Eine häufige Antwort, die man von Museumsmenschen auf die Frage erhält, warum sie ausgerechnet diese Arbeit gewählt haben, ist, dass sie gerne unmittelbar mit den historischen oder künstlerischen Objekten arbeiten wollen. Dieser Wunsch wird in einer fast ausufernden Sammlung wie der des Residenzmuseums erfüllt – manchmal fällt er einem aber auch fast buchstäblich auf die Füße…
Mittwochmorgen – noch eineinhalb Stunden bis Museumsöffnung. Etwas ratlos stehen der Museumsreferent und zwei Restauratoren vor einem edel geschnitzten und kostbar vergoldeten Tisch, den Joseph Effner vor fast 300 Jahren entworfen hat.
Wegen einer geplanten Baumaßnahme in diesem Bereich des Schlosses muss der seinen Platz wechseln und in den Nachbarsaal transportiert werden. Das ist uns zwar schon länger bekannt, aber die Frage, wie es zu bewerkstelligen sei, bekommt vor dem Stück jetzt erstaunliches Gewicht – ziemlich genau das der massiven Marmorplatte, die auf den reich ornamentierten Beinen ruht. Offensichtlich hat der damalige Auftraggeber – Kurfürst Max Emanuel – bei der Anfertigung nicht nur tief in die Tasche gegriffen, sondern auch nicht geplant, den Tisch nach Fertigstellung noch einmal selbst zu verrücken – diese Aufgabe blieb anderen überlassen – menschliche Arbeitskraft war preiswert im 18. Jahrhundert…
Nun liegen die Marmorplatten auf solchen Tischen in der Regel nur lose auf, so dass man sie und das Gestell einzeln transportieren kann. Das macht die Sache aber nur bedingt einfacher – der geschulte Blick des Restaurators entdeckt gleich auf der glänzenden Oberfläche eine seltsam stumpfe, durchgehende Aderung – eine alte Kittung. Die Platte war also schon einmal gesprungen und ist an der älteren Klebung daher zusätzlich empfindlich.
Hilfe muss also her – zum Glück haben die Kollegen aus der Tapeziererwerkstatt des Restaurierungszentrums Zeit zu helfen – und die nötige Ausrüstung. Am Schluss stehen zwei Wagen, Böcke und insgesamt sechs Personen bereit – leider ist die Tür zu schmal für alle: spätestens beim Passieren werden zwei Träger die Platte loslassen müssen. Auf Kommando heben zwölf Hände das gute Stück an, um es zunächst auf zwei Böcke umzulagern. Die Platte ist schwer – sehr schwer. Es ist einer der Momente, in denen einem die Kunstgeschichte mit oder ohne Studiengebühren mal wieder eher wenig hilft – soviel jedenfalls zur unmittelbaren Arbeit mit den Objekten… Aber immerhin ist nun das Gestell frei, das uns beim Umsetzen jetzt leicht wie eine Feder erscheint. Zudem eröffnet sich die seltene Gelegenheit, es an sonst verdeckten Stellen kurz zu reinigen – vielleicht das erste Mal seit Jahren.
Nun die Platte. Schwankend setzt sich die Prozession in Bewegung, teilt sich auf und quetscht sich mit angehaltenem Atem durch die Tür in den Nachbarraum. Mit einem Knirschen, das eher aus 6 erschöpft zusammengebissenen Kiefern als von der Platte kommt, wird eine glanzvolle Punktlandung ausgeführt. Geschafft. Gut sieht der Tisch an seinem neuen Standort aus – zum Glück, denn ihn noch einmal umzusetzen, muss nun wirklich nicht sein. Übrigens müssen auch noch einige monumentale Marmorbüsten auf steinernen Podesten aus dem Raum verlagert werden – aber nicht heute…