Im September richten sich bekanntermaßen die Augen der ganzen Welt auf das unter der Altweibersonne wohlig leuchtende München – des vorverlegten Oktoberfestes wegen. Auch vor 350 Jahren war das nicht anders, aber die September-Festlichkeit von 1662, die damals das Staunen von halb Europa weckte (auch bei denjenigen, die damals weder das ferne München noch Bayern recht lokalisieren konnten), galt nicht Bierzelt und Riesenrad, sondern der Taufe des kleinen Kurprinzen Max Emanuel:
endlich wieder Schauplatz barocker Festlichkeiten – Schloss Lustheim
Prunkvoll inszenierte Opern, kostümierte Festumzüge, Turniere und Feuerwerke von bis dato kaum gesehener Pracht wurden aufgeboten, um den fürstlichen Taufgästen – und den Untertanen – zu verdeutlichen, welche strahlende Zukunft sich das Haus Wittelsbach von dem kleinen Schreihals erhoffte.
Schon vor einigen Wochen, nämlich am 14./15. Juli 2012 war es dann noch einmal soweit – auch uns Heutigen wurde, quasi als Erinnerung an solch opulente Spektakel, ein Eintauchen in barocke Partylaune gewährt. Unter der kundigen Organisation des Historikers und Experimentalarchäologen Dr. Marcus Junkelmann verschafften verschiedene historische Vereine, Tanzgruppen und Barockbegeisterte ihren Zuschauern Impressionen dessen, was im 17. und 18. Jh. zu einem gelungenen Fest der Upper Class gehörte. Ort des Geschehens war das Parterre von Lustheim, dem kleinen Schlösschen, das sich im Zentrum einer künstlichen Insel am Ende des Kanals im Schleißheimer Schlosspark erhebt, eben das Lustheim, das das erste von Max Emanuels zahlreichen und immer ehrgeiziger konzipierten Bauprojekten war.
Sonntag Nachmittag: Während sie auf den Beginn des Spektakulums warten, können die schaulustigen Besucher und Parkflaneure schon einmal durch das auf einer nahen Wiese aufgeschlagene Feldlager bummeln und sich von baumlangen Gardisten und Musketieren mit beeindruckenden Schnurrbärten Anekdoten aus den Türkenkriegen erzählen lassen.
Hier wird die Funktion historischer Schusswaffen erläutert, dort scheint ein unstandesgemäßer Flirt mit beeindruckend ausstaffierten Hofdamen in der allgemeinen Festlaune möglich. Am Kanal startet derweil die Gondel, in der Gäste vor der beeindruckenden Kulisse von Schloss Schleißheim durch die flachen Fluten gestakt werden – wie man es schon im 18 Jahrhundert den eleganten Kollegen im französischen Versailles abgeschaut hatte.
Um 14.30 erschallt dann ein feierliches Trompetensignal und der Festzug setzt sich in Bewegung, um vor dem Portal von Lustheim Aufstellung zu nehmen. Nun wird dem gaffenden Volk (diese Rollen übernehmen freundlich lächelnd die Zuschauer) zunächst erläutert, in welch erlauchter Gesellschaft es sich aufhält: Neben der würdevollen Kinderfrau, die den verdächtig nach einer Babypuppe aussehenden, aber vorbildlich ruhigen Max Emanuel in den Armen wiegt, grüßen huldvoll die stolzen Eltern, Kurfürst Ferdinand Maria und seine Gemahlin Henriette Adelaide.
Sie sind umgeben von Höflingen und Damen, sowie von historisch uniformierten Soldaten verschiedener Militärgattungen – mit und ohne Pferd. Jetzt kommt der Zug erneut ins Laufen und steuert durch die Menge hindurch den Kanal an. Hier wartet unter einem wappengeschmückten Triumphbogen die weißblaue Wiege für den Kurprinzen. Und hier paradieren nun – wie im Märchen von Dornröschen – nacheinander die bekanntesten Gottheiten des Olymp vorbei, um Max Emanuel ihre Gaben darzureichen: Ein muskulöser Herkules im knuffigem Synthetik-Löwenfell verspricht Stärke, der Kriegsgott Mars in römischer Rüstung Siege auf dem Schlachtfeld.
Die Göttinnen Ceres und Venus verheißen hingegen Wohlstand und Liebesglück… Am Rand des Kanals warten derweil schon begierig die Artilleristen auf ihre Stunde: Die brennende Lunte wird an die postierten Kanonen gelegt und nun donnern die Ehrensalven in einer so beeindruckenden und zweifellos historisch exakten Lautstärke los, dass Gott Neptun vor Schreck seinen selbst gebastelten Dreizack fallen lässt und alles in Rauch eingehüllt wird.
Dann schließlich besteigen die kurfürstlichen Herrschaften die Gondel und entgleiten mit majestätischer Eleganz den Blicken der Zuschauer, vorbei an den im Wasser errichteten Aufbauten für das prunkvolle Feuerwerk, das schon am Samstagabend stattgefunden hat.
Nach diesem anstrengenden offiziellen Teil geht es für die verbliebene Festgesellschaft im Anschluss etwas lockerer zu: Das Wetter bleibt, wie es auch aus den meisten historischen Festberichten überliefert ist, mäßig. Aber es ist immerhin so trocken, dass die zahlreichen Interessierten in den folgenden zwei Stunden nun noch die komplizierten Reiterspiele verfolgen, einer höfischen Gesellschaft beim gepflegten Maille-Spiel zusehen und im Hauptsaal des Lustheimer Schlosses diversen barocken Tanzdarbietungen beiwohnen können.
Was bleibt uns nach soviel pompösen Festspektakel noch zu sagen?? Vivat Max Emanuel!