Forschungsreise 1844 ebenfalls im Museo Borbonico. Die Zeichnung zweier Türklopfer von Friedrich von Gärtner, der sich zeitgleich mit Karl Ludwig Louis und dem Maler Joseph Schlotthauer in Neapel aufhielt, könnte dort entstanden sein. Der Löwenkopf war aufgrund seiner unheilabwehrenden Wirkung seit der Antike ein beliebtes Motiv an Außentüren. Zu sehen ist im Pompejanum auch ein original römisches Exemplar aus den Beständen der Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München, die in Kooperation mit der Bayerischen Schlösserverwaltung Schätze aus Pompeji zeigen. Neugierig geworden? Dann schaut im Pompejanum vorbei!
Hopfgarten lieferte die Brunnenfigur als Nachguss eines antiken Originals aus Pompeji. © BSV/ Coulot
Der linke dieser als „Thürringe“ bezeichneten Türklopfer aus dem Neapler Museum fand an den Eingangstüren des Pompejanums Verwendung. © BSV/ Freudling, Scherf
Die Sonderausstellung „Inspiration Pompeji. 175 Jahre Innenausstattung des Pompejanums“ läuft noch bis zum 31. Oktober 2025.
Eine Kooperation mit den Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München.
Weitere Informationen findet ihr auf unserer Website.