Von Tobias Grill //
Ostern ohne Ostereier ist wie… Ostern ohne Ostereier. Sie gehören einfach mit dazu, egal ob als Dekoration oder Süßigkeit; gefühlt sind sie uns ja schon seit Weihnachten wieder überall begegnet.
Fabergé und Franken
Sich zu Ostern zu beschenken hat eine lange Tradition und das natürlich auch in Adelskreisen. Die bekanntesten Beispiele hochherrschaftlicher Überraschungen im Osternest sind ohne Zweifel die fabelhaften Meisterwerke von Peter Carl Fabergé (1846-1920). Er hat in seiner Werkstatt für Familienmitglieder das letzten russischen Zaren, Nikolaus II. (1868-1918), die nach ihm benannten, damals wie heute heißbegehrten Fabergé-Eier geschaffen. Die meisten dieser einzigartigen Pretiosen waren für die Mutter und die Gemahlin des Herrschers bestimmt.
Wie passt jetzt ein kurzer Beitrag über Fabergé-Eier zu einem Blog, der bayerische Schlösser und deren Bewohner zum Thema hat? Ganz einfach: ein kleines, feines Schlösschen der Bayerischen Schlösserverwaltung wurde tatsächlich in einem dieser Eier verewigt, nämlich die Rosenau bei Coburg.
Eine Braut kommt selten allein
Das Haus Coburg ist ja mit fast allen europäischen Monarchen blutsverwandt, und so trifft sich zu gewissen Anlässen, wie beispielsweise bei einer Hochzeit, fast der gesamte Hochadel des Kontinents in der malerischen oberfränkischen Stadt. So geschehen bei der berühmten Fürstenhochzeit von 1894, bei der aber der Braut auch tatsächlich ein wenig die Show gestohlen wurde, was ja eine bodenlose Frechheit ist! Während der Feierlichkeiten verlobte sich nämlich der künftige Zar Nikolaus II. mit Prinzessin Alix von Hessen-Darmstadt (1872-1918), die sich als Zarin Alexandra Fjodorowna nannte. Die Verlobung der beiden fand auf Schloss Rosenau vor den Toren Coburgs statt und es heißt, dass Queen Victoria über diese Verbindung not very amused gewesen sein soll.
Juwelenbesetzte Eier im Osternest
Das künftige Zarenpaar legte jedenfalls den Grundstein für sein restliches weiteres Leben, das ja bekanntermaßen tragisch enden sollte, im beschaulichen Coburg, weshalb die Rosenau sicher einen besonderen Platz im Leben der beiden eingenommen haben dürfte. Als es dann mal wieder soweit war und Nikolaus II. ein weiteres Osterei für seine Zarin bei Fabergé in Auftrag gab, kam ihm wohl die Idee, ein Ei mit Ansichten von Orten fertigen zu lassen, die im Leben seiner Gattin eine wichtige Rolle gespielt haben. So entstand das sog. Bergkristall-Ei, über das sich die Zarin zu Ostern 1896 freuen durfte. Das gut 25 cm große Meisterwerk besteht, nicht ganz überraschend, aus Bergkristall, Diamanten, Gold, einem großen Smaragd und Emaille und beinhaltet 12 Miniaturen von Schlössern und Burgen auf Elfenbein, gemalt vom Dänen Johannes Zehngraf.
Alter Glanz in der Neuen Welt
Schloss Rosenau befindet sich in diesem Ei in erlesener Gesellschaft, andere Miniaturen zeigen nämlich z.B. Windsor Castle (Wohnort der Großmutter Queen Victoria), das heute leider nicht mehr existierende Neue Palais in Darmstadt (Geburtsort von Alix) oder den Winterpalast in St. Petersburg (offizielle Residenz der Zaren). Der Große Smaragd auf der Spitze erlaubt es, über einen einfachen Mechanismus die verschiedenen Gemäuer zu betrachten und dabei schwelgte die Zarin sicher in Erinnerungen an ihr bisheriges Leben. Auf diesem Video kann man sehr gut sehen, wie das Ganze funktioniert:
https://www.youtube.com/watch?v=M8bTa_rzFNI
Wer übrigens das Bergkristall-Ei heute bewundern möchte, muss dafür über den Atlantik reisen, nämlich ins Virginia Museum of Fine Arts in den USA. Da wäre ein Ausflug zur Rosenau, dem Originalschauplatz der Verlobung, doch deutlich leichter zu bewerkstelligen.
Titelbild: Virginia Museum of Fine Arts